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Planlos beim Ukraine-Einmarsch: Putin hatte keinen Favoriten für die Marionettenregierung

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Von: Stephanie Munk

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Putins Pläne für einen Regierungssturz in der Ukraine: Wiktor Medwedtschuk (M.) und Viktor Janukowitsch (r.) waren angeblich seine Favoriten als Übergangspräsidenten.
Putins Pläne für einen Regierungssturz in der Ukraine: Viktor Medwedtschuk (M.) und Viktor Janukowitsch (r.) waren angeblich seine Favoriten als Übergangspräsidenten. © Kremlin Poll/Imago/Uncredited/Ukrainian Presidential Press Office/AP/dpa (Montage)

Nach Putins Willen sollte in der Ukraine nach Kriegsbeginn eine Marionettenregierung eingesetzt werden. Recherchen ergaben, wer Russlands Favoriten waren.

Kiew - Wäre es für die Ukraine nicht grausame Realität, würde es Stoff für einen packenden Spionagefilm liefern, was die ukrainische Zeitung Ukrainska Prawda in einer aufwändigen Recherche zutage brachte: Es geht um die Tage vor und nach Russlands Invasion in die Ukraine, um geheimen Absprachen, Verschwörungen und Pläne.

Nach Wladimir Putins Willen sollte die ukrainische Regierung anhand eines schnellen Blitzkrieges durch ein Marionettenregime ersetzt werden. Der Plan des Kreml: Spätestens nach drei Tagen Krieg sollte Wolodymyr Selenskyj gestürzt werden und stattdessen die russische Fahne über dem Präsidentenpalast in Kiew wehen.

Dass der Plan auch nach einem Jahr nicht aufging, ist bekannt. Aber was wäre geschehen, hätten die russischen Luftlandetruppen, die am 24. Februar 2022 in der Ukraine einmarschierten, um Kiew zu erobern, Erfolg gehabt? Wen hätte Putin als Übergangspräsidenten in der Ukraine eingesetzt?

Putins scheint für die Ukraine keinen durchdachten Plan gehabt zu haben

Einen ausgetüftelten Plan scheint es im Kreml dafür gar nicht gegeben zu haben, schildert ein hoher Beamter des ukrainischen Geheimdienstes der ukrainischen Zeitung: „Wenn Sie glauben, dass die Russen einen soliden Plan hatten, wer hierherkommen und herrschen würde, dann liegen Sie falsch“, wird die anonyme Quelle zitiert. „Hauptsache, unsere Hauptstadt fällt. Am dritten Tag, so wie sie es geplant haben. Am zehnten Tag wollten sie Kontrolle über das ganze Land haben. Die Nachnamen derjenigen, die die neue ‚Regierung‘ bilden würden, waren für sie nicht so wichtig.“

Favorisierte Kandidaten für die Leitung einer Übergangsregierung scheint es aber dennoch gegeben zu haben. An erster Stelle wird Viktor Medwedtschuk genannt - der Mann, dessen Foto als Kriegsgefangener der Ukraine wenige Wochen später um die Welt ging. „Plan A des Kreml“ sei es gewesen, „Putins persönlichen Freund an die Macht zu bringen“, heißt es.

Viktor Medwedtschuk
Viktor Medwedtschuk: Ein Foto von ihm als Kriegsgefangener ging im April 2022 um die Welt. © Uncredited/Ukrainian Presidential Press Office/AP/dpa

Medwedtschuk war Putins erster Mann in der Ukraine

Der ukrainische Politiker und Oligarch war Chef der größten prorussischen Oppositionspartei in der Ukraine und besaß bis 2023 die ukrainische Staatsbürgerschaft. Die ukrainische Zeitung nennt ihn „Putins erste Person in der Ukraine“, der russische Präsident ist offenbar sogar Taufpate von Medwedtschuks Tochter.

Als Putin am 24. Februar 2022 in die Ukraine einfiel, war der 68-Jährige in der Ukraine wegen Hochverrats angeklagt und stand unter Hausarrest. Glaubt man den Aussagen eines Parteifreundes, den die ukrainischen Journalisten zitieren, habe der 68-Jährige Anfang 2022 nur darauf gewartet, dass Putin den Krieg in der Ukraine beginne. Am Tag vor der Invasion habe er begonnen, sich auffällig zu verhalten.

Medwedtschuk begann einen Tag vor Beginn des Ukraine-Kriegs, sich auffällig zu verhalten

Nicht wie üblich habe Medwedtschuk am 23. Februar Mitarbeiter und Freunde eingeladen, um den „Tag der sowjetischen Armee“ mit ihm zu feiern, sondern sich damit herausgeredet, er sei zu beschäftigt. Stattdessen gebe es am Wochenende darauf etwas zu feiern, soll der angebliche Kandidat für eine Marionettenregierung gesagt haben. Es wäre der dritte Tag von Putins Invasion gewesen - der Tag, an dem die Selenskyj-Regierung gestürzt werden sollte.

Danach tauchte der Ex-Oligarch ab. In den Wirren der ersten Kriegstage entkam er offenbar dem Hausarrest. Im April wurde er vom ukrainischen Inlandsgeheimdienst festgenommen - es ging ein Bild des schmächtigen Mannes in Handschellen und Militärkleidung - statt wie sonst im teuren Anzug - um die Welt. Erst ein halbes Jahr später kam er durch einen russisch-ukrainischen Gefangenenaustausch frei und lebt nun in Moskau. Erst kürzlich wandte er sich mit Warnungen vor einem Atomkrieg in die Welt.

Vladimir Putin und Viktor Medwedtschuk
Viktor Medwedtschuk galt lange als „Putins Mann in der Ukraine“. (Archivbild) © IMAGO / ZUMA Wire / Mikhail Klimentyev

Ex-Präsident Wiktor Janukowytsch war angeblich Russlands Plan B für die Ukraine

Putins Plan B für einen Übergangspräsidenten in der Ukraine soll Viktor Janukowytsch gewesen sein. Der 72-Jährige regierte die Ukraine von 2010 bis 2014 als Präsident. Im Zuge der Maidan-Proteste wurde er aus dem Amt gejagt und floh. In Abwesenheit enthob ihn das ukrainische Parlament seines Amtes. Ebenfalls in Abwesenheit wurde er zu 13 Jahren Haft wegen Landesverrats verurteilt.

Gegen seine Amtsenthebung habe Janukowytsch Ende 2021, wenige Monate vor Beginn des Ukraine-Kriegs, mehrere Klagen eingereicht, heißt es in dem Bericht. Seine Anwälte monierten Verfahrensfehler. Die Klage sei bei Putins Invasion am 24. Februar 2022 noch beim Kiewer Bezirksverwaltungsgericht anhängig gewesen.

Der Russland-Ukraine-Krieg ging wenige Tage, da tauchte Janukowitsch plötzlich in Belarus auf

Eine Woche nach Kriegsbeginn soll der per internationalem Haftbefehl gesuchte Janukowitsch dann plötzlich in Belarus aufgetaucht sein. „Nach dem spurlosen Verschwinden von Medwedtschuk haben die Russen wirklich die Möglichkeit in Betracht gezogen, Janukowitsch wieder in der Ukraine einzusetzen“, heißt es in den ukrainischen Recherchen.

Zusammen mit anderen Ukrainern, die nach dem Umsturz 2014 aus dem Land geflohen waren, hätte der 72-Jährige eine neue Regierung von Putins Gnaden bilden sollen, wird ein Ex-Spitzenbeamter der Ukraine zitiert: „Es hätte gereicht, einige von ihnen in Schlüsselpositionen zu ernennen.“

Putin und Janukowitsch
Putin und Janukowitsch im Jahr 2013. (Archivfoto) © Imago Stock & People/Imago Images

Umsturz in Kiew scheiterte - Selenskyj lehnte Evakuierung zu Beginn des Ukraine-Krieges ab

Doch das Frontgeschehen erschuf bald eine andere Realität. Direkt nach Kriegsbeginn antwortete Selenskyj auf ein Evakuierungsangebot der USA mit den mittlerweile berühmten Worten: „Ich brauche Munition, und keine Mitfahrgelegenheit“. Die Ukraine wehrte sich erfolgreich gegen einen russischen Einmarsch in Kiew, die russische Armee zog sich in die Ostukraine zurück. Seitdem herrscht in der Ukraine ein zermürbender Stellungskrieg mit ungewissem Ausgang. (smu)

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