„Eine Grenze voll Löcher“: Belgorod-Attacken sorgen in Russland für scharfe Kritik
Die Anti-Putin-Milizen feiern ihre Mission im Gebiet Belgorod als Erfolg. In Russland wächst der Unmut über das Vorgehen des Kremls.
Moskau/Frankfurt - Die russische Region Belgorod war seit Montag (22. Mai) Schauplatz von Gefechten zwischen aus der Ukraine eingedrungenen Kämpfern und der russischen Armee. Es fanden heftige Kämpfe in der Grenzregion statt. Zwei Anti-Putin-Milizen bekannten sich zu den Angriffen. Am Mittwoch haben sie ihre Mission als „Erfolg“ gepriesen. „Jede Überquerung der russischen Staatsgrenze und erfolgreiche Rückkehr kann man definitiv als Erfolg bezeichnen“, sagte Denis Kapustin, Anführer des „Russischen Freiwilligenkorps“, am Mittwoch im Norden der Ukraine vor Journalisten.
Aus dem russischen Verteidigungsministerium hieß es am Dienstag, die Eindringlinge seien „blockiert und vernichtet“, ihre Reste über die Grenze zurückgeworfen worden, man habe „70 ukrainische Terroristen“ getötet. Die Angaben können nicht unabhängig geprüft werden. Laut einem Bericht der Kyiv Post haben am Mittwoch zwei Offizielle den Darstellungen, die jüngsten Grenzüberfälle seien entscheidend abgewehrt worden und es herrsche Frieden in der Region, widersprochen. Kapustin sagte, die Milizen seien 24 Stunden in Russland gewesen. Er fügte am Mittwoch aber auch an: „Die Operation dauert an.“

Gouverneur von Belgorod widerspricht Verteidigungsministerium
Wjatscheslaw Gladkow, Gouverneur von Belgorod, sagte dem Bericht zufolge in einem Video, dass einige Ortschaften auch weiterhin in Besitz der Feinde seien. Der Behauptung Moskaus, drei Dörfer seien wieder unter staatlicher Kontrolle, widersprach er. Ex-Kommandeur Igor Girkin, der Putins Truppe zuletzt lächerlich machte, stellte die Behauptungen des Kremls ebenso infrage.
Zwar seien Siedlungen zurückerobert worden, „feindliche Kämpfer“, so zitiert die Kyiv Post ihn, seien allerdings noch auf freiem Fuß. Mehr als 550 Personen in der Region Grayvoron könnten aufgrund anhaltender Kämpfe weiterhin nicht in ihre Wohnungen zurück.
Kämpfe auf russischem Boden
Seit Beginn Ukraine-Kriegs war die Grenzregion Belgorod schon wiederholt beschossen und Dutzende Menschen getötet worden. Bei dem nun erfolgten Angriff seit dem 22. Mai handelte es sich aber um den schwerwiegendsten Vorfall dieser Art auf russischem Staatsgebiet.
Angriffe in der Region Belgorod: Kritik am Kreml wird lauter
Als Gouverneur könne er eine Frage nicht offen lassen, so Gladkow laut dem Bericht. „Wir haben jetzt seit eineinhalb Jahren Kampfhandlungen ... und die Behörden haben immer gesagt: ‚Alles ist unter Kontrolle‘.“ Dennoch sei der Feind in der Lage, in die Region einzudringen - obwohl Befestigungen gebaut worden seien. „Warum ist unsere Grenze voll Löcher?“, fragte der Gouverneur. Er fügte an, viele Fragen an das Verteidigungsministerium zu haben.
Hochrangige Offizielle des Verteidigungsministeriums hätten die Bedrohung durch Angriffe auf Grenzgebiete nicht ernst genommen, sagte Girkin. Nicht zuletzt aus diesem Grund sei der jüngste Angriff auf Belgorod so erfolgreich gewesen. Die lokalen Behörden hätten nichts aus dem Angriff gelernt.
Kreml-Sprecher Dmitri Peskow erklärte am Mittwoch erneut, Moskau sei durch das Geschehen in Belgorod nicht beunruhigt. Soldaten, Grenzschützer und „zuständige Dienste“ machten ihre Arbeit, erklärte Peskow vor der Presse. Der Chef der russischen Wagner Gruppe erklärte hingegen, dass die russische Grenze zur Ukraine nicht ausreichend geschützt sei. „Sabotage-Gruppen durchqueren die Region Belgorod in aller Ruhe“, sagte Jewgeni Prigoschin in einem Video-Interview, in dem er vor einer Niederlage Russlands im Ukraine-Krieg warnte. (mbr/dpa)