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Lässt sich Belarus in den Krieg ziehen? Oppositionschefin erklärt Lukaschenkos Putin-Widerstand

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Von: Andreas Schmid

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Swetlana Tichanowskaja, Oppositionspolitikerin aus Belarus, steht anlässlich eines Treffens mit Bundespräsident Steinmeier im Schloss Bellevue
Swetlana Tichanowskaja, Oppositionspolitikerin aus Belarus, steht anlässlich eines Treffens mit Bundespräsident Steinmeier im Schloss Bellevue. © Bernd von Jutrczenka/dpa (Archivbild)

Wie ähnlich sind sich Belarus und die Ukraine? Lässt sich Russlands Nachbar in den Krieg ziehen? Oppositionschefin Tichanowskaja glaubt nicht an eine militärische Eskalation.

Minsk – Vor zweieinhalb Jahren wollte Swetlana Tichanowskaja neue politische Verhältnisse in Belarus erreichen. Bei der Präsidentschaftswahl 2022 sollte eigentlich ihr Ehemann gegen Machthaber Alexander Lukaschenko antreten; doch das Regime in Minsk verhaftete ihn während des Wahlkampfs. Tichanowskajas Plan scheiterte. Nach einer von Manipulationsvorwürfen überschatteten Wahl samt großer Proteste ist sie nun Oppositionsführerin. Sie ist die politische Gegenstimme des „letzten Diktators Europas“ – und damit auch eine Kritikerin des Lukaschenko-Vertrauten Wladimir Putin.

„Das versteht Lukaschenko“ – Deshalb beteiligt sich Belarus nicht aktiver am Ukraine-Krieg

„Sie sitzen im selben Boot“, sagte Tichanowskaja im Interview mit The Atlantic. „Sie haben das gleiche Ziel, sich an der Macht zu halten.“ Erst im Dezember trafen sich Putin und Lukaschenko. Bei einem Gespräch in Minsk soll es auch um eine engere Zusammenarbeit mit Blick auf den Ukraine-Krieg gegangen sein.

Es gibt bereits eine gemeinsame Einsatzgruppe, offiziell zum Schutz der Außengrenzen der russisch-belarussischen Union. In den vergangenen Wochen gab es immer wieder Spekulationen über einen erneuten russischen Angriff auf die Ukraine von belarussischem Gebiet aus. Schon zu Kriegsbeginn hatten russische Truppen die Ex-Sowjetrepublik als Aufmarschgebiet genutzt. Lukaschenko hat bisher eine direkte Beteiligung belarussischer Soldaten an den Kampfhandlungen vermieden. Allerdings ist der von der EU nicht mehr als Präsident anerkannte Politiker politisch, wirtschaftlich und militärisch stark abhängig von Moskau.

Kurz vorm Handschlag: Putin und Lukaschenko bei ihrem Treffen in Minsk am Montag (19. Dezember).
Kurz vorm Handschlag: Putin und Lukaschenko bei ihrem Treffen in Minsk am 19. Dezember. © Pavel Bednyakov/Imago

Tichanowskaja glaubt dennoch nicht, dass sich Belarus in den Krieg ziehen lässt. Lukaschenko ginge mit einem „schweren politischen Schaden“ aus diesem Szenario. Zwar gebe es „einige Soldaten, die dem Diktator gegenüber sehr loyal sind und in der russischen Armee dienen könnten“, doch „die große Mehrheit der Belarussen“ lehne den Krieg ab. „Und Lukaschenko versteht das auch.“

Dann würden die Belarussen als Aggressoren angesehen werden, und das würde, genau wie bei den Russen, ein Visumverbot und andere Sanktionen bedeuten.

Swetlana Tichanowskaja bei „The Atlantic“ über die Folgen eines belarussischen Kriegseintritts

Tichanowskaja vergleicht Belarus mit Ukraine und sieht Mentalitätswandel

Tichanowskaja, die mittlerweile im Exil lebt, sieht derweil auch Parallelen zwischen Belarus und der Ukraine. Die Mehrheit der Bevölkerung wolle sich von Russland lösen. „Genau wie in der Ukraine sprechen hier immer mehr Menschen in ihrer Muttersprache und nicht auf Russisch. Diese kleinen, progressiven Schritte sind sehr wichtig.“

Tichanowskaja berichtet von einem „Mentalitätswandel“ im Land. „Sie haben uns glauben gemacht, wir bräuchten eine starke Hand, einen Diktator, der uns alle im Zaum hält, so wie es Stalin tat. Aber als unsere Jugend ins Ausland ging, um an westlichen Universitäten zu studieren, entwickelte sich eine neue Generation.“ Belarus lerne dabei von der Ukraine. „Leider hat ihr Kampf zum Krieg geführt – nicht aus freien Stücken, aber für manche Nationen ist das der einzige Weg.“ (as)

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