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Putin bricht mit Tradition – Geheimdienst sieht „Besorgnis“ über Stimmung in Russland

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Von: Stephanie Munk

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Putins jährliche Pressekonferenz hat Tradition. Doch inmitten des Ukraine-Kriegs verzichtet Russlands Präsident darauf. Geheimdienstler vermuten, dass er gewisse Befürchtungen hegt. 

Moskau - Erstmals seit zehn Jahren lädt Russlands Präsident Wladimir Putin die internationalen Medien nicht zur traditionellen Jahrespressekonferenz. „Was die große Pressekonferenz angeht, nein, die wird es bis Neujahr nicht geben“, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow der Agentur Interfax zufolge. Einen Grund nannte er nicht. Peskow wies lediglich darauf hin, dass Putin auch bei anderen Gelegenheiten mit der Presse spreche, insbesondere bei seinen Auslandsreisen.

Beobachter sind überzeugt, dass Putin Fragen von internationalen Journalisten vermeiden will - angesichts des seit mehr als neun Monaten andauernden Ukraine-Kriegs, in dem die russische Armee viele Niederlagen einstecken muss.

Wladimir Putin, Präsident von Russland, spricht 2020 bei der großen Pressekonferenz per Video zu Medienvertretern in Moskau.
Erstmals seit zehn Jahren lädt Wladimir Putin die internationalen Medien nicht zur traditionellen Jahrespressekonferenz. © Aleksey Nikolskyi/Pool Sputnik Kremlin/AP/dpa

Kreml prüft Journalisten-Fragen im Vorfeld - Dennoch steigt wohl die Angst

Der britische Geheimdienst schreibt außerdem in seinem jüngsten Lagebericht, dass Putin wohl auch Sorge vor Kritik aus Russland selbst hat: „Die Absage hat seinen Grund wahrscheinlich in der steigenden Besorgnis vor einem Überhandnehmen der Anti-Kriegs-Stimmung in Russland“, vermutet der britische Geheimdienst.

Zwar würden die Fragen der Journalisten höchstwahrscheinlich im Vorfeld vom Kreml geprüft und abgesegnet, so die britischen Geheimdienstler. Dennoch seien die Mitarbeiter des Kreml „extrem sensibilisiert“ für die Gefahr, dass Putin bei irgendeiner Veranstaltung anhand einer spontanen Diskussion zur „militärische Spezialoperation“ in der Ukraine in die Mangel genommen werde.

Putins Pressekonferenz: Stundenlange Fragerunde mit Hunderten Journalisten fällt aus

Putin hatte sein großes Treffen mit der Presse seit 2001 Jahr für Jahr abgehalten - insgesamt 17 Mal. Einzige Unterbrechung war die Zeit zwischen 2008 und 2012, als Putin Ministerpräsident war und nicht Staatsoberhaupt. An der Pressekonferenz nehmen normalerweise Hunderte von russischen und ausländischen Journalisten teil. Putin beantwortet dort live Fragen zu unterschiedlichsten Themen - von der Außenpolitik bis zu Alltagsproblemen der Russen. 2021 dauerte sie über vier Stunden.

Dass Putin nun auf diese ausführliche Fragerunde verzichtet, könnte auch an der seit September in Russland geltenden Teilmobilmachung liegen, die im Land offenbar für massiven Unmut sorgt. Auch die scharfen westlichen Sanktionen gegen Russland, zu denen zuletzt ein Erdöl-Embargo seitens der EU kam, könnten eine Rolle spielen.

Putin sagt weitere Termine ab

Ausfallen soll in Russland heuer auch der traditionelle Neujahrsempfang im Kreml. Auch für Putins jährliche Rede vor den beiden Parlamentskammern gibt es weiter keinen Termin. Fraglich ist, ob es die nationale Fernsehsprechstunde „Direkter Draht“ geben wird, bei der Bürger normalerweise alljährlich persönlich Beschwerden bei Putin vorbringen können.

„Je mehr Kraft und Energie Putin für ,globale‘ Themen aufwendet, desto weniger will er für ,Kleinigkeiten‘ wie den Direkten Draht oder Pressekonferenzen verschwenden“, schreibt die Politologin Tatjana Stanowaja dazu auf Telegram. „Für das externe Publikum kann er auch so alles sagen, was er für nötig hält, da findet sich schon ein Anlass. Doch in der Kommunikation mit dem Publikum im Land sieht er keinen Sinn. Sollen das doch die Untergebenen tun...“. (smu/dpa/AFP)

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