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„Wäre Russlands letzter Krieg“: Kuleba überrascht mit kühler Atomkrieg-Einschätzung

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Von: Magdalena von Zumbusch

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Dmytro Kuleba
Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba. (Archivbild) © Michael Kappeler/dpa

Die Drohung eines Atom-Einsatzes setzt Putin als extrem mächtiges psychologisches Instrument ein. Außenminister Kuleba reagiert nicht auf die Drohung.

Kiew - Ukraines Außenminister Dmytro Kuleba erklärt auf Deutschland-Besuch eine durchaus überraschende Meinung. Denn sie weicht von der seines Präsidenten Wolodymyr Selenskyj ab: Kuleba geht explizit nicht von der Gefahr einer atomaren Eskalation im Ukraine-Krieg aus.

Ob er tatsächlich daran glaubt, dass die Möglichkeit nicht im Raum steht oder ob er die Deutschen nach ihrer Zusage neuer Waffen nur beruhigen und bestärken möchte, ist noch eine andere Frage. Die in der ZDF-Sendung „heute“ von Kuleba geäußerte optimistische Einschätzung, ist jedenfalls nicht unumstritten.

„Ich sehe nicht die Möglichkeit: Denn das wäre der letzte Krieg“, so Kuleba

„Ich sehe tatsächlich nicht die Möglichkeit, dass ein nuklearer Krieg hier als Möglichkeit auf dem Tisch läge. Denn das wäre der letzte Krieg - und zwar auch für Russland“, sagte Kuleba ein einem am Donnerstag (12. Mai) in „heute“ veröffentlichtem Interview.

Eine Begründung für seine Einschätzung lieferte der ukrainische Außenminister nicht. Dass Wladimir Putin durchaus in eine Lage geraten könnte, in der er der atomaren Drohung Taten folgen lässt, halten allerdings einige Experten und Akteure nicht für undenkbar. „Die Aussicht auf einen nuklearen Konflikt, einst undenkbar, ist jetzt wieder im Bereich des Möglichen“, hatte der UN-Generalsekretär António Guterres etwa Mitte März seine Einschätzung der Lage kundgegeben. Damit hatte auch der UN-Chef damals allerdings seinen seinen Tonfall geändert: In den Wochen davor hatte er die Möglichkeit eines Einsatzes von Atomwaffen noch als „unvorstellbar“ bezeichnet.

Eine akute Atomkrieg-Gefahr haben seit Beginn der russischen Ukraine-Invasion allerdings schon mehrere Experten angezweifelt: Waffenlieferungen seien „für Russland kein Grund, einen Atomkrieg zu beginnen“, so etwa die Einschätzung des Experten für Sicherheitspolitik in Osteuropa, Gustav Gressel, gegenüber Merkur.de. Gressel schloss einen Atomschlag allerdings anders als Kuleba nicht ganz aus, sondern schätzte ihn nur als unwahrscheinlich ein: Da Putin glaube auf nuklearem Gebiet gegenüber den USA der Schwächere zu sein, würde es „enorm wundern, wenn Russland nun nuklear eskalieren würde“.

Realisierung Putins atomare Drohung? UN und USA sehen durchaus eine reale Möglichkeit

Der US-Geheimdienst CIA nimmt Drohungen des Kreml indes ernst: Es sei zu befürchten, dass Russland im Ukraine-Krieg kleinere Atomwaffen einsetzen könne. Angesichts einer „möglichen Verzweiflung“ über militärische „Rückschläge“ könnte Putin den Einsatz „taktischer Atomwaffen oder Atomwaffen mit geringer Reichweite“ anordnen, erklärte CIA-Direktor William Burns Mitte April laut der Agentur AFP. „Wir sind natürlich sehr besorgt“, sagte Burns. Er betonte zugleich aber, bislang gebe es „nicht viele praktische Beweise“ für konkrete Vorbereitungen auf den Einsatz solcher Waffen.

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Russland verfüge über ein Arsenal an taktischen Atomwaffen mit kleinerer Sprengkraft als die Bomben, die die USA im Zweiten Weltkrieg über Hiroshima und Nagasaki abgeworfen hatten, vor allem deren Einsatz wäre laut einem Bericht der AFP zunächst zu befürchten. In der russischen Militärdoktrin gebe es das Prinzip „eskalieren, um zu deeskalieren“, das den Erstschlag mit einer Atomwaffe mit geringer Sprengkraft vorsehe. Die Hoffnung dahinter sei, dass die Gegenseite sich nach diesem Signal zurückzieht, um die gegenseitige vollständige Auslöschung durch einen Atomkrieg mit großen, strategischen Atombomben zu vermeiden.

Putins Drohung mit Atom-Waffen: Auch Bundeskanzler Scholz zeigt Reaktion - mit zögerlichem Verhalten

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) äußerte schon in den ersten Kriegstagen seine Sorge vor einer atomaren Eskalation des Krieges, so etwa Anfang März. Es sei wichtig, angesichts von Putins Drohszenario mit Atomwaffen „einen kühlen Kopf (zu) bewahren“, sagte Scholz und machte durch diese und ähnliche Äußerungen wohl deutlich, die Drohungen des Einsatzes von Atomwaffen ernst zu nehmen. Auch sagte er die von der Ukraine ersuchten Waffenlieferungen erst nach längerem Zögern zu. Verschiedene Außenminister (darunter Annalena Baerbock) und Nato-Vertreter äußerten schon zu Kriegsbeginn, dass die Drohung ernst genommen werden müsse. (mvz mit dpa/AFP)

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