„Tödliche Maßnahmen“ und Folter bei Ukraine-Invasion? USA warnen vor Russlands Todesliste

Sollen bestimmte Zivilisten „getötet oder in Lager geschickt“ werden? Laut US-Geheimdiensten hat Russland für den Fall eines Einmarschs in der Ukraine Todeslisten erstellt.
Genf - Die USA rechnen weiter mit einem russischen Einmarsch in der Ukraine - und mit schweren Menschenrechtsverletzungen im Falle einer Invasion. „Insbesondere haben wir glaubwürdige Informationen, die darauf hindeuten, dass die russischen Streitkräfte Listen mit identifizierten Ukrainern erstellen, die nach einer militärischen Besetzung getötet oder in Lager geschickt werden sollen“, warnte die amerikanische UN-Botschafterin Bathsheba Nell Crocker in Genf die UN-Menschenrechtsbeauftragte Michelle Bachelet. Das Schreiben liegt der Deutschen Presse-Agentur vor.
Weiter heißt es, die USA verfügten über Geheimdienstinformationen, denen zufolge „die russischen Streitkräfte wahrscheinlich tödliche Maßnahmen anwenden werden, um friedliche Proteste aufzulösen“. Die Vereinigten Staaten befürchten demnach, dass wie bei „früheren russischen Aktionen“ Folter zum Einsatz kommen werde. Ziel wären Menschen, die Russland Widerstand leisten würden, „einschließlich russischer und weißrussischer Dissidenten im Exil in der Ukraine, Journalisten und Anti-Korruptionsaktivisten und gefährdete Bevölkerungsgruppen wie religiöse und ethnische Minderheiten und LGBTQI+-Personen“. Die Abkürzung steht für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans-, Inter- und queere Menschen und das Pluszeichen als Platzhalter für weitere Identitäten. Die USA legten ihre Quellen für die Informationen nicht offen.
Ukraine-Krise: Russland warnt vor „Genozid“
Russland wiederum behauptet, der russischen Bevölkerung im Donbass drohe ein Völkermord. Mitte letzter Woche startete Russland ein Verfahren gegen die Ukraine wegen angeblicher Misshandlung der Zivilbevölkerung und Einsatz tödlicher Waffen gegen Zivilisten in den abtrünnigen Provinzen Donezk und Luhansk. Russischen Angaben zufolge haben die pro-russischen Separatisten zwischen August und Oktober 2021 fünf Massengräber mit insgesamt mindestens 295 Toten gefunden.
Der Westen weist diese Behauptungen zurück; Bundeskanzler Olaf Scholz sagte bei seinem Besuch im Kreml, die Anschuldigung Wladimir Putins, in der Ostukraine finde ein „Genozid“ statt, seien „falsch“. Bei der Münchner Sicherheitskonferenz sprach er am Samstag gar von „lächerlichen“ Vorwürfen. Beobachter vermuten vielmehr, dass der angebliche Völkermord als Vorwand für einen russischen Einmarsch dienen soll.
Unterdessen gibt es an der Grenze zur Ukraine keine Zeichen von Entspannung. Der US-Regierung liegen Medienberichten zufolge Geheimdienstinformationen vor, wonach Moskau seinem Militär den Befehl gegeben haben soll, mit Einmarschplänen in die Ukraine fortzufahren. Im Westen wird befürchtet, dass Kremlchef Putin die Kämpfe in den abtrünnigen Gebieten im Osten der Ukraine als Vorwand für einen Einmarsch nutzen könnte. Russland hat nach US-Angaben etwa 150.000 Soldaten an der Grenze zusammengezogen. Moskau streitet aber Angriffspläne seit Wochen ab und kündigte in der vergangenen Woche an, Teile seiner Truppen abziehen zu wollen. Laut Angaben von NATO und US-Geheimdiensten geschieht derzeit allerdings das Gegenteil: Russland soll seine Truppen an der Grenze zur Ukraine sogar noch verstärken.
Ukraine-Krise: Militärmanöver in Belarus wird verlängert
Am Wochenende kündigte Russland außerdem an, die gemeinsame Militärübung mit Belarus zu verlängern. Russland hat für das Manöver US-Angaben zufolge rund 30.000 Soldaten nach Belarus entsandt, die der Kreml nach Abschluss der Übung am Sonntag (20. Februar) eigentlich zurückbeordern wollte. Die Entscheidung, das Manöver nun doch fortzusetzen, begründet Moskau mit der angespannten Lage in der Ostukraine. Man wolle die „Überprüfung der Kampfbereitschaft der Streitkräfte des Unionsstaates“ fortsetzen, erklärten der russische Präsident Putin und der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko.
Um die Krise in der Ostukraine auf diplomatischem Weg zu lösen, wollen Putin und US-Präsident Joe Biden zu einem von Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron vorgeschlagenen Gipfeltreffen zusammenkommen. Beide hätten einem Treffen „grundsätzlich“ zugestimmt, erklärte der Élysée-Palast. Voraussetzung dafür ist laut Bidens Pressesprecherin Jen Psaki allerdings, dass es „nicht zu einer Invasion“ kommt. (sh/dpa)