„Nicht nur für den aktuellen Krieg“: Putin-Minister will Militär auf 1,5 Millionen Soldaten aufstocken

Der Kreml will seine Armeestärke vergrößern. Bis 2026 soll das Militär wachsen. Laut Militärexperten geht es darum, „konventionelle Kriegsführung in großem Maßstab zu betreiben“.
Moskau – Zum Neujahrstag wuchs das russische Militär um 137.000 Soldaten. Am 1. Januar trat ein bereits im Sommer veranlasstes Dekret von Kremlchef Wladimir Putin in Kraft. Damit umfasst die russische Armee rund zwei Millionen Menschen. Rund 1,15 Millionen davon sind Vertragssoldaten und Wehrdienstleistende, der Rest arbeitet in der Verwaltung. Nun soll die Armeestärke offenbar weiter wachsen – auf 1,5 Millionen Soldaten.
Schoigu plant „groß angelegte Veränderungen“: Russen-Militär soll wachsen
Diese Pläne kündigte Putin bereits Ende Dezember an, Sorgen vor einer entsprechenden Großoffensive verhärteten sich aber zunächst nicht. Nun traf sich der russische Verteidigungsminister Sergei Schoigu mit der Führungsspitze der russischen Streitkräfte zu einem Gespräch über die Umsetzung des Beschlusses. Das meldete das russische Verteidigungsministerium. Die Armeevergrößerung soll in den Jahren 2023 bis 2026 umgesetzt werden. Es gebe „groß angelegte Veränderungen“. Die Aussagen könnten ein Vorbote für eine für Mittwochabend angekündigte Putin-Rede sein.
Schoigu kündigte an, dass Russland die Militärbezirke Moskau und St. Petersburg wiederherstellen, ein neues Armeekorps in Karelien (an der finnischen Grenze) bilden, neue autarke Truppengruppierungen in der besetzten Ukraine aufstellen und zwölf neue Manöverdivisionen bilden werde. Gestärkt werden solle auch die Kampfkraft der Flotte, der Luftwaffe und der Raketenstreitkräfte. Der Krieg in der Ukraine dauert derweil an. Auch diese Woche zerbombte das russische Militär zivile Infrastruktur in der Ukraine.
Einschätzung zu neuen Kreml-Plänen: „Unklar, ob das Militär so wachsen kann“
Laut der US-Denkfabrik Institute for the Study of War verfolgen die Pläne zwei Ziele: „Wahrscheinlich als Vorbereitung auf einen langwierigen Krieg in der Ukraine, und auch um die Voraussetzungen für den raschen Aufbau eines wesentlich stärkeren russischen Militärs zu schaffen“, heißt es im aktuellen ISW-Lagebericht vom 17. Januar.
Aufgrund des dreijährigen Zeitraums bis 2026 müsse man die neue Militärstrategie aber auch unabhängig der Ukraine betrachten, schreiben die Militärexperten: „Diese Reformen zeigen die Absicht Russlands, das russische Militär so zu reformieren, dass es in der Lage ist, konventionelle Kriegsführung in großem Maßstab zu betreiben, und nicht nur für den aktuellen Krieg gegen die Ukraine.“ Ob das gelingt, sei noch nicht absehbar: „Es ist unklar, ob das russische Militär in der Lage sein wird, innerhalb von drei Jahren so zu wachsen, wie Schoigu es beschrieben hat.“ Schoigu habe bereits in der Vergangenheit große Reformen angekündigt, die de facto nie umgesetzt worden seien.
Peskow begründet Schoigu-Pläne mit „Stellvertreterkrieg gegen Moskau“
Die Armeeerweiterung ist laut Kremlsprecher Dmitri Peskow „das Ergebnis eines Stellvertreterkriegs des Westens gegen Moskau“, wie ihn am Dienstag die russische Nachrichtenagentur Tass zitierte. „Es ist der Krieg, den die Länder des kollektiven Westens [gegen Russland] führen“, sagte er, als er nach dem Grund für die Entscheidung gefragt wurde, die russischen Streitkräfte auf 1,5 Millionen Soldaten zu vergrößern.
Peskow präzisierte, dass es sich um einen Stellvertreterkrieg handele, „der eine indirekte Beteiligung an militärischen Aktivitäten und Elemente eines Wirtschaftskrieges, eines Finanzkrieges, eines juristischen Krieges, Schritte, die über den juristischen Bereich hinausgehen, und so weiter beinhaltet“. Ein Narrativ, das der neue Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius mit seinen ersten Aussagen einer „indirekten“ Kriegsbeteiligung stützen könnte. Ein Experte attestiert dem Lambrecht-Nachfolger im Gespräch mit unserer Redaktion daher einen „brandgefährlichen Fauxpas“. (as)