Winter-Wende im Ukraine-Krieg? Kiew bereitet sich auf Manöver in „gefrorenem Gebiet“ vor

Der Herbst-Schlamm ist passé, fortan prägen frostige Böden den Ukraine-Krieg. Das Wetter im Winter könnte die Gefechte beeinflussen, meinen Experten.
Kiew – Mitte November fiel in der ukrainischen Hauptstadt Kiew der erste Schnee. Seitdem sinken die Temperaturen immer weiter ab. Minusgrade sind auch unter Tags möglich. Das wiederum hat Auswirkungen auf den Ukraine-Krieg. Die Ukraine sieht im frostigen Winter offenbar eine Chance, Russland anzugreifen. Aber auch Kreml-Chef Wladimir Putins Truppen scheinen auf den Winter vorbereitet.
„Gelegenheit für Offensivaktionen“: neue Winter-Strategie im Ukraine-Krieg?
Der Chef des US-Generalstabs, Mark A. Milley, sieht generell eine „potenzielle Gelegenheit für Offensivaktionen“ – sowohl von Russland als auch der Ukraine. Der Frontlinien hätten sich stabilisiert, aber der Winter könne den Krieg beeinflussen, wie er dem Wall Street Journal sagte. Die Kriegsexperten der US-Denkfabrik „Institute for the Study of War“ (ISW) sehen das ähnlich. Sie glauben allerdings, dass die Ukraine besser für die kalten Monate gerüstet ist.
Der Winter sei „für die mechanisierte Kriegsführung in der Ukraine förderlich“, heißt es im aktuellen Lagebericht. „Die ukrainischen Streitkräfte werden in der Lage sein werden, die Wetterbedingungen zu nutzen, wenn der strenge Frost Ende Dezember näher rückt.“ Nach Einschätzung des ISW „bereiten sich die ukrainischen Truppen wahrscheinlich darauf vor, die Vorteile des gefrorenen Gebiets zu nutzen, um sich leichter bewegen zu können, als dies in den schlammigen Herbstmonaten möglich war“. Russland werde wohl den Winter überbrücken wollen, um eine Offensive im Frühjahr vorzubereiten.
Winterkrieg: „Die russische Armee ist schlecht auf den bevorstehenden Winter vorbereitet“
Russland sollte die Kälte eigentlich ebenso gewohnt sein. Mangelnde Ausrüstung sorgt aber wohl für Defizite. In einem Gastbeitrag fürs ZDF schreiben zwei Experten der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP): „Die russische Armee ist schlecht auf den bevorstehenden Winter vorbereitet.“ Das sei in der Phase vor dem Großangriff am 24. Februar mit den russischen Truppenverlegungen deutlich geworden.
Die DGAP-Analysten meinen: „Als die Eskalation begann, wiesen viele gefangene russische Soldaten offensichtliche Anzeichen von Erfrierungen, Kälte und einer allgemein schlechten körperlichen Verfassung auf, da es an geeigneter Kleidung und Ausrüstung mangelte. Dabei handelte es sich hierbei noch um die russische Berufsarmee, die aus Berufs- und Vertragssoldaten bestand.“
Auch der Politikwissenschaftler Nico Lange sieht Russland schlecht aufgestellt, während UN-Generalsekretär Stoltenberg vor „Krieg in Europa“ warnt. Ob die Ukraine davon jedoch profitieren könne, wisse er nicht. Denn dafür bräuchten Selenskyjs Truppen mehr Unterstützung, wie Lange Anfang November sagte. „Dass die Ukraine in der Phase der russischen Schwäche dieser Wochen nicht über genügend mechanisierte Kräfte mit Kampfpanzern, Schützenpanzern und Truppentransportern auf Ketten verfügt, könnte militärisch als große verpasste Chance im Herbst 2022 in die Geschichte eingehen.“ (as)