Ukraine am Rande des Staatsbankrotts

Kiew - Der ukrainische Übergangspräsident Alexander Turtschinow hat einen Westkurs der Ex-Sowjetrepublik angekündigt. Gleichzeitig zeichnete er ein düsteres Bild über die wirtschaftlichen Verhältnisse in seinem Land.
„Vorrang hat für uns, zum Kurs der Annäherung an Europa zurückzukehren“, sagte Turtschinow am Sonntag in einer Ansprache an die Nation. „Wir müssen in den Kreis der europäischen Länder zurückkehren.“
Die Weigerung des gestürzten Präsidenten Viktor Janukowitsch, ein historisches Abkommen mit der EU zu unterschreiben, hatte die monatelangen Proteste in der Ukraine ausgelöst. Das Parlament hatte Janukowitsch am Samstag für abgesetzt erklärt und am Sonntagvormittag Turtschinow zum vorläufigen Staatschef bestimmt.
Zugleich sagte der 49-Jährige, die Ukraine sei zu einem guten Verhältnis mit Russland bereit. Nötig sei aber, dass Moskau „die europäische Wahl der Ukraine anerkennt und berücksichtigt“, betonte der Vertraute von Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko.
Turtschinow versprach demokratische Präsidentenwahlen am 25. Mai. Janukowitschs Anhänger rief er auf: „Betrachtet seinen persönlichen Sturz in einem blutigen Drama nicht als Niederlage! Er hat vor allem Euch betrogen, die an ihn geglaubt haben.“ Auch die Interessen der bisherigen Janukowitsch-Wähler würden geschützt werden, versprach er.
„Unsere erste Aufgabe ist es, die Konfrontation zu stoppen“, sagte Turtschinow. Die künftige Regierung müsse zudem ein Abrutschen des fast bankrotten Landes in den wirtschaftlichen Abgrund aufhalten, mahnte er. Die Dutzenden Opfer, die bei den Protesten getötet worden waren, würdigte er als „Helden“.
Ukraine am Rande der Zahlungsunfähigkeit
Die Ukraine steht nach den Worten von Übergangspräsident Alexander Turtschinow am Rande des Staatsbankrotts. "Die Ukraine ist dabei, in den Abgrund zu rutschen, sie befindet sich am Rande einer Zahlungsunfähigkeit", sagte Turtschinow am Sonntag in einer Ansprache an die Nation. In der Ukraine hatte die Opposition am Wochenende nach monatelangen Protesten die Macht im Parlament übernommen und Präsident Viktor Janukowitsch abgesetzt.
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Steinmeier stellt Ukraine wirtschaftliche Hilfe in Aussicht
Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier hat der Ukraine nach dem Machtwechsel in Kiew wirtschaftliche Unterstützung in Aussicht gestellt. „Eine Ukraine, die bankrottgeht, die zahlungsunfähig wird, wird eine zu große Belastung sowohl für den großen Nachbarn im Osten wie für die Europäische Union“, sagte der SPD-Politiker am Sonntag in der ZDF-Sendung „Berlin direkt“.
Bei dem Telefonat zwischen Kanzlerin Angela Merkel und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin am Sonntag sei es bereits darum gegangen, „nach Wegen und Möglichkeiten zu suchen, die Ukraine wirtschaftlich zu stabilisieren“. Er selbst werde diese Woche in Washington Gespräche mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) über die Situation der Ukraine führen, kündigte Steinmeier an.
Steinmeier, der einen Kompromiss in Kiew selbst mit vermittelt hatte, sagte rückblickend: „Es war der absolut letzte Zeitpunkt, in dem man überhaupt noch eingreifen konnte.“ Wäre die Woche ohne Verhandlungen zu Ende gegangen, wäre die Situation „ganz ohne Zweifel eingemündet in einen Bürgerkrieg, bei dem die Zukunft einer Ukraine, die beieinanderbleibt, zur Illusion geworden wäre“, sagte er.
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dpa/afp