Attentat von Atlanta: Schlaglicht auf wachsenden anti-asiatischen Rassismus in den USA

Das Attentat von Atlanta auf asiatische Massage-Salons mit acht Toten wirft ein Schlaglicht auf das wachsende Rassismusproblem in den USA: Rhetorik vom „China-Virus“ schürte Hass und Ressentiments.
Atanta - Am Ende eines Amoklaufs waren in Atlanta acht Menschen tot, darunter laut Medienberichten sechs asiatische Frauen. Zwar gab der festgenommene Verdächtige Sexsucht als Motiv an, und nicht Rassismus. Doch unabhängig davon wirft das Attentat ein Schlaglicht auf die Diskriminierung der asiatischen Community in Amerika. Amerikaner:innen asiatischer Herkunft sehen sich immer heftigerem Hass und Rassismus gegenüber. Seit 2016 steigen die Hassverbrechen gegen Mitglieder der asiatischen Community in den USA nach Zahlen des kalifornischen Center for the Study of Hate and Exremism wieder an. Im Corona-Jahr 2020 seien sie um 150 Prozent explodiert, vor allem in den Metropolen New York, Los Angeles und Boston. Seit März 2020 zählte eine Studie der Brookings Institution rund 3.000 gewalttätige anti-asiatische Angriffe.
Vorurteile gegen Einwandernde aus Asien und deren Nachfahren hat es in den USA immer gegeben, obwohl sie vergleichsweise gut integriert sind. Viele schafften den sozialen Aufstieg und sind ökonomisch erfolgreich. Doch seit der Corona-Pandemie leiden asiatischstämmige Amerikaner:innen noch stärker als zuvor unter feindseliger Rhetorik und Rassismus. Das Coronavirus hat von China aus seine Reise um die Welt angetreten, was in den USA und anderen Ländern Ärger über das chinesische Krisenmanagement auslöste - und bei manchen eine diffuse Wut auf Menschen mit asiatischen Gesichtszügen.
Attentat von Atlanta: Fluch der Formel vom „China-Virus“
Der ehemalige US-Präsident Donald Trump und andere Mitglieder seines Führungszirkels befeuerten solche Ressentiments mit der Rede vom „China-Virus“ oder „Kung-flu“. Noch kurz vor dem Anschlag von Atlanta benutzte Trump die Formel „China-Virus“ in einem Interview mit seinem Haussender Fox News. Chinas amtliche Nachrichtenagentur Xinhua berichtete über auch in den USA zitierte Vorwürfe der asiatisch-stämmigen Kongress-Abgeordneten Judy Chu and Ted Lieu gegen die frühere Trump-Administration, sie habe Rassismus und Diskriminierung angestachelt. Die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt seit einer Weile dringend, das Virus nicht direkt mit einer Region oder ethnischen Gruppe in Verbindung zu bringen - explizit wegen des Hasses, dem sich asiatische Amerikaner:innen gegenüber sehen.
Der 21-Jährige Tatverdächtige von Atlanta wurde wegen der Todesschüsse bereits wegen Mordes in acht Fällen angeklagt. Der junge Mann, ein Weißer, soll gezielt drei asiatische Massage-Salons und Spas aufgesucht und auf die Anwesenden geschossen haben. Die Polizei sprach von mehreren asiatisch-stämmigen und zwei weißen Opfern. Der Verdächtige habe seine Sexsucht als Antrieb für die tödlichen Angriffe vorgebracht, so die Polizei. Er sehe Massage-Salons als Versuchung, die er habe eliminieren wollen. Auch US-Präsident Joe Biden betonte zwar, dass die Ermittler das Attentat bisher nicht mit Hassverbrechen in Verbindung gebracht hatten. Zugleich aber verurteilte Biden die “Brutalität gegen Amerikaner:innen asiatischer Herkunft in den letzten Monaten“.

Die rasche Klärung des Falls löst deshalb auch das grundlegende Problem nicht. Viele Konservative in den USA fürchten eine multikulturelle Gesellschaft als Gefahr für die weiß geprägte amerikanische Mehrheitskultur. Dies richtet sich nicht primär, aber auch, gegen Asiat:innen. Die Lage der Eingewanderten aus Asien ist längst Teil des Kulturkampfes in den USA. 164 republikanische Abgeordnete stimmten im September 2020 gegen eine von der demokratischen Partei ins Repräsentantenhaus eingebrachte Resolution zur Verurteilung von Gewalt gegen die asiatische Gemeinschaft. Manche sahen die Resolution als Ausdruck der ihnen verhassten „Cancel Culture.“ Andere störten sich daran, dass die Resolution Trumps Formel vom „China-Virus“ mit der Internierung japanischer Amerikaner:innen im zweiten Weltkrieg und der historischen Diskriminierung gegen Einwandernde aus China gleichsetzte. Beides ist bis heute ein Stachel im amerikanischen Bewusstsein.
Attentat von Atlanta: Rassismus und Gewalt gegen Frauen
Die mögliche Kombination aus Rassismus und Sexismus beim Angeklagten von Atlanta ist nach Ansicht des National Asian Pacific American Women’s Forum (NAPAWF) nicht zufällig. „Mehr als 68 Prozent der gemeldeten Vorfälle von Belästigung und Gewalt gegen Asiat:innen stammen von Frauen“, teilte die Organisation nach dem Attentat mit. Eine neue, vom NAPAWF in Auftrag gegebene Umfragen unter asiatisch-amerikanischen Frauen habe ergeben, dass fast die Hälfte von ihnen in den vergangenen zwei Jahren anti-asiatischem Rassismus ausgesetzt war.
Vivien Tsou, eine der Direktorinnen von NAPAWF, rief zur Solidarität unter Nicht-Weißen auf. „Der Fokus liegt zwar auf anti-asiatischem Hass, aber letztlich ist alles auf die Vorherrschaft der Weißen („white supremacy“) zurückzuführen“, sagte Tsou dem US-Sender CNN. „Jeder kann jederzeit ein Sündenbock für irgend etwas sein.“ Dem müssten sich alle ethnischen Minderheiten gemeinsam stellen. In den vergangenen Jahren schossen rechtsgerichtete Täter in mehreren Fällen gezielt auf Inder, Juden und Latino-Eingewanderte. (ck)