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Visa-Vereinbarung: Erdogan lehnt zentrale EU-Forderung ab

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Recep Tayyip Erdogan
Recep Tayyip Erdogan. © dpa

Ankara - Die Europäische Union will, dass die Türkei für die vereinbarte Aufhebung der Visa-Pflicht ihre Anti-Terror-Gesetzgebung ändert. Doch dagegen sperrt sich der türkische Präsident. Kippt der Deal?

Die Bundesregierung pochte nach der Rücktrittsankündigung des türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Dovutoglu darauf, dass Ankara das Flüchtlingsabkommen in der vereinbarten Form einhalten müsse. "Die Europäische Union fordert von uns: Ändert das Anti-Terror-Gesetz für Visa!", sagte Recep Tayyip Erdogan am Freitag im türkischen Fernsehen. "In diesem Fall werden wir sagen: 'Wir gehen unseren Weg - und ihr geht euren." Änderungen an den Anti-Terror-Gesetzen gehören zu den 72 Kriterien, die von der Türkei für die Visafreiheit erfüllt werden müssen.

Erdogan bekräftige in der kämpferischen Fernseh-Rede, dass eine Änderung der türkischen Verfassung im Sinne eines Präsidialregimes für ihn "vordringlich" sei. Das Projekt solle "schnellstmöglich" der Bevölkerung bei einem Referendum zur Abstimmung vorgelegt werden. Eine Volksabstimmung kann vom Parlament mit Zwei-Drittel-Mehrheit beschlossen werden, die reagierende AKP-Partei habe aber nur 317 von 550 Mandaten.

Die EU-Kommission hatte vor wenigen Tagen erklärt, in einigen Bereichen müsse die Türkei noch die Bedingungen erfüllen. Die Anti-Terror-Gesetze gehören dazu. Die weitreichenden Anti-Terror-Bestimmungen in der Türkei entsprechen nach Auffassung der EU-Staaten nicht den europäischen rechtsstaatlichen Normen. Türkische Sicherheitskräfte liefern sich seit Monaten heftige Gefechte mit kurdischen Rebellen der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK). Zugleich verfolgt Ankara Anhänger der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) und mehrerer linksextremer Gruppen.

"Die Europäische Union und Deutschland werden auch künftig alle vereinbarten Verpflichtungen erfüllen, und wir erwarten das auch von der türkischen Seite", sagte Vizeregierungssprecher Georg Streiter in Berlin. Davutoglu hatte am Donnerstag seinen Rückzug als Vorsitzender der Regierungspartei AKP angekündigt und damit seine Ablösung als Ministerpräsident in die Wege geleitet. Der Regierungschef hatte das Flüchtlingsabkommen mit der EU maßgeblich vorangetrieben und war in dieser Frage der wichtigste Ansprechpartner für Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).

Streiter sagte, die Bundesregierung nehme den bevorstehenden Wechsel an der türkischen Regierungsspitze zur Kenntnis. Merkel habe bislang "sehr gut mit Davutoglu und allen türkischen Verantwortlichen" zusammengearbeitet, was unter einem neuen Ministerpräsidenten fortgesetzt werden solle. "Das Vereinbarte muss nun von beiden Seiten weiter konsequent umgesetzt werden", sagte Steinmeier zu "Spiegel Online". Dies sei "völlig unabhängig von handelnden Personen".

Der im März zwischen der EU und Ankara ausgehandelte Flüchtlingspakt sieht vor, dass die Türkei alle auf irregulärem Weg auf die griechischen Inseln gelangten Migranten zurücknimmt. Im Gegenzug nimmt die EU für jeden abgeschobenen Syrer einen anderen syrischen Flüchtling aus der Türkei auf. Außerdem wurde Ankara ein Ende der Visapflicht für türkische Staatsbürger versprochen.

Sie sehe ein "sehr großes Risiko", dass der Flüchtlingspakt "zusammenbrechen" werde, sagte die Politikwissenschaftlerin Amanda Paul vom European Policy Centre angesichts der jüngsten Entwicklungen. Falls die Türkei ihre Anti-Terror-Gesetze nicht entsprechend den EU-Vorstellungen ändere, sei "kaum zu erkennen, wie die EU mit der Visa-Liberalisierung voranschreiten" könne, sagte Paul.

afp

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