Bei der Queen unterlief Volker Bouffier ein Fauxpas

Vom ewigen Kronprinzen zum Landesvater, vom „schwarzen Sheriff“ zum Architekten von Schwarz-Grün. Volker Bouffier hat schon viele Wandlungen vollzogen. Nun will Hessens Ministerpräsident wiedergewählt werden.
Gießen/Wiesbaden/Berlin – Im Endspurt blüht Volker Bouffier auf. Händeschütteln, ein schneller Plausch hier, ein gemeinsames Foto dort. Begegnungen mit Menschen liegen ihm, deshalb absolviert er die Auftritte in der heißen Wahlkampfphase fast mühelos. So wirkt es jedenfalls.
Wahlkampf sei eine Bringschuld der Politiker, hat Bouffier mal gesagt. „Wir werben wieder um Vertrauen. Darum müssen wir auch erklären, was wir vorhaben.“ Diesmal ist es besonders schwer. Bouffier, seit 2010 Hessens Ministerpräsident, kämpft um sein Amt und gegen die Umfragen. Sie sagen große Verluste voraus, für die CDU und für die SPD von Herausforderer Thorsten Schäfer-Gümbel.
Der 66-Jährige ist noch einer vom Typ Landesvater, einer, der das Wort Heimat ohne strategisches Kalkül in den Mund nimmt. Seine Heimat ist Gießen. „Hier kenne ich jede Ecke“, sagt Bouffier, die Stadt habe ihn „in vielerlei Hinsicht geprägt“. Als Politiker, aber zuerst als Sportler. Jahre her: Mit den A-Jugend-Basketballern des MTV 1846 Gießen wird er Deutscher Meister, zwei Mal. Er spielt in der Jugendnationalmannschaft, träumt von einer Profi-Karriere – bis ein Autounfall diesen Traum beendet.
Handelte sich den Spitznamen „schwarzer Sheriff“ ein – für ihn jedoch kein Schimpfwort
Gern spricht er nicht über diesen Tag und die zweijährige Leidenszeit, die sich anschloss. Gelassenheit und Geduld habe er gelernt, sagte er mal dem Magazin Cicero. Und Standhaftigkeit.
Die kann er gebrauchen, denn bald steigt er in die Politik ein. Junge Union, Gießener Stadtparlament, Kreistag, dann Landtag. Schon damals zeigt sich: Der junge Jurist ist ein Netzwerker. Ende der 70er-Jahre organisiert er die „Tankstellen-Connection“, einen Kreis junger Politiker, der sich an der Autobahn-Raststätte Wetterau an der A5 trifft. Roland Koch, Franz-Josef Jung, Karlheinz Weimar und Volker Bouffier wollen die CDU modernisieren. Die erste große Chance bekommt Bouffier 1999, als er unter Roland Koch Innenminister in Hessen wird.
Damals handelt er sich den Spitznamen „schwarzer Sheriff“ ein – für ihn war das nie ein Schimpfwort. Mit Koch modernisiert er den Polizeiapparat, setzt sich für den Einsatz neuer Überwachungsmethoden ein. Aus dieser Zeit bleiben aber auch ungeklärte Fragen: Bouffiers Rolle bei der Aufklärung des Kasseler NSU-Mordes war Thema eines Untersuchungsausschusses, ebenso die umstrittene Berufung eines Parteifreunds zum Chef der Bereitschaftspolizei.
Lange sieht es so aus, als werde Bouffier nie den Thron in Hessens Staatskanzlei besteigen. Als Koch aber 2010 abtritt, schlägt seine Stunde. Und er überrascht seine Kritiker. Fortan versucht er, die tiefen Gräben zwischen den Parteien zuzuschütten, die Koch hinterlassen hat. Im Parlament, das als eines der härtesten der Republik gilt, ruft er zu mehr Miteinander auf. So gelingt es ihm auch, 2013 die erste schwarz-grüne Koalition in einem Flächenland auf die Beine zu stellen. Bouffier ist plötzlich ein politischer Vorreiter.
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Bouffier: Bei der Queen unterlief ihm ein Fauxpas
Es funktioniert. CDU und Grüne arbeiten weitgehend geräuschlos zusammen und Bouffier kommt an mit seiner Art als jovialer Landesvater. Manchmal ist es ein wenig zu viel des Guten. Zum Beispiel, als er beim Besuch von Queen Elizabeth II. im Frankfurter Römer lässig den Arm auf die Stuhllehne der Königin legt – und vom Protokollchef gemaßregelt wird.
Bouffier war und ist loyal – damals gegenüber Roland Koch, heute gegenüber Angela Merkel. Er lässt die Kanzlerin auch in schwierigen Zeiten nicht hängen, macht mit ihr zusammen in Hessen Wahlkampf, springt ihr bei schwierigen Debatten zur Seite. Das bringt ihm Anerkennung ein. So viel, dass er im Lostopf ist, als ein neuer Bundespräsident gesucht wird. Am Ende wird es Frank-Walter Steinmeier. Immerhin schließt sich der Bogen nach Gießen: Steinmeier studierte hier.
Gießen. Hier wird Bouffier am Sonntag wählen gehen, gemeinsam mit seiner Frau Ursula. Wenn die Umfragen stimmen, verliert die CDU gute zehn Prozentpunkte, vielleicht verliert Bouffier sogar sein Amt. Es wäre wohl der erste politische Wandel, den er nicht mit Zuversicht mitmacht.
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VON GERD CHMELICZEK