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Image-Event von Putin geht schief: Wagner-Chef und Selenskyj lassen ihn auflaufen

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Von: Stephanie Munk

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Putin wollte mit einer Veranstaltung im Kreml wohl sein Image im Ukraine-Krieg aufpolieren. Doch Selenskyj nahm ihm den Wind aus den Segeln - und Kritik kam auch aus Russland.

Moskau/Bachmut – Wladimir Putin und Wolodymyr Selenskyj könnten unterschiedlichere Politiker-Typen nicht sein. Am Dienstag (20. Dienstag) wurde dies noch einmal offenkundig: Sowohl der russische als auch der ukrainische Präsident ehrten Personen für ihre Errungenschaften im Ukraine-Krieg – allerdings auf sehr unterschiedliche Art und Weise. Für viele Beobachter, sogar innerhalb Russlands, gab Putin dabei ein unglückliches Bild ab. Dabei wollte der russische Präsident offenbar sein Image als engagierter Kriegsführer aufpolieren.

Putin ehrte Beamte für ihre Errungenschaften im Ukraine-Krieg - gab dabei aber in Vergleich zu Selenskyj ein unglückliches Bild ab.
Putin ehrte Beamte für ihre Errungenschaften im Ukraine-Krieg - gab dabei aber in Vergleich zu Selenskyj ein unglückliches Bild ab. © Valery Sharifulin/Imago

Selenskyj unternimmt seine bisher gefährlichsten Frontbesuch

Selenskyj tauchte am Dienstag überraschend in der seit Monaten hat umkämpften Stadt Bachmut auf, hatte Medaillen und Geschenke für seine Soldaten im Gepäck, die dort an der Front kämpfen. In ruhiger, ein wenig bedrückender Atmosphäre stand Selenskyj inmitten der Männer und unterhielt sich mit ihnen, wie so oft hatte er eine legere, grüne Jacke an.

Selenskyj hat während des Ukraine-Kriegs schon mehrmals Orte an der Front besucht. Der Besuch in Bachmut ist aber der bisher gefährlichste, da die russische Armee unmittelbar vor den Toren der Stadt steht. Dementsprechend erntete Selenskyj viel Bewunderung für seine Überraschungsvisite: „Selenskyj in Bachmut. Der mutigste Präsident der mutigsten Nation“, kommentierte beispielsweise der stellvertretende Ministerpräsident Mychailo Federow auf Telegram.

Ukraine-Krieg: Selenskyj bei einem Besuch an der Frontlinie in Bachmut
Aufnahme vom 20. Dezember: Selenskyj bei einem Besuch an der Frontlinie in Bachmut © STRINGER/UKRAINE PRESIDENCY/AFP

Putin zelebriert Ehrung mit viel Pomp im Kreml

Und dann Putin: Auch er verlieh am Dienstag Medaillen. Doch reiste er dafür nicht ins Kriegsgebiet, sondern hielt die Verleihung mit viel Pomp im Kreml ab. Ausgezeichnet wurden auch nicht die russischen Soldaten an der Front, sondern Besatzungs- und Kremlbeamte sowie militärische Führer aus den besetzten Gebieten Donezk, Luhansk, Cherson und Saporischschja. Es gab Reden, Fanfarenmusik, strenge militärische Grüße und förmliches Händeschütteln. Das unabhängige russische Nachrichtenportal Medusa hat die beiden Auftritte in einem Video gegenübergestellt, mit dem vielsagenden Kommentar: „Sehen Sie den Unterschied.“

Russlands Präsident Wladimir Putin zeichnet am 20. Dezember Denis Puschilin aus, einem Politiker der international nicht anerkannten Volksrepublik Donezk.
Russlands Präsident Wladimir Putin zeichnet am 20. Dezember Denis Puschilin aus, einem Politiker der international nicht anerkannten Volksrepublik Donezk. © Kreml/Imago

Kritik aus Russland für Putins Auftritt

Sogar in Russland löste Putins Aufritt, der in krassem Gegensatz zu Selenskyjs Frontbesuch stand, Kritik aus, schreibt die US-Denkfabrik „Institute for the Study on War“ (ISW) in einer Analyse. Seinen Unmut äußerte demnach der russische Ex-Kommandeur Igor Girkin, der schon öfter durch kritische Äußerungen aufgefallen sei. Dieser habe bemängelt, dass Putin „seine Helden im Kreml“ auszeichne, aber nicht Soldaten, die an der Front kämpfen.

Militärische Blogger hätten zudem spekuliert, wie es möglich sei, dass Selenskyj in Bachmut – das in der von Russland annektierten Region Donezk liegt – einfach frei herumspazieren konnte. Sogar einen vom Kreml heimlich erlassenen Waffenstillstand schlossen die Blogger dabei nicht aus.

Prigoschin wagt sich angeblich an Ukraine-Front - schwächt Putins Image

Laut ISW goss dann auch noch Jewgeni Prigoschin, Chef der Wagner-Söldnertruppe, Öl ins Feuer. „Möglicherweise versehentlich“ habe er Putins Autorität untergraben: Prigoschin habe mehrere Videos veröffentlicht, in denen er behauptet, er sei an der Front bei Bachmut, um mit Selenskyj über die Kontrolle der umkämpften Gebiete zu sprechen.

Jewgeni Prigoschin im Anzug
Wird im Ukraine-Krieg immer präsenter: Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin. © IMAGO / ITAR-TASS

Dieses „Verhandlungsangebot“ sei insofern absurd, wie der als „Putins Koch“ bekannte Prigoschin in Russland gar keine offizielle Position innehat. „Prigoschin gibt sich jedoch weiterhin als prominente politische und militärische Figur in Russland aus“, so die ISW-Experten. Gemunkelt wurde jüngst gar, dass Prigoschin heimlich am Sturz von Putin arbeitet und selbst in die Politik wechseln will.

Dass Prigoschin angeblich an der Front auftauchte, schwäche jedenfalls Putins erwünschtes Image von sich selbst als engagierter Kriegsführer, schreibt das ISW in der Analyse. Denn: Putin habe bisher kein einziges Mal die von Russland besetzten Gebiete besucht, geschweige denn sich in die Nähe der Frontlinien gewagt.

Putin wirke als Oberbefehlshaber im Ukraine-Krieg „eher beschämend“

Und noch eine weitere Peinlichkeit gab es für die Führung in Moskau: Social-Media-Nutzer hätten laut ISW enthüllt, dass der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu am 17. Dezember gar nicht die Front im Ukraine-Krieg besucht habe, wie er selbst behauptet hatte. Die User hätten die Geodaten der veröffentlichten Reisevideos überprüft und herausgefunden, dass er sich wohl in Wirklichkeit auf der Krim befunden habe.

All das lasse Putins Selbstdarstellung als Oberbefehlshaber im Ukraine-Krieg „eher beschämend als kompetent“ wirken, so das Fazit der US-Analysten. Unterdessen unternimmt Selenskyj am Mittwoch (21. Dezember) erneut eine Reise - allerdings fährt er diesmal nicht an die Front, sondern besucht US-Präsident Joe Biden in Washington. (smu mit Material von AFP)

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