Droht dem Front National die Spaltung?

Paris - Nach der Niederlage der französischen Rechtspopulistin Marine Le Pen bei der Präsidentschaftswahl droht ihrer Partei Front National (FN) die Spaltung. Wie wird es weiter gehen?
Le Pens Nichte Marion Maréchal-Le Pen kündigte am Mittwoch einen Rückzug auf unbestimmte Zeit an. Die 27-Jährige gilt als wichtige Vertreterin des rechten FN-Flügels, Anhänger sprachen von einem "Erdbeben". Auch die Sozialistische Partei kämpft gegen Zerfallserscheinungen.
Maréchal-Le Pen kündigte an, sie werde den geplanten Umbau der Partei zu einer bürgerlichen Kraft nicht mitgestalten. Sie begründete dies mit ihrem Vorhaben, in einem Unternehmen zu arbeiten und mehr Zeit für ihre Familie zu haben. Die 27-Jährige erklärte aber, sie werde "nicht endgültig den politischen Kampf aufgeben". Das Verhältnis zu ihrer Tante gilt als angespannt.
Marine Le Pen schrieb in einer Kurzbotschaft auf Twitter: "Als politische Führerin bedauere ich die Entscheidung Marions zutiefst". Ihr Vater und Front-National-Gründer Jean-Marie Le Pen sagte "schreckliche Konsequenzen" für die Partei voraus. Seine Enkelin sei "eine der beliebtesten und am meisten bewunderten Galionsfiguren" der Partei.
FN-Mitglieder stellen Führungsrolle von Marine Le Pen in Frage
Die bekennende Katholikin Maréchal-Le Pen vertritt in vielen Punkten radikalere Ansichten als ihre Tante Marine Le Pen. So lehnt sie etwa die Homo-Ehe und die Finanzierung von Schwangerschaftsabbrüchen ab und stellt die Integrationsfähigkeit von Muslimen infrage.
Aus ihrem Umfeld hieß es, gerade in ihrer Hochburg in Südfrankreich werde ihr Rückzug mit Unverständnis gesehen. "Wir werden sehr viele Anhänger und Mitglieder verlieren, die sie unterstützen", prophezeite ein FN-Mitglied, das anonym bleiben will.
Ein anderer FN-Vertreter äußerte Zweifel am Kurs Marine Le Pens: "Wir können nicht bei der Beibehaltung der 35-Stunden-Woche, der Rente mit 60 oder dem Austritt aus dem Euro bleiben", sagte er. Für einige Mitglieder steht ihre Führungsrolle in Frage, nachdem Le Pen bei der Präsidentschaftswahl mit knapp 34 Prozent der Stimmen hinter den Erwartungen zurückgeblieben war.
Als nächstes stehen Parlamentswahlen an
Die Parteichefin hat als Konsequenz angekündigt, die Partei für noch breitere Schichten öffnen zu wollen. Auch der Name "Front National" soll verschwinden, da er zu sehr an ihren Vater Jean-Marie Le Pen erinnert, der die Partei 1972 gegründet hatte. Ihn hatte Marine Le Pen vor zwei Jahren wegen wiederholter antisemitischer und rassistischer Ausfälle aus der FN ausgeschlossen.
Der Rückzug von Maréchal-Le Pen schwächt die Front National vor der wichtigen Parlamentswahl im Juni. Die Juristin ist eine von zwei FN-Abgeordneten in der Nationalversammlung und Oppositionschefin im Regionalrat der südfranzösischen Region Provence-Alpes-Côte d'Azur. Beide Mandate will sie aufgeben.
Auch den bisher regierenden Sozialisten droht der Abgang führender Vertreter. Der frühere Premierminister Manuel Valls will bei der Parlamentswahl für Macrons Bewegung "La République en Marche" - ehemals "En Marche!" kandidieren. Allerdings holte sich der 54-Jährige damit eine Abfuhr. Bis Donnerstag will "La République en Marche" bekanntgeben, welche 577 Kandidaten für die Parlamentswahl am 11. und 18. Juni antreten.
Das linke Lager will sich neu formieren
Der Parteilinke Benoît Hamon kündigte für den 1. Juli die Gründung einer überparteilichen Bewegung an, um das linke Lager neu aufzustellen. Hamon war offizieller Kandidat der Sozialisten bei der Präsidentschaftswahl, schied aber in der ersten Runde mit nur gut sechs Prozent der Stimmen aus - dem schlechtesten Ergebnis seit Jahrzehnten.
Andere sozialistische Politiker sowie Intellektuelle riefen in der Zeitung Le Monde zu einem "Bündnis der Innovation" auf, das "Dès demain" (Ab morgen) heißen soll. Es soll für Europa, Umweltschutz und Sozialpolitik eintreten.
AFP