Was ist der Brexit eigentlich? Antworten auf die wichtigsten Fragen

London/München - Jetzt ist es offiziell: Die Europäische Union muss künftig auf Großbritannien verzichten. Knapp 52 Prozent der Briten stimmten für den Brexit. Doch was bedeutet das nun konkret? Wir beantworten die wichtigsten Fragen.
Was ist der Brexit eigentlich?
Brexit ist eine Wortneuschöpfung aus "Britain" und "Exit". Kurz gesagt bedeutet Brexit, dass das Vereinigte Königreich, also Großbritannien, aus der Europäischen Union austreten möchte. Knapp 52 Prozent der wahlberechtigten Bürger stimmten im historischen EU-Referendum am 23. Juni 2016 für die "Leave"-Kampagne. Etwa 48 Prozent machten ihr Kreuzchen bei "Remain", was den Verbleib in der EU bedeutet hätte.
Premierminister David Cameron hat direkt nach Bekanntwerden des Ergebnisses reagiert und seinen Rücktritt aus dem Amt bekannt gegeben. Als sein Nachfolger wird der ehemalige Bürgermeister von London, Boris Johnson, ins Gespräch gebracht. Im Juli wurde klar: Theresa May wird David Cameron in 10 Downing Street beerben.
Am 8. Juli 2017 wird in Großbritannien gewählt: Unter diesem Link erfahren Sie alles, was Sie zu den Unterhauswahlen im Vereinigten Königreich wissen müssen.
Warum wollen die Briten einen Brexit?
Es gibt Studien über die Briten, die besagen: Etwa zwei Drittel fühlen sich kein bisschen europäisch, sondern viel mehr dem Commonwealth verbunden. Großbritannien war einst eine Weltmacht, das British Empire - und auch, wenn London heute nichts mehr zu sagen hat in Kanada, Indien oder Australien, glauben offenbar viele Briten immer noch, dass sie außerhalb der EU mehr Einfluss hätten. Winston Churchill, der immer für ein gutes Zitat zu haben war, sagte einst: „Wann immer wir zwischen Europa und dem offenen Meer wählen müssen, sollen wir uns immer für das offene Meer entscheiden.“ Allerdings war das 1944.
Bei den Briten wird der Nationalstolz außerdem groß geschrieben - gerade auch, was die kulturellen und popkulturellen Errungenschaften der Insel angeht. Die Liste kann sich sehen lassen: William Shakespeare, Charles Dickens, J.K. Rowling und Harry Potter, die Beatles, die Rolling Stones und Elton John, James Bond, Monty Python und der Herr der Ringe. Deswegen lassen sich die Menschen im United Kingdom auch von Importen aus dem Festland-Europa kaum beeindrucken. Das geht so weit, dass sie sich einfach ein bisschen anders fühlen: Sie fahren auf der linken Straßenseite, füllen Bier in Pints statt in Litern ab, beschreiben ihr Gewicht in Steinen und bemessen Entfernungen lieber in Füßen als in Metern. Wusste ja schon Asterix: Die spinnen, die Briten.
Was bedeutet der Brexit für Deutschland und Europa?
Die Börsen haben nach Bekanntwerden des Brexit-Ergebnisses direkt reagiert: Es war ein tiefschwarzer Freitag für Europa. Das Votum ließ die Aktienmärkte in Europa und Asien einbrechen, der Dax fiel im frühen Handel um 8 Prozent. Zwischenzeitlich hatte der deutsche Leitindex sogar 10 Prozent verloren.
Der Austritt Großbritanniens könnte riskant für den Euro sein: Kreditzinsen könnten steigen, Investitionen gebremst werden, generell werden Turbulenzen auf den Finanzmärkten erwartet. Das britische Pfund war wahrscheinlich schon lange nicht mehr so günstig wie direkt nach dem Brexit.
Experten sehen im Brexit den ersten Dominostein: Länder wie Italien oder Frankreich könnten nun ähnliche Referenden anstreben. Der Dominoeffekt wird auch an der EU-Spitze nicht ausgeschlossen, denn europaskeptische Parteien sind gerade in mehreren Ländern im Aufwind. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sagte, er könne "nicht ausschließen, dass der britische Ausstieg in anderen Ländern Lust auf mehr machen würde".
Eine ausführliche Analyse über die Folgen des Brexit für Deutschland können Sie hier nachlesen.
Brexit - was nun? Wie geht es weiter?
Ja, Brexit - was nun? Das ist die große Frage. Wie es im Vereinigten Königreich weitergeht, ist mehr als ungewiss. Schottland etwa will in der EU bleiben. Der schottische Premierministerin Nicola Sturgeon sagte der BBC: "Schottland hat klar und entschieden für den EU-Verbleib gestimmt, mit 62 zu 38 Prozent." Auch Nordirland ist dieser Meinung. In beiden Staaten werden Rufe nach einem Verbleib in der EU laut - sie könnten sich von Großbritannien abspalten und wieder in die Europäische Union eintreten. Das Vereinigte Königreich steht also vor dem Zerfall, wie auch Tagesschau.de berichtet.
Was passiert bei einem Brexit? Was ändert sich?
Großbritannien will raus aus der Europäischen Union. Doch wie funktioniert das? Geregelt ist so etwas im EU-Vertrag (Artikel 50). Dort steht, dass die Verhandlungen zwei Jahre dauern dürfen - die Frist kann aber auch verlängert werden. In den Gesprächen wird dann zum Beispiel geregelt, wie die Briten zukünftig auf den EU-Binnenmarkt zugreifen können, denn einen kostenlosen Zugang haben sie dann nicht mehr. Allerdings ist der EU-Vertrag nicht gerade einfach, die Verflechtungen vielfältig, wie auch sueddeutsche.de berichtet. Es wird also vor allem darum gehen, Ordnung ins Chaos zu bringen.
Was kostet der Brexit? Billig wird er nicht: Etwa 4300 Pfund wird jeder Haushalt pro Jahr weniger zur Verfügung haben, das sind etwa 5300 Euro. Nahezu alle Branchen sind betroffen und somit auch Arbeitsplätze.
Die Europäische Union kostet der Brexit zunächst nichts. Allerdings wird irgendwann der Beitrag fehlen, den Großbritannien zum EU-Haushalt beiträgt - und das ist nicht wenig: Elf Milliarden Euro überwies London im Jahr 2014 und war damit nach Deutschland, Frankreich und Italien der größte Geldgeber. Das United Kingdom ist für Deutschland zudem der drittwichtigste Handelspartner. Vereinfacht gesagt: Wenn die Briten nun weniger deutsche Autos kaufen, müssen hier weniger produziert werden - es könnte also auch Arbeitsplätze in Deutschland betreffen.
Wann treten die Briten nach dem Brexit aus?
Großbritannien wird die EU nicht sofort verlassen, das ist gar nicht möglich. Die britische Regierung muss der EU die Austrittsabsicht nun offiziell mitteilen. Eine Frist dafür gibt es nicht und wann London das tun wird, ist auch noch unklar.
Könnte Großbritannien nach einem Austritt eigentlich wieder EU-Mitglied werden?
Könnte Großbritannien irgendwann wieder EU-Mitglied werden? Ja. Aber das UK müsste das übliche Verfahren durchlaufen, das mehrere Jahre dauert. Außerdem müsste London damit rechnen, dass es bisher geltende Sonderregelungen wie den Rabatt bei den Mitgliedsbeiträgen nicht noch einmal gibt.
Wie könnten die Beziehungen zur EU nach dem Austritt aussehen?
Das könnte schwierig werden, denn Großbritannien ist der Zugang zum EU-Binnenmarkt wichtig. Die britische Regierung dürfte deshalb versuchen, diesen so weit wie möglich zu erhalten. Eine Möglichkeit wäre etwa, dem Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) beizutreten, so wie das auch Norwegen gemacht hat. Alternativ könnte London - wie die Schweiz - einen Marktzugang über gesonderte Abkommen aushandeln.
Gründe, Folgen, Umfragen: Hier erfahren Sie alles, was Sie sonst noch zum Brexit wissen müssen. Die Folgen des Brexit sind noch nicht abzusehen. Um das weitere Vorgehen zu besprechen, treffen sich die 27 EU-Mitgliedsstaaten am Dienstag in Brüssel. Alle Entwicklungen zum EU-Gipfel-News-Blog erfahren Sie hier.
pak/AFP/dpa