„Wie im Ersten Weltkrieg“: Winter schwächt Russen-Armee – „wird mehr töten, als Ukraine je könnte“

Der Winter wird laut verschiedenen Militäranalysten fatale Auswirkungen auf die russische Armee haben.
Kiew - Jahreszeiten haben in europäischen Kriegen im Verlauf der Geschichte stets eine wichtige Rolle gespielt. Daran hat sich nichts geändert. So spielt aktuell der Winter eine zentrale Rolle im Ukraine-Krieg. Die Winter in der Ukraine beginnen meist nass und kalt und werden dann kälter und trockener. Aktuell finden die Kämpfe in der Ostukraine im Schlamm und bei etwa null Grad statt. Im weiteren Verlauf des Winters sinken die Durchschnitttemperaturen jedoch weiter. Unter diesen Bedingungen entscheidet weniger die militärische Strategie als der gesundheitliche Zustand der Soldaten das Kriegsgeschehen.
Militärexperte Theiner: „Der Winter wird mehr Russen töten, als die Ukraine es je könnte“
Wie der Focus berichtet, geht der ehemalige Soldat und Militärexperte Thomas Theiner davon aus, dass der Winter fatale Auswirkungen auf die russische Armee haben wird. „Der Winter wird mehr Russen töten, als die Ukraine es je könnte“. Andere Experten schätzen die Lage ebenso ein. Der Militärexperte Gustav Gressel vom European Council in Foreign Relations (ECFR) spricht von „Zuständen wie im Ersten Weltkrieg“. Jack Watling vom britischen Militär-Thinktank Royal United Services Institute geht davon aus, dass „eine hohe Todesrate durch Unterkühlung und Krankheiten“ droht.
Krieg in den Wintermonaten: Kampf gegen Kälte und Krankheit
Die ukrainische Armee sei laut führenden Militäranalysten in einer besseren Ausgangsposition. Mehrere Faktoren sind für eine erfolgreiche Kriegsführung im Winter entscheidend. So erklärt der renommierte britische Militärstratege Lawrence Freedman laut Focus zum Beispiel: „Damit ein Soldat in der Kälte überlebt, braucht er Disziplin, man braucht Anführer, die ihre Soldaten zwingen, den Zustand ihrer Socken zu überprüfen, Kleidung trocken zu halten und alles zu tun, um nicht krank zu werden“.
Größere Essensrationen seien darüber hinaus wichtig. „Und man muss die Soldaten regelmäßig ablösen, damit nicht immer dieselben in der Kälte frieren“, betont Ben Hodges, ehemaliger Oberkommandierender der US-Armee in Europa.
Frierende Soldaten in Schützengräben: Russischer Armee mangelt es an Nachschub
Der russischen Armee mangelt es jedoch an all dem. Bereits im Sommer waren die Ressourcen knapp. Laut Einschätzung der Experten wird sich die Lage der russischen Truppen im Winter weiter verschlechtern. „Die Ukrainer können all das bereitstellen, aber die Russen verfügen nicht über ausreichend Logistik, um das zu tun“, sagt Hodges. Verschiedene Aufnahmen aus dem Kriegsgebiet zeigen schlecht ausgerüstete russische Soldaten in Schützengräben. Die Truppen bestehen teilweise aus unausgebildeten jungen Männern, deren Offiziere oftmals nicht an der Front sitzen. Nur wenige von ihnen wissen, wie sie sich in der Kälte zu verhalten haben.
Ukraine in besserer Ausgangsposition: funktionierende Infrastruktur und Unterstützung
Den russischen Truppen fehlt es bereits vielerorts an Nachschub: warmes Essen, Heizmaterial und warme Schlafausrüstung sind Mangelware. Der Nachschub gestaltet sich für Russland sehr schwer. Seit dem Angriff auf die Krim-Brücke gibt es nämlich zwischen Russland und der ukrainischen Südfront keine intakte Bahnverbindung mehr. Die Ukraine ist in einer besseren Position. Sie kann Nachschub aufgrund einer funktionierenden Infrastruktur in das Frontgebiet liefern. Außerdem wird sie unterstützt: Finnland und Schweden haben erst kürzlich neue Winterpakete für die Truppen angekündigt. (at)