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Winfried Kretschmann: Der erste grüne Ministerpräsident hatte privat eine schwere Phase vor der Wahl

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Winfried Kretschmann (Bündnis 90/Die Grünen), Ministerpräsident von Baden-Württemberg
Winfried Kretschmann (Bündnis 90/Die Grünen), Ministerpräsident von Baden-Württemberg © Sebastian Gollnow/dpa

Winfried Kretschmann ist ein gefeierter und umstrittener Politiker, aber eben auch ein echter Mensch. Was sie über den grünen Landeschef von Baden-Württemberg wissen müssen. 

Baden-Württemberg. Winfried Kretschmann wurde am 17. Mai 1948 in Spaichingen, einer Kleinstadt in Baden-Württemberg, geboren und seit dem 12. Mai 2011 ist er der erste Ministerpräsident der Partei Bündnis 90/Die Grünen in ganz Deutschland.

Bei den Landtagswahlen am 14. März 2021 ist Kretschmann in Baden-Württemberg erneut Spitzenkandidat der Grünen, seine stärkste Gegnerin ist Susanne Eisenmann von der CDU. Zwar gab Kretschmann im Februar bekannt, er würde sich aus dem Wahlkampf ein Stück weit zurückziehen, um seiner an Brustkrebs erkrankten Ehefrau beizustehen, dennoch will er das Amt eine weitere Regierungsperiode lang bekleiden.

Bekannt ist er für seine innovative und frische Art, mit der er schon einige Reformen angestoßen und mit seiner Partei politische Geschichte geschrieben, aber auch Kritik auf sich gezogen hat. Ikonisch ist auch sein Bürstenhaarschnitt, den er sich zulegte, nachdem seine Tochter befand, mit einem Seitenscheitel sähe er aus wie ein CDUler.

Winfried Kretschmann: Seine Jugend und sein Weg in die Politik

Winfried Kretschmann wuchs als Sohn deutscher Eltern, die aus dem heute zu Polen gehörenden Ermland geflohen waren, in der 700-Seelen-Gemeinde Spaichingen in Baden-Württemberg auf. Sein Vater arbeitete als Volksschullehrer, seine Mutter war Hausfrau und seine Kindheit war für den Politiker eine schöne Zeit, auf die er noch immer gern zurückblickt. Er ging damals zur Volksschule und besuchte danach ein katholisches Internat in Riedlingen. In seiner Kirchengemeinde war er oberster Messdiener und sein Vater, der bereits 1969 nach einem Autounfall verstarb, wünschte sich damals eine geistliche Karriere für seinen Sohn. Während der Zeit im Internat gab Kretschmann den Plan, Priester zu werden, allerdings auf, da er dort sehr unter der Strenge und Kühle der totalitären Autorität litt. Er wechselte deshalb die Schule und machte sein Abitur 1968 am Hohenzollern-Gymnasium in Sigmaringen, auf dem er die 11. Klasse einmal wiederholen musste. Danach leistete er bis 1970 seinen Wehrdienst ab.

Bis 1977 studierte er an der Universität Hohenheim Biologie, Chemie und Ethik und wollte wie sein verstorbener Vater Lehrer werden, allerdings für Gymnasien. Das sollte aber beinahe nicht passieren, denn auf Grund der bereits beginnenden politischen Laufbahn Kretschmanns drohte ihm ein Berufsverbot. Dass er 1972 für das Amt des Studentenkonvent für eine kommunistische Studentengruppe und 1973 auf der Plattform „Sozialistisches Zentrum“ kandidiert hatte, gefiel dem Oberschulamt zunächst gar nicht. Kretschmann unterrichtete erst an einer privaten Kosmetikschule in Stuttgart, durfte nach einer Überprüfung dann aber doch den Job als Gymnasiallehrer für Biologie, Chemie und Ethik antreten.

Sein Interesse für Politik entdeckte der heutige Ministerpräsident bereits während des Studiums. Er war jahrelang Vorsitzender des Allgemeinen Studentenausschusses der Universität Hohenheim und engagierte sich in kommunistischen Studentengruppen. Heute betrachtet er diese Zeit als politischen Irrtum und blickt mit Humor darauf zurück. Der damaligen CDU-Regierung ist er dankbar, dass sie den „Unsinn bei dem Kretschmann“, wie es auf der offiziellen Internetseite des Politikers heißt, damals nicht ganz für voll nahm.

Winfried Kretschmann: Die Politik in seinem Baden-Württemberg

In den Jahren 1979/80 war es unter anderem Winfried Kretschmer, der die Gründung der Grünen-Fraktion in Baden-Württemberg maßgeblich vorantrieb. Gemeinsam mit Wolf-Dieter Hasenclever war er seit 1983 ein Gesicht des ökolibertären Flügels der Partei, der dem ökosozialistischen Flügel gegenüberstand. Kretschmann war auch Sprecher dieses Partei-Teils, der sich im Gegensatz zum Rest der eher politisch-links einzuordnenden Partei in die rechte politische Richtung wandte.

1980 wurde Winfried Kretschmann zum ersten Mal für die Grünen in den Landtag von Baden-Württemberg gewählt und von 1983 bis 1984 trat er als Nachfolger von Hasenclever den Fraktionsvorsitz an. 1984 bis 1988 war Kretschmann nicht Teil des Landtags, da die Grünen die Kandidaten für seinen Landkreis Esslingen nicht rechtzeitig aufgestellt hatten. 1988 wurde er erneut gewählt, 1992 verpasste er den Einzug ins Parlament aber wieder knapp, weil es innerparteiliche Uneinigkeiten zu Müllverbrennungsanlagen in Süddeutschland gab. Seit 1996 ist Kretschmann aber konstantes Mitglied im Baden-Württemberger Landtag, 2016 wurde er zum ersten Mal per Direktmandat gewählt, und von 2002 bis 2011 war er auch der Fraktionsvorsitzende seiner Partei. Darüber hinaus ist Kretschmann Mitglied der Parteirates der Grünen in Baden-Württemberg.

Kretschmann ist aber auch über die Grenzen von Baden-Württemberg hinaus politisch aktiv und war von 2012 bis 2013 Präsident des Bundesrates. Außerdem ist er als aktiver Katholik unter anderem Mitglied im Diözesanrat des Erzbistums Freiburg und im Zentralkomitee der deutschen Katholiken. In seiner Heimat Laiz ist er Mitglied im Kirchenchor sowie im Schützenverein und in der Gesellschaft Oberschwaben für Geschichte und Kultur.

Winfried Kretschmann: Die Arbeit des ersten grünen Ministers

Am 27. März 2011 war Winfried Kretschmann Spitzenkandidat der Partei Bündnis 90/Die Grünen, die bei der Landtagswahl des Bundeslandes Baden-Württemberg an dem Tag ein historisches Wahlergebnis verzeichnen konnten. Direkt hinter der CDU mit 60 Mandaten zogen die Grünen mit 36 Abgeordneten als zweitstärkste Kraft in Landtag ein. Gemeinsam mit den 35 Mandaten der SPD bildeten sie unter Kretschmann als Verhandlungsführer eine grün-rote Regierung. Am 12. Mai wurde Kretschmann von den Landtagsabgeordneten mit 73 Stimmen zum Ministerpräsidenten gewählt und das Kabinett Kretschmann I startete seine Regierungsperiode mit der ersten von den Grünen geführten Bundeslandregierung Deutschlands.

Das zweite Kabinett Kretschmanns trat nach der Landtagswahl am 13. März 2016 seine Regierungszeit an. Nach der Wahl konnten die Grünen mit insgesamt 30,3 Prozent Wählerstimmen und 47 Mandaten zum ersten Mal in der Geschichte der Partei als stärkste Kraft in den Landtag einziehen. Die CDU wurde mit 42 Sitzen zweitstärkste Partei und die SPD, der frühere Koalitionspartner der Grünen landete mit 19 Sitzen nach der AfD sogar nur an vierter Stelle. Gemeinsam mit der CDU verabschiedeten die Grünen am 9. Mai 2016 einen Vertrag zur „Kiwi“-Koalition, also einer grün-schwarzen Regierung unter Kretschmann, der am 12. Mai 2016 zum zweiten Mal als Ministerpräsident vereidigt wurde. 

Winfried Kretschmann: Position in der Flüchtlingsfrage

Während seiner Zeit als erster grüner Ministerpräsident hat Kretschmann bis jetzt einige Wellen geschlagen. Er erntete zum Beispiel 2014 Kritik, weil Baden-Württemberg als einziges Bundesland mit grüner Regierungsbeteiligung Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina im Asylgesetz als sichere Herkunftsländer einstufte und so die Abschiebung der Flüchtlinge aus diesen Ländern erleichterte. Auch dass einigen im Koalitionsvertrag festgelegte Vorgaben, wie zum Beispiel der Kennzeichnungspflicht für Polizisten bei Großeinsätzen, noch nicht nachgegangen war, wurde von der Bevölkerung kritisiert.

Auf der anderen Seite erreichte Winfried Kretschmann während seiner Regierungszeit bereits eine Erleichterung bei der Residenzpflicht, die Flüchtlinge an einen von der Behörde vorgegeben Wohnbereich bindet, und Kretschmann war außerdem der erste Ministerpräsident, der mit den einzelnen Kommunen seines Bundeslandes einen Flüchtlingsgipfel abhielt. Bei dem Treffen im April 2014 wurden gemeinsam Vorgehensweisen und mögliche Lösungen für die damalige Flüchtlingssituation besprochen. Die Digitalisierung treibt der Ministerpräsident ebenfalls stetig voran. Er nahm als erster Landeschef das Thema Industrie 4.0 in sein politisches Programm auf und im Rahmen einiger weiterer Reformen, von denen die Landesregierung unter Kretschmann einige durchführte, wurde außerdem in Baden-Württemberg eine Gemeinschaftsschule eingeführt, die sämtliche Klassenstufen und Schulabschlüsse umfasst und sich stärker nach den Bedürfnissen des einzelnen Schülers richten soll.

Winfried Kretschmann: So lebt der Politiker ganz privat

Winfried Kretschmann fand sein privates Glück bereits im Studium, als er seine große Liebe Gerlinde kennenlernte. Das Paar heiratete bereits 1975, als beide noch Studenten waren und bereits ein Jahr später, im Jahr 1976, kam Tochter Irene zur Welt. 1978 folgte Sohn Johannes und im Jahr 1980 wurde Sohn Albrecht geboren und die Kretschmanns gelten als skandalfreie Bilderbuch-Familie. Irene lebt mit ihrem Ehemann in Schottland, kommt ihre Heimat Laiz in Baden-Württemberg, wo die Eltern noch immer leben, aber regelmäßig besuchen. Johannes ist dabei, politisch in die Fußstapfen seines Vaters zu treten und zog 2019 für die Grünen in den Kreistag von Sigmaringen ein. Sohn Albrecht hingegen schenkte seinen Eltern bereits Enkelkinder. 2015 kam Winfried Kretschmanns erster Enkel Julius zur Welt, 2017 folgte Enkeltochter Johanna Pauline.

Vor der Landtagswahl im März 2021 zog sich Kretschmann aus privaten Gründen aus einem Teil des laufenden Wahlkampfs zurück. Seine Frau sei an Brustkrebs erkrankt, teilte er am Freitag über das Staatsministerium in Stuttgart mit. „Ich brauche diese Zeit, um meiner Frau beizustehen“, schrieb er in einer Pressemitteilung.

Kretschmanns liebstes Hobby ist das Heimwerken. Er kann Stunden in Baumärkten verbringen und dort Bohrmaschine anschauen, das Basteln zu Hause sei für ihn Entspannung, zu der er durch seinen hektischen Politikeralltag aber kaum noch komme. Winfried Kretschmann will außerdem immer etwas Neues lernen. Passend zu seiner Werkler-Liebe schenkte seine Fraktion ihm einmal einen Kurs, bei dem er Schweißen lernte. Außerdem ist er ein großer VfB Stuttgart-Fan und mit seiner Frau Gerlinde bearbeitet er außerdem gern den heimischen Garten. Wenn das Wetter und der hektische Alltag des Politikers es zulassen, geht das Paar außerdem gern in der schwäbischen Heimat wandern.

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