„Wir müssen den bösen Schein unterbinden“

München - Die Nebeneinkünfte der Bundestagsabgeordneten steigen stark, ergab eine Analyse.
Zwischen Januar und April verdienten 131 Abgeordnete mindestens 5,7 Millionen Euro zusätzlich zu den Diäten. Zu viel? Oder ist es gerade erwünscht, dass Abgeordnete Kontakt zur Arbeitswelt halten? Fragen an den Parteien-Experten Hans Herbert von Arnim. Der Professor untersucht seit Jahren die deutsche Politikfinanzierung.
Bemühen wir mal die alten Klischees: Sind Abgeordnete zu faul – oder in Wahrheit zu fleißig, leider nur neben dem Mandat?
Nun ja – ich würde das so abstrakt nicht sagen. Fest steht aber: Abgeordnete werden voll bezahlt, im Bundestag mit 7668 Euro, steuerfreien Pauschalen und großzügiger Altersversorgung. Für dieses Entgelt hat die Abgeordnetentätigkeit im Mittelpunkt zu stehen.
Sie wollen Nebenjobs nicht generell verbieten?
Nein, aus drei Gründen sollte man die teilweise Fortführung des Berufs nicht verbieten: Erstens erzeugt der Nebenjob eine gewisse Unabhängigkeit gegenüber Partei und Fraktion. Zweitens ist es so auch für Großverdiener möglich, ein Mandat zu übernehmen. Drittens ist es gut, wenn berufliche Erfahrung ins Parlament einzieht, wenn man nicht direkt von der Schulbank weg das Mandat übernimmt. Ich halte es aber für sehr wichtig, die Nebeneinkünfte in voller Höhe zu publizieren.
Öffentlich, auf den Cent genau?
Unbedingt. Es ist nicht nachvollziehbar, warum sich die Mehrheit der Abgeordneten dagegen wehrt. Für Vorstände von börsennotierten Unternehmen und von gesetzlichen Krankenkassen zum Beispiel ist das längst so vorgeschrieben.
Viele Parlamentarier arbeiten als Anwälte. Den Mandantenstamm und dessen Zahlungen offenzulegen, wäre hart.
Ich fordere nicht die Offenlegung der Namen der Mandanten, aber neben der Zahl der Mandate sollte auch die genaue Höhe der Bezüge publiziert werden.
Im Bundestag gibt es Fälle von 62 Nebenjobs – endet da Ihr Verständnis?
62? Der Anschein spricht dafür, dass das nicht mehr in Ordnung ist. Da muss man sich schon fragen, wann der Abgeordnete noch sein Mandat wahrnimmt.
Was darf ein Politiker nebenher machen – wo beginnt der Graubereich?
Für hoch problematisch halte ich es, wenn Abgeordnete sich gleichzeitig als Lobbyisten bezahlen lassen. Dass so etwas noch legal ist, halte ich für eine große Gesetzeslücke im Kampf gegen Korruption. Ich nenne das Beispiel des CDU-Europaabgeordneten Elmar Brok, der gleichzeitig als Lobbyist für Bertelsmann arbeitet – so etwas geht einfach nicht. Schließlich wird der Abgeordnete vom Steuerzahler zur Sicherung seiner Unabhängigkeit alimentiert. Die große Mehrheit der Abgeordneten sollte den schwarzen Schafen in ihren Reihen einen Riegel vorschieben. Dafür braucht keine konkrete Beeinflussung nachgewiesen zu werden. Bei der Korruptionsbekämpfung ist bereits der böse Schein zu unterbinden.
Gibt es genügend Transparenz bei Spenden?
„Arbeitsloses Einkommen“, also in der Korruptionssprache das sogenannte „Anfüttern“, ist endlich verboten worden. Warum aber einmalige solche Zahlungen, die dann Spenden heißen, zulässig sind, ist unverständlich. Besser wäre, Abgeordneten die Annahme von Spenden ganz zu verbieten.
Christian Deutschländer