„Hat Putin unterschätzt“ – CDU-Politiker kritisieren Merkel scharf für Russland-Politik

Kurz vor Weihnachten wird scharfe Kritik der CDU an der Rolle Angela Merkels in Deutschlands Russland-Politik publik. Die Ex-Kanzlerin kommt nicht gut weg.
München/Berlin - Was hätte sie verhindern können? Was nicht? Jahrelang wurde der politische Einfluss der früheren Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf den russischen Präsidenten Wladimir Putin als groß eingeschätzt. Vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs wird diese Frage jedoch neu diskutiert.
Angela Merkel: Scharfe Kritik an der Russland-Politik der Ex-Kanzlerin aus der CDU
Auffällig: Seit Wochen versucht die 68-jährige Ex-Regierungschefin (2005 bis 2021) ihre Rolle in Interviews gerade zu rücken. So rechtfertigte die Unionspolitikerin zuerst im Gespräch mit dem Spiegel und dann in der Zeit, warum sie nicht mehr in der Lage gewesen sei, beschriebenen Einfluss bei Putin geltend zu machen. Ehe der Moskau-Machthaber den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine lostrat.
Prominente CDU-Außenpolitiker haben die Russland-Politik ihrer früheren Parteichefin nun scharf kritisiert. Das geht es aus Zitaten einer jüngsten Analyse der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (F.A.Z.) hervor. Demnach platzierten Roderich Kiesewetter, Obmann der Unionsfraktion im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages, sowie Johann Wadephul die Kritik. Der 59-jährige Nordfriese ist stellvertretendes Mitglied des Ausschusses für Angelegenheiten der Europäischen Union, des Verteidigungsausschusses sowie des Auswärtigen Ausschusses.
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„Nach der Krimannexion 2014 hat Merkel auf den Minsk-Prozess gesetzt, also auf Diplomatie. Sie hat es abgelehnt, die ukrainische Armee auszubilden und Waffen zu liefern“, sagte Kiesewetter der F.A.Z.. Nötig sei aber eine „militärische Unterfütterung“ gewesen, die Bereitschaft, neben „soft power“ der Diplomatie „hard power“ einzusetzen, erklärte der 59-jährige Schwabe.
Wladimir Putin: Angela Merkel hat laut CDU-Politiker „falsche Handlungsschlüsse gezogen“
Zwar habe Merkel Putin nüchtern und realistisch eingeschätzt, „aber aus heutiger Sicht falsche Handlungsschlüsse gezogen“, meinte Kiesewetter weiter. Er kritisierte, dass Merkel selbst nach der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim durch Russland 2014 ihren Kurs gegenüber Moskau nicht geändert habe. „Sie hat es abgelehnt, die ukrainische Armee auszubilden und Waffen zu liefern. Stattdessen setzte sie ausschließlich auf Diplomatie ohne militärische Unterfütterung, also den Minsker Prozess“, meinte Kiesewetter.
Sie hat es abgelehnt, die ukrainische Armee auszubilden und Waffen zu liefern.
„Angela Merkel sah Putin kritisch, aber sie wollte nie die komplette Konfrontation mit Russland. Sie versuchte immer, eine Form des Ausgleichs zu finden. Sie war immer der Meinung, Putin müsse eingebunden werden“, sagte indes Wadephul der F.A.Z.. Merkel habe geglaubt, dass man so Russlands „Gelüste im eurasischen Raum eindämmen“ könne. „Sie hat unterschätzt, dass Putin Dinge, von denen er geredet hat, auch wirklich machen würde“, kritisierte der Norddeutsche.
Angela Merkel: Ex-Kanzlerin verteidigt ihre Russland-Politik
Merkel, die fließend Russisch spricht, hatte sich zuletzt wiederholt für ihre Russland-Politik verteidigt. Sie komme „zu dem Ergebnis, dass ich meine damaligen Entscheidungen in einer auch heute für mich nachvollziehbaren Weise getroffen habe. Es war der Versuch, genau einen solchen Krieg zu verhindern“, sagte sie Anfang Dezember der Zeit und meinte: „Dass das nicht gelungen ist, heißt noch nicht, dass die Versuche deshalb falsch waren.“
So sei die „2008 diskutierte Einleitung eines Nato-Beitritts der Ukraine und Georgiens“ in ihren Augen „falsch“ gewesen. Ihre Begründung: „Weder brachten die Länder die nötigen Voraussetzungen dafür mit, noch war zu Ende gedacht, welche Folgen ein solcher Beschluss gehabt hätte, sowohl mit Blick auf Russlands Handeln gegen Georgien und die Ukraine als auch auf die Nato und ihre Beistandsregeln.“
Sie habe am Ende ihrer Amtszeit keine Möglichkeit mehr gesehen, auf Putin einzuwirken, hatte die CDU-Politikerin bereits Ende November dem Nachrichtenmagazin Spiegel erklärt: „Ich hatte nicht mehr die Kraft, mich durchzusetzen, weil ja alle wussten: Die ist im Herbst weg.“ Sie habe „mit Emmanuel Macron im EU-Rat noch mal ein eigenständiges europäisches Gesprächsformat mit Putin herstellen“ wollen - folgend auf das gescheiterte Abkommen Minsk II. Vergeblich.
Russland-Politik: Angela Merkel beschreibt Gespräche mit Wladimir Putin
„Das Gefühl war ganz klar: Machtpolitisch bist du durch. Für Putin zählt nur Power“, erklärte sie: „Außenpolitisch war ich zum Schluss auch bei so vielem, was wir wieder und wieder versucht haben, keinen Millimeter mehr weitergekommen. Nicht nur, was die Ukraine angeht. Transnistrien und Moldau, Georgien und Abchasien, Syrien und Libyen. Es war Zeit für einen neuen Ansatz.“
Diesen muss nun ihr Nachfolger als Bundeskanzler, Olaf Scholz (SPD), verantworten. In den Verhandlungen zum Ukraine-Krieg liegt es unter anderem an ihm und an Macron, international Bedingungen für einen möglichen Waffenstillstand auszuhandeln. (pm)