Putin sagt offenbar Pflicht-Termin ab: Befürchtet er unbequeme Fragen zum Ukraine-Krieg?
Alljährlich stellt sich Russlands Präsident Wladimir Putin normalerweise den Fragen von Journalisten und Bürgern. Heuer steht die Veranstaltung auf der Kippe - wohl wegen des Ukraine-Kriegs.
Moskau — Es ist seit zehn Jahren ein fester Termin in Russland: Immer im Dezember gibt Präsident Wladimir Putin seine jährliche Pressekonferenz zum Jahresabschluss. Doch dieses Jahr könnte die wichtige Veranstaltung, in der sich das russische Staatsoberhaupt den Fragen von internationalen Journalisten stellt, ausfallen. Grund ist wohl der Ukraine-Krieg.

Über die mögliche Absage der jährlichen Pressekonferenz berichtet die russische Nachrichtenplattform RBC und beruft sich dabei auf zwei „mit dem Thema vertraute“ Quellen: Bisher würden noch keine Vorbereitungen laufen, die Pressekonferenz im Dezember abzuhalten, ließen diese verlauten. Womöglich werde der Termin auf 2023 verschoben.
Laut einer der Quellen von RBC habe Putin sich noch nicht entschieden, ob er Journalisten Frage und Antwort stehen wolle. Bei der „endgültigen Entscheidung“ werden auch die „Situation in der militärischen Sondereinsatzzone“ berücksichtigt. Gemeint ist damit die Ukraine, gegen die Putin am 24. Februar seinen Krieg startete. Der Ukraine-Krieg darf auch nach über acht Monaten ins Russland nur als „militärische Spezialoperation“ genannt werden, andernfalls drohen harte Strafen.
Putins letzte Pressekonferenz war 2021 - schon da ging es um die Ukraine
Zuletzt hat Putin seine jährliche Pressekonferenz vor Journalisten am 23. Dezember 2021 abgehalten - unter strengen Sicherheitsvorkehrungen, wie die Tagesschau damals berichte. Journalisten mussten demnach drei PCR-Coronatests vorlegen, durch seine Desinfektionssprühanlage laufen und ihre Fragen im Vorfeld einreichen.
Auch bei dem damaligen Termin ging es schon um die Ukraine: Putin äußerte sich zu den Truppen nahe der ukrainischen Grenze, die er da schon aufmarschieren hatte lassen. Er forderte Sicherheitsgarantien von den USA und der Nato und wollte sich nicht festlegen, ob Russland in die Ukraine einmarschieren werde. Gut zwei Monate später war es dann so weit: Putin startete die Invasion.

Wegen Ukraine-Krieg: Putin will wohl auch TV-Bürgerfragestunde kippen
Nicht nur die Jahresabschlusskonferenz, auch die TV-Bürgerfragestunde „Der direkte Draht“ steht offenbar auf der Kippe. Bei diesem Format widmet sich der russische Präsident im Live-Fernsehen traditionell den Sorgen und Fragen der Bürger. Wie RBC berichtet, hat Kremlsprecher Dmitri Peskow nach Ausbruch des Ukraine-Kriegs das Format bereits mehrmals verschoben.
Im Mai 2022 habe Peskow laut RBC noch gesagt, für dieses Jahr sei ein „direkter Draht“ geplant, aber „vielleicht verschieben sich die Termine ein wenig nach hinten“. Ende Juni habe der Putin-Sprecher dann erklärt: „Wir haben immer noch keine genauen Daten. Aber wir gehen davon aus, dass es in absehbarer Zeit stattfinden wird.“ Im August 2022 vertröstete er offenbar erneut: „Der direkte Draht“ werde vielleicht mit der jährlichen Pressekonferenz des Präsidenten kombiniert, wie es während der Coronavirus-Pandemie 2020 der Fall gewesen sei. Doch nun findet die Pressekonferenz wohl heuer gar nicht mehr statt - demnach würde auch „Der direkte Draht“ entfallen.
„Der direkte Draht“ zu Putin: 2021 beantwortete er rund 70 Fragen
Laut einem Bericht des ZDF hatte Putin bei der letzten TV-Bürgerfragestunde Ende Juni 2021 von über zwei Millionen eingesandten Fragen rund 70 beantwortet. Stundenlang habe er sich die Nöte der russischen Bürger angehört, die sich vor allem über niedrige Gehälter, Arbeitslosigkeit und mangelnde Energieversorgung drehten. Viele Politologen hatten sich bereits damals gewundert, dass Putin sich dem unangenehmen Termin immer noch stellen würde, heißt es in dem Bericht.
Mit dem Ukraine-Krieg hat sich das offenbar geändert. Wohl auch, weil Putin angesichts des ausbleibenden Erfolgs seiner „militärischen Spezialoperation“ und der wachsenden Unzufriedenheit in Russland - auch infolge der Teilmobilisierung - diesmal noch weitaus unbequemere Fragen drohen würden.
Auch dem G20-Gipfel auf Bali glänzt der russische Präsident derzeit mit Abwesenheit und schickte stattdessen seinen Außenminister Sergej Lawrow, der sich über „hineingeschmuggelte“ Formulierungen in der Abschlusserklärung beklagte. (smu)