Putin „physisch vernichten“: Lawrow unterstellt Westen Tötungspläne – Was steckt dahinter?

Sergej Lawrow wirft dem Westen und den USA vor, Tötungspläne gegen Wladimir Putin zu schmieden. Beweisen kann er es wohl nicht.
München/Moskau – Sergej Lawrow hat mal wieder gesprochen. Am Dienstag (27. Dezember) hat der russische Außenminister der Ukraine ein Ultimatum gestellt, das von Russland kontrollierte Territorium im Ukraine-Krieg zu übergeben, wie die Staatsagentur Tass berichtet. Andernfalls werde die russische Armee, „die Angelegenheit entscheiden“. Bislang war den russischen Truppen das nicht gelungen. Gerüchte über eine mögliche neue Großoffensive auf Kiew gibt es aber bereits.
Wladimir Putin: Westen plant laut Sergej Lawrow, ihn „zu eliminieren“
Damit nicht genug: Lawrow glaubt, dass die Vereinigten Staaten damit drohen, den russischen Präsidenten Wladimir Putin physisch zu eliminieren. So zitiert jedenfalls Tass den 72-Jährigen.
In den USA „drohten einige ‚ungenannte Beamte‘ aus dem Pentagon tatsächlich damit, dem Kreml einen ,Enthauptungsschlag‘ zu versetzen - tatsächlich sprechen wir von der Androhung der physischen Eliminierung des russischen Staatsoberhauptes. Wenn solche Ideen tatsächlich von jemandem genährt werden, sollte dieser Jemand sehr sorgfältig über die möglichen Folgen solcher Pläne nachdenken“, sagte Lawrow der Agentur zufolge.
Im Video: Lawrow stellt Ukraine Ultimatum und befürchtet Eliminierung Putins
Der Moskauer Chef-Diplomat erklärte demnach weiter: „Das Regime versucht in seinem Namen, die Amerikaner und andere Nato-Mitglieder tiefer in den Strudel des Konflikts zu ziehen, in der Hoffnung, einen überstürzten Zusammenstoß mit der russischen Armee unvermeidlich zu machen.“ Mit Regime meinte Lawrow die demokratisch gewählte Regierung in Kiew. Den Westen kritisierte er ferner für angebliche Spekulationen, Russland könne Atomwaffen gegen die Ukraine einsetzen.
Sergej Lawrow: Putins Außenminister erhebt neuerliche Vorwürfe gegen den Westen
„Wir sprechen hier über ganz andere Angelegenheiten – der politische Kurs des Westens, der auf die totale Isolation Russlands abzielt, ist extrem gefährlich. Er birgt Risiken eines direkten bewaffneten Zusammenstoßes der Atommächte“, meinte Lawrow. Für seine eigenwillige These, statt Moskau könnte der Westen mit seinem nuklearen Waffenarsenal drohen, zog er vier Monate alte Zitate der damaligen Premierministerin von Großbritannien als Beispiel heran.
„Es scheint, dass sie jeglichen Anstand völlig aufgegeben haben. Die berüchtigte Liz Truss, die während der Debatte vor den Wahlen ohne jeden Zweifel erklärte, dass sie durchaus bereit sei, einen Atomschlag anzuordnen“, sagte der Minister laut Tass.
Truss war vor der Parteichefwahl der konservativen Torys im Interview mit Times Radio von Moderator John Pienaar verallgemeinernd gefragt worden, ob sie sich in diesen Zeiten vorstellen könne, den sogenannten Roten Knopf zu drücken, um atomare Waffen der Briten auszulösen.
Sergej Lawrow: Russischer Minister nennt ehemalige britische Premier Liz Truss als Beispiel
„Ich denke, es ist eine wichtige Aufgabe des Premierministers, und ich bin bereit, sie zu erfüllen“, sagte Truss am 24. August – und wiederholte in der TV-Arena der Tories: „Ich bin bereit, das zu tun.“ Das Video dazu dokumentierte unter anderem die Daily Mail bei YouTube. Truss war anschließend aber nur 45 Tage im Amt, ehe sie in Downing Street 10 ihren Rücktritt erklärte. Zu bestimmen hat sie damit über das britische Nukleararsenal, das 2020 laut Deutschlandfunk 215 Sprengköpfe umfasste, gar nichts mehr.
Dort (USA, d. Red.) drohten einige ‚ungenannte Beamte‘ aus dem Pentagon tatsächlich damit, dem Kreml einen ,Enthauptungsschlag‘ zu versetzen.
Weder Journalist Pienaar noch Truss hatten zudem in dem Interview konkret von Russland als Bedrohung gesprochen. Glücklich waren die Aussagen der Politikerin wohl dennoch nicht. Großbritannien ist eine der ältesten Atommächte der Welt. Laut Deutschlandfunk hält das Vereinigte Königreich bis heute ein U-Boot mit Atomraketen in ständiger Einsatzbereitschaft. Die britische BBC machte das 2021 zum Aufhänger für eine Krimi-Serie („Vigil – Tod auf hoher See“), die das ZDF aktuell in seiner Mediathek zeigt.
Ukraine-Krieg: Liz Truss befürwortete harten Kurs gegen Russland
Truss galt indes schon zuvor als Ziel russischer Propagandisten. Ein Angriff auf die Ukraine bedeute einen „massiven strategischen Fehler“, ermahnte die damalige britische Außenministerin den russischen Machthaber Wladimir Putin Anfang des Jahres. Sie warnte vor einer Appeasement-Politik und forderte, die russische Armee auch von der Krim zu vertreiben. Besagte „Appeasement-Politik“ - mit dem Ziel einer friedlichen Lösung - hatte der britische Premier Neville Chamberlain in den 1930er Jahren gegenüber dem deutschen Diktator Adolf Hitler gewählt - vergeblich.

„Der Kreml hat nicht aus der Geschichte gelernt“, erklärte Truss. Eine Invasion werde zu einem furchtbaren Verlust von Leben führen, „wie wir es aus dem sowjetisch-afghanischen Krieg und dem Tschetschenienkonflikt kennen“. In der russischen TV-Sendung mit dem Titel „Die Zeit wird zeigen“ erklärte Moderator Artjem Schejnin daraufhin: „Es ist kaum zu glauben, dass DAS da die Premierministerin des ehemaligen Großbritannien wird.“ Kein Wunder also, dass Lawrow gerade sie als Adressatin wählte?
Sergej Lawrow: Vorwürfe gegen das amerikanische Pentagon - aber keine Beweise?
Keine stichhaltigen Beweise lieferte Lawrow darüber hinaus für seine Vorwürfe an das US-amerikanische Verteidigungsministerium, das Pentagon. Weswegen das Szenario gänzlich von der Hand zu weisen ist? Ende März verbreitete das US-Nachrichtenportal The Daily Beast die Meldung, ein ehemaliger französischer Geheimagent glaube, sämtliche Geheimdienste planten die Ermordung Putins. Kurz zuvor hatte der republikanische US-Senator Lindsey Graham bei Twitter geschrieben: „Gibt es in Russland einen Brutus? Oder gibt es einen erfolgreicheren General Stauffenberg im russischen Militär?“
Im Sommer 1944 hatte der deutsche Wehrmachtsoffizier Claus Schenk Graf von Stauffenberg die Ermordung Hitlers geplant - ebenfalls vergeblich. Das Attentat in der „Wolfsschanze“ scheiterte. (pm)