US-Analysten behaupten: Putin ist mit zwei Plänen bei Lukaschenko rigoros abgeprallt

Wladimir Putin und Alexander Lukaschenko beraten sich in Minsk. Laut einer Einschätzung kommt der russische Präsident mit seinen Anliegen nicht weit.
München/Minsk - Der Ort des Treffens hatte etwas Widersprüchliches. Als Alexander Lukaschenko im Herbst 2013 den Palast der Unabhängigkeit eröffnete, betonte der autokratisch regierende Machthaber aus Minsk, das riesige Gebäude solle das Hauptzentrum des souveränen Belarus werden.
Alexander Lukaschenko und Wladimir Putin: Wirklich beste Freunde im Ukraine-Krieg?
Hier also kam Lukaschenko Anfang der Woche mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin zusammen, von dem er politisch, wirtschaftlich und militärisch komplett abhängig ist. Von wegen souverän. Das mutmaßliche Ziel Putins: Lukaschenko zu mehr militärischer Unterstützung im Ukraine-Krieg bewegen.
Schließlich befürchtet eben jene Ukraine eine russische Großoffensive im neuen Jahr. Auch das kleine Moldawien, ebenfalls eine Ex-Sowjetrepublik und an der rumänischen Grenze gelegen, schließt einen russischen Angriff nicht aus. Und Lukaschenko? Dieser lässt Kompagnon Putin mit dessen Belangen angeblich abprallen. Das schreibt zumindest das US-amerikanische Institute for the Study of War (ISW) in einer jüngsten Analyse.
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Laut der Denkfabrik mit Sitz in Washington verzichtete Lukaschenko bei dem Treffen darauf, den Ukraine-Krieg öffentlich zu diskutieren. ISW bekräftigt in dem wissenschaftlichen Aufsatz an mehreren Stellen, dass es sich um eine Einschätzung aus der Ferne handelt. Konkrete Quellen für die These werden in dem Schreiben nicht genannt. Umgekehrt lag das ISW in seiner Beurteilung des Kriegsgeschehens in den vergangenen Monaten immer wieder richtig. Zum Beispiel, als es Kesselschlachten im Donbass als neue Taktik prophezeite.
Alexander Lukaschenko: Nato-Rhetorik, damit Belarus nicht in Ukraine-Krieg gezogen wird?
Die Analysten schreiben in ihrem Beitrag indes weiter, dass Lukaschenko offenbar gezielt die Rhetorik anwende, dass Belarus seine Außengrenzen gegen den Westen und das transatlantische Verteidigungsbündnis Nato sichern müsse, „um eine Teilnahme an der russischen Invasion in der Ukraine zu vermeiden“. Das ISW schätzt demnach weiterhin ein, dass eine Beteiligung von Belarus an Putins Krieg unwahrscheinlich bleibt.
Wir mischen uns nicht ein, wir töten niemanden, wir schicken keine Soldaten dorthin.
Putin habe Lukaschenkos Argumentation offenbar akzeptiert, heißt es in dem Beitrag, während dieser beharrlich bei seiner Rhetorik bleibt. Der russische Präsident sei in Minsk stattdessen auch mit einem zweiten Plan gescheitert, schreibt das ISW. Und zwar damit, eine politische Integration von Belarus in die Russische Föderation voranzutreiben. Zur Einordnung: Putin hatte bei dem durch ihn erzwungenen Kriegsausbruch (24. Februar) die angeblich geschichtlich gewachsene Einheit zwischen Russland, Belarus und der Ukraine betont. Was Lukaschenko seinerseits so nie bestätigte.
Wladimir Putin: Russland-Präsident kommt in Belarus offenbar nicht weiter
Auffällig sei: Putin habe nun erklärt, dass „Russland nicht daran interessiert ist, irgendjemanden aufzunehmen“. Lukaschenko habe dagegen zuvor am 16. Dezember die belarussische Unabhängigkeit und volle Souveränität bekräftigt. Kremlsprecher Dmitri Peskow betonte zeitgleich, dass es Moskau keinesfalls darum gehe, Minsk zu drängen. Die Aussage Peskows wird wiederum vom ISW als Versuch eingeordnet, „Putins Verzweiflung zu vertuschen, dass er offensichtlich scheitert, Lukaschenko in den Krieg reinzuziehen“.
Es ist nicht das erste Nein Lukaschenkos an Putins Russland in den vergangenen Wochen. „Wenn wir uns unmittelbar mit den Streitkräften, mit Soldaten in diesen Konflikt einmischen, tragen wir nichts bei, wir machen es nur noch schlimmer“, hatte der 68-jährige Machthaber laut der Agentur Belta Ende November auf Fragen russischer Journalisten gesagt.
Alexander Lukaschenko: Belarussische Armee wohl zu schwach für Ukraine-Einmarsch
Die seinen Angaben nach 35.000 bis 40.000 Mann große belarussische Armee werde für Russland das Problem dieses Feldzugs nicht lösen. „Wir mischen uns nicht ein, wir töten niemanden, wir schicken keine Soldaten dorthin, weil es nicht nötig ist“, sagte Lukaschenko damals. Belarus unterstütze Russland, seine Rolle sei aber eine andere. Mehrere Militärexperten hatten in der jüngeren Vergangenheit stark bezweifelt, ob die belarussische Armee für einen Angriff auf die Ukraine aus dem Norden überhaupt in der Lage sei.
Vor allem Gustav Gressel, Senior Policy Fellow beim European Council on Foreign Relations (ECFR), bemühte wiederholt diese Zweifel. Zum Beispiel in Interviews mit dem ZDF. So gilt das Gerät der belarussischen Armee als völlig veraltet. Die Truppen Lukaschenkos setzen weitgehend auf alte sowjetische T-72-Panzer, die sich als extrem ungeschützt gegenüber Panzerabwehrwaffen westlicher Bauart erwiesen hatten.
Alexander Lukaschenko: Lässt er Wladimir Putin notfalls fallen?
Lukaschenko hatte Putin Ende November derweil gleich mehrmals abgewatscht. Auch beim Gipfel der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit (ODKB) in Eriwan wandte er sich offenbar vom russischen Präsidenten ab. So kritisierte er laut Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z.) „Hitzköpfe“, die darüber diskutieren würden, dass das Schicksal der ODKB von der Operation der Russischen Föderation in der Ukraine abhinge. (pm)