„Die wollen mich weghaben“: So reagierte Angela Merkel unter vier Augen auf das Jamaika-Aus

In einer TV-Doku hat CSU-Chef Horst Seehofer Einblick hinter die Kulissen der Jamaika-Verhandlungen gewährt - unter anderem auf eine emotionale Reaktion Angela Merkels.
Berlin/München - Knappe sechs Monate lang hat die Koalitionsbildung die Deutschen beschäftigt - als schwer durchschaubares Ränkespiel, als zähes Tauziehen, bisweilen auch als etwas peinliches Schauspiel. Nun hat eine TV-Dokumentation die Geschehnisse etwas greifbarer gemacht. Einblick in die Gefühlswelt der Akteure inbegriffen.
In der ARD-Sendung „Im Labyrinth der Macht - Protokoll einer Regierungsbildung“ haben die Zuseher am Montagabend unter anderem erfahren, wie es nach dem Abgang der FDP aus den Jamaika-Verhandlungen hinter den Kulissen aussah. CSU-Parteichef und Bundesinnenminister in spe Horst Seehofer erzählte vor laufender Kamera von der sehr persönlichen Reaktion Angela Merkels (CDU) an jenem Abend, als Christian Lindner der Hauptstadtpresse den Satz „lieber nicht regieren als falsch regieren“ in die Blöcke diktierte. „Jamaika-Aus“ wurde später zum „Wort des Jahres“ gekürt.
„Die FDP. Die wollen mich weghaben“
Merkel aber sei nach dem Verhandlungs-Flop „wirklich getroffen gewesen“, berichtete Seehofer. „Angela Merkel hat, nachdem das klar war,... die war richtig ernst, wie man sie ganz, ganz selten erlebt. Das war also nicht für die Fernsehkameras.“
„Und sie hat mir dann ein Stückchen später unter vier Augen gesagt: ‚Du, die wollen mich weghaben‘“. Nach einer kurzen Pause präzisiert Seehofer, es sei um die Liberalen gegangen: „Die FDP. ‚Die wollen mich, Angela Merkel, weghaben‘“, habe die Kanzlerin gesagt.
Über weitere drastische Aussagen Seehofers in der Doku war schon vorab berichtet worden. Etwa über harsche Vorwürfe an die Adresse der FDP - Lindner habe „Unterlagen abfotografiert hat und diese Fotografien dann den Journalisten zugespielt“ - und von Ex-SPD-Chef Sigmar Gabriel, der nach Ansicht Seehofer die eigene Tochter instrumentalisiert hatte, um Martin Schulz „herabzusetzen“.
Schulz‘ Ministerverzicht: Eine eher spontane Reaktion mit großen Folgen?
Der Film von Regisseur Stephan Lamby liefert aber auch durch schlichtes Protokollieren einige im Rückblick erstaunliche Erkenntnisse - etwa, dass Martin Schulz‘ früh angekündigter Verzicht auf ein Ministeramt in der Regierung Merkel allem Anschein nach weniger ein lange geplanter strategischer Schachzug war, denn eine spontane Reaktion in einer Pressekonferenz.

Angesprochen auf eine mutmaßliche frühere Aussage, er halte sich einen Eintritt in die Regierung Merkel offen, reagiert Schulz in den Fernsehbildern der Pressekonferenz verwundert: „Wo haben sie dat denn her?“, fragt Schulz entgeistert. Erst dann überlegt der damalige SPD-Parteichef und wählt die weitreichendste denkbare Antwort: Er werde kein Ministeramt unter Merkel übernehmen. Eine Ankündigung mit schweren Konsequenzen für Schulz - er musste schließlich auf den Posten als Außenminister frühzeitig verzichten.
Die SPD sei „auf absehbare Zeit nicht regierungsfähig“, sagte Merkel
Ihren Start nimmt die Doku indes mit aus dem Off eingespielten Zitaten der - teils ehemals - führenden GroKo- und Jamaika-Politiker. Von Andrea Nahles‘ „ab morgen kriegen sie in die Fresse“ bis zu Angela Merkels Satz: „Es ist offenkundig, dass die SPD auf Bundesebene auf absehbare Zeit nicht regierungsfähig ist.“
Das Ergebnis all der Verhandlungswirren scheint mittlerweile klar: Wohl noch vor Ostern wird eine neue GroKo das Zepter übernehmen. Mit Angela Merkel, die sich von der FDP aus dem Kanzleramt gejagt fühlt - und mit der SPD, die die Kanzlerin als „nicht regierungsfähig“ einschätzte.
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fn