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Biograf nennt Selenskyj ein „Produkt der Oligarchen“ – aber betont: „Sehen einen veränderten Politiker“

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Von: Astrid Theil

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Selenskyj
Wolodymyr Selenskyj (Archivbild) ist Thema einer Biografie von Sergii Rudenko. © Ukrainian Presidential Press Office / dpa

Der Biograf Sergii Rudenko betrachtet den ukrainischen Präsident durchaus kritisch - doch Wolodymyr Selenskyj habe sich seit dem Ukraine-Krieg auch verändert.

Laut dem ukrainischen Journalist und Selenskyj-Biograf Sergii Rudenko ist Präsident Wolodomyr Selenskyj ein „Produkt der Oligarchen“. Dies äußerte Rudenko in einem Interview mit dem Spiegel. Selenskyj, der als Hauptdarsteller der Serie „Diener des Volkes“ in der Ukraine bekannt wurde, hätte laut Rudenko seine Popularität nicht ohne die Oligarchen aufbauen können.

Selenskyj arbeitete mit den großen Fernsehsendern zusammen, die in den Händen von Oligarchen lagen. Noch bevor er politisch aktiv wurde sei er mit den reichsten und mächtigsten Leuten des Landes bekannt gewesen, weil er als Komiker oft auf Firmenfeiern auftrat, so Rudenko.

„Als die Oligarchen den Präsidenten Petro Poroschenko leid waren, unterstützten sie Selenskyj, offenbar auch noch nach dessen Sieg“, sagte Rudenko dem Spiegel. Selenskyj wurde im Mai 2019 zum Präsidenten der Ukraine gewählt, nachdem er sich mit seiner Partei „Diener des Volkes“ politisch engagierte. „Seit dem Jahr 2020 hat Selenskyj den Oligarchen aber den Kampf angesagt. Offenbar wollte er niemanden mehr um etwas bitten müssen“, betonte Rudenko. Seit Ausbruch des Ukraine-Kriegs hätten die Oligarchen die Kontrolle über die Fernsehsender verloren.

Biograf zu Selenskyj: „Er hat die unabhängige Ukraine nicht mit aufgebaut“

Rudenko betonte in seiner Selenskyj-Biografie, dass sich der ukrainische Präsident vor seiner politischen Karriere weder politisch engagiert noch positioniert habe. 2014 soll er sich in Sketchen über die demokratischen Proteste auf dem Maidan lustig gemacht haben. „Selenskyj, das muss man sagen, hat die unabhängige Ukraine nicht mit aufgebaut“, resümierte Rudenko im Spiegel-Interview.

Selenskyj ist vor seiner politischen Karriere als Komiker und Schauspieler in Russland und im ganzen postsowjetischen Raum aufgetreten. Auch in der Ostukraine hatte er bereits während der dortigen Kämpfe Auftritte. Sein Unternehmen sei im April 2014 in Horliwka aufgetreten, genau an dem Tag, an dem dort der Abgeordnete des Stadtrats, Wolodymyr Rybak, entführt und ermordet wurde. Der Einschätzung Rudenkos nach, habe Selenskyj die Situation damals „nicht verstanden“.

Selenskyj: Gegen Korruption und Vetternwirtschaft?

In seiner Wahlkampagne 2019 habe sich Selenskyj als Hoffnungsträger präsentiert, der im Gegensatz zu seinen Vorgängern der Korruption und der Vetternwirtschaft konsequent den Kampf ansagen würde. Allerdings konnte man zweieinhalb Jahre nach seiner Ernennung zum Präsidenten beobachten, wie Freunde von Selenskyj wichtige Posten einnahmen, so Rudenkko. Auch hier könne man allerdings einen Wandel beobachten.

Selenskyj habe als politisch unerfahrener Mensch nach seinem Sieg politische Lehrer in seinem Team gehabt, die allerdings gingen oder entlassen wurden, nachdem er sich einfand. Seit Ausbruch des Krieges wurden wichtige Politiker entlassen: Iwan Bakanow, Leiter des Sicherheitsdienstes SBU und Kindheitsfreund von Selenskyj, sowie die Generalstaatsanwältin Iryna Wenediktowa.

Ukraine-Krieg: „Er war überzeugt, dass man den Konflikt durch Verhandlungen lösen kann“

Den Ukraine-Krieg habe Selenskyj laut seinem Biografen für nicht möglich gehalten. Er sei überzeugt gewesen, dass der Konflikt mit Putin durch Verhandlungen gelöst werden könne: „Vielleicht hat er sich vorstellt, dass er, wenn er mit Putin von Mann zu Mann bei einem Angelausflug rede, dieser dann freundlich einlenken würde.“ Selenskyj lebte selbst jahrelang in Russland und war als Komiker und Schauspieler in Russland überaus beliebt.

Angesichts des Krieges bestehe ein großer Druck: „Die Ukraine, die es vor dem 24. Februar gab, davon bin ich überzeugt, darf es nach dem Krieg nicht mehr geben“, betonte Rudenko gegenüber dem Spiegel. Selenkyj selbst habe sich bereits durch den Krieg verändert: „Wir sehen seit Kriegsbeginn einen veränderten Politiker, jemanden, der sehr ernsthaft und authentisch auftritt, anders als früher.“

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