Alles XXL: Stadt auf dem Meer

Auf diesem Schiff haben Passagiere die Wahl zwischen Zimmer mit Aussicht auf das Meer oder Fenster zum Hof. Sonnen- und Schattenseiten auf dem...
...Kreuzfahrtschiff der Welt erlebte Reporterin Ulrike Schmidt als einer der ersten Passagiere an Bord des Megaliners, der eigentlich eine Stadt auf dem Ozean ist.

Schon mal auf einem Schiff Bäume in den Himmel wachsen sehen? Im 16. Stock auf der perfekten Welle gesurft? In der Karibik Schlittschuh gelaufen? Im Atlantik geklettert? Sie denken: alles Fantasterei, Utopie, Science- Fiction? Nein! Das ist die neue Wirklichkeit auf der größten schwimmenden Stadt der Welt – der Allure of the Seas, dem Megaliner der Rekorde der Reederei Royal Caribbean, der gerade auf Jungfernfahrt ist. Als eine der ersten Passagiere überhaupt durfte ich das Supersize- Schiff unter die Lupe nehmen – bei einer dreitägigen Sonderfahrt vor der Küste von Miami. Eigentlich hat ja schon das baugleiche Schwesterschiff Oasis vor einem Jahr alle Rekorde gebrochen – 5400 Passagiere, bei Mehrfachbelegung auch 6296, 2165 Mann Besatzung aus mehr als 80 Ländern; alles auf 362 Metern Länge, 64 Metern Breite und 65 Metern Höhe – Maße wie ein Hochhaus. Der Keller reicht nur 9,1 Meter in die Tiefe.
1 x 1 - Tipps für die erste Kreuzfahrt
Doch die Allure, deren namentlich übersetztes Omen Verlockung, auch Zauber, ist, misst fünf Zentimeter mehr als die ältere Schwester und stellt die Oasis mit dem kleinen Unterschied in den Schatten.
Aber wie ist es, auf so einem XXL-Schiff zu fahren – mit so vielen Menschen an Bord wie in einer deutschen Kleinstadt leben? Wie eng ist es? Und muss man überall Schlange stehen?

Letzteres Vorurteil geht schon am Schiffsterminal in Fort Lauderdale beim Einchecken über Bord. An sage und schreibe 90 Check-in-Stationen verhindern noch einmal so viele Mitarbeiter mit XXL-Lächeln, dass sich zu Reisebeginn Menschenschlangen bilden oder gar Stress aufkommt. Bis zur Gangway wird der Gast mit Freundlichkeiten von Mann zu Mann gereicht. Bis er sich dann endlich auf Deck 5 der Allure of the Seas mit offenem Mund wiederfindet: Auf Kopfsteinpflaster glänzt ein roter Mercedes-Oldtimer; es plätschert ein Springbrunnen über mehrere Stockwerke hinweg, ringsum Geschäfte, Läden, Cafés, Restaurants... Nein, das fühlt sich nicht an wie ein Schiff, das fühlt sich wie eine amerikanische Mall an, ein Einkaufszentrum!
Die Royal Promenade, wie dieser Teil des Schiffes genannt wird, ist einer von sieben Lifestyle-Bereichen und lädt zum entspannten Einkaufsbummel. Ja, sogar eine offene Bar fährt wie ein Lift über drei Ebenen auf und ab, während man seinen ersten Cocktail trinkt.
Noch unwirklicher wird das Gefühl, wenn sich der Gast bei seinem ersten Schiffsrundgang in zum Himmel offenen Innenhöfen wiederfindet – gerahmt von Kabinenstockwerken wie Hochhäuser. Jeder dieser Außenbereiche folgt einem eigenen Motto: So gibt es am Heck des Schiffes den Boardwalk – eine Art amerikanische Strandpromenade mit Holzkarussell, Hot-Dog-Bude, mexikanischer Cantina, Eiscreme-Boutique, Fotostudio und Wassertheater.
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Allerdings: Wessen Kabine zur Jahrmarktseite zeigt, der muss bei offener Balkontür auch den ganzen Tag mit Rummelgetöse leben. Stellt sich die Frage: Fenster zum Hof oder Zimmer mit Aussicht?

Die Lage zählt. Und wie in jeder City am Meer ist der Blick zum Wasser der teuerste. Doch es gibt noch ein Dazwischen: Aussicht zum Park. Ja, Park. Zwar ohne Meeresrauschen, aber Vogelgezwitscher vom Band. Der Central Park ist ein Novum auf einem Schiff! Ein lebendiger Garten mit Tausenden tropischen Pflanzen und Bäumen. Echte Beete. Echte Blumen. Gartenrestaurants. Luxusboutiquen. Eine Galerie des Popart- Künstlers Romero Britto. Es ist wie in New York! Freilich, das Meer bleibt da eher Nebensache. Der Blick wird vielmehr auf das Schiff und weniger auf den Ozean oder die Ziele gelenkt. Denn es ist ja auch kaum zu schaffen, allein die 26 Restaurants an Bord in einer Woche zu besuchen – neben dem breitgefächerten XXL-Showund Unterhaltungsangebot: Im Amber- Theater mit seinen 2160 Plätzen läuft das Broadway-Musical „Chicago“ sowie die neue Tanz-Show „Blue Planet“, im AquaTheatre die Wassershow „OceanAria“; dann die Eisshow, bei der Monopoly zum Leben erweckt wird; Stand-up- Comedy, 3D-Kino, und – ja, auch das XXL-Spielcasino.
Und dass auf einem XXL-Schiff auch das Spa-, Sport- und Wellness- Angebot XXL und vom Allerneuesten ist, versteht sich von selbst. Nebst Surfanlage mit Wellenmaschine, Minigolf, und Kletterwand.
Aber wer das Meer sucht, findet es auch – ab Deck 5. Auf dem längsten Jogging-Track eines Schiffes – mit 0,7 Kilometern die Runde – oder auf den Sonnen- und Pool- Decks ab Stockwerk 14. Diese sind so großzügig angelegt, dass sich selbst an Seetagen die 5400 Passagiere entspannt verlaufen und jeder zu jeder Zeit einen Liegestuhl findet, ohne ihn mit einem Handtuch reservieren zu müssen. Denn das ist verboten auf Utopia.
Endgültig der Faszination unvorstellbarer Logistik erliegt aber der Gast, wenn er im Hauptrestaurant Adagio mit 3000 Plätzen auf drei Ebenen unter einem Mega-Kronleuchter zu Abend isst – à la Carte. Es dauert im vollbesetzten und damit größten Restaurant der Welt auch keine zwei Minuten, bis der Kellner kommt, und keine Viertelstunde bis der Shrimpscocktail und weitere 15 Minuten später ein perfektes Steak serviert werden. Auf der Allure ist alles möglich – und der Why-Not-Geist ist Werbeslogan.

Warum nicht? Warum nicht einfach mal was Verrücktes tun? Zum Beispiel auf einem Schiff leben wie in Manhattan. Dafür muss man nur die Royal Loft Suite buchen – 141 Quadratmeter auf zwei Ebenen – mit einer fünf Meter hohen Fensterfront und einem 78 Quadratmeter großen Balkon samt Whirlpool. Für schlappe 20 000 Euro die Woche, Meeresblick und Butler-Service inklusive. Inbegriffen ist auch der schwarze Flügel, der, falls der Bewohner eher unmusikalisch ist, auch von selbst spielen kann.
Wer kleinere Brötchen backen muss: Es gibt auch Innenkabinen. knapp 14 Quadratmeter. Wer Glück hat, für 700 Euro die Woche. Die Potenz zählt, wie in jeder City. Und die Allure of the Seas ist eben die größte schwimmende Stadt der Welt! Mit 30 000 PS.
DIE ALLURE OF THE SEAS
DAS SCHIFF Die Allure of the Seas ist exakt fünf Zentimeter länger als ihre baugleiche, 362 Meter lange und 16 Decks hohe Schwester Oasis of the Seas. Einzigartig in der Schiffsarchitektur ist auch das Konzept der Innenhöfe – am Heck ein Rummelplatz mit Karussell und Amphitheater, in der Rumpfmitte der grüne Central Park mit 12 000 Pflanzen, umgeben von zahlreichen Restaurants.
DIE MENSCHEN Auf der Allure haben bei Mehrfachbelegung maximal 6300 Gäste in 2706 Kabinen Platz. Aus 24 Kabinen-Kategorien kann gewählt werden. Die kleinste Kabine misst 14 Quadratmeter, die große Mehrheit 17 bzw 18, die allergrößte Suite 141 Quadratmeter. Die Besatzung besteht aus 2165 Mitarbeitern aus 80 ländern der Welt.
DIE ROUTE Die Allure of the Seas kreuzt im Winter 2011/12 in der Karibik ab/bis Fort Lauderdale, abwechselnd in westlicher (Haiti, Jamaika, Mexiko) und in östlicher Richtung (Bahamas, St. Thomas, St. Maarten).
DIE PREISE Eine achttägige Kreuzfahrt auf der Allure of the Seas kann derzeit ab 710 Euro pro Person gebucht werden (unter www.kreuzfahrten.de). Anreise nach Florida z. B. mit Lufthansa, München- Miami hin und zurück für derzeit 725 Euro.
DIE NEBENKOSTEN Tee, Kaffee, Limonade und Wasser sind inklusive, alle weiteren Getränke gehen extra, die vom Preisniveau städtisch sind. Pro Tag und Person sind 8 Euro Trinkgeld zu entrichten, die schon bei Buchung bezahlt werden können. Auch Spezialitätenrestaurants wie das brasilianische oder japanische gehen extra.
DER REISETYP Für den XXl-Liebhaber unter den Kreuzfahrern. Der Passagier sollte sich bewusst sein: Das Meer ist im 16. Stock eines solchen Megaliners relativ weit weg. Das Schiff selbst spielt die Hauptrolle.
WEITERE INFOS Bei Royal Caribbean Kreuzfahrten unter www.royalcaribbean.de oder telefonisch unter 0 69/92 00 71 55.