1. Startseite
  2. Reise

Die Bahamas und der neue Fluch der Karibik

Erstellt: Aktualisiert:

Von: Christian Deutschländer

Kommentare

Bahamas
Bahamas-Feeling: „It’s better“ - es ist besser - sagen sie hier auf den Inseln. © picture alliance / WaterFrame

Wir träumen von weißem Sand, von Palmen, Promis und Piraten. Meist bleibt es bei den Träumen. Denn von den Bahamas redet jeder, aber fast niemand fliegt hin. Unser Autor Christian Deutschländer war da...

...und traf auf Inseln, die zwar alles haben – Sand, Palmen und Promis – und trotzdem beinhart gegen die Wirtschaftskrise kämpfen.

An guten Tagen kann Samantha die Schreckensschreie ihrer Gäste bis ins Büro hören. Gedämpft dringt das Entsetzen durch die Mauern nach oben. Es ist der Moment, wenn Blackbeard, der Schreckliche, sich plötzlich bewegt, wenn sein Säbel zuckt im Schein eines Blitzes. Der Moment, wo der Pirat, der eben noch eine Wachsfigur zu sein schien, plötzlich über die Planken springt. „Die Schulkinder schreien am lautesten“, sagt Samantha vergnügt.

Der Inselstaat der Bahamas liegt im Atlantik und ist Teil der Westindischen Inseln.
Der Inselstaat der Bahamas liegt im Atlantik und ist Teil der Westindischen Inseln. © dpa-tmn

Sie ist die letzte Piratin der Karibik, kein Holzbein, keine Schnapsfahne, aber bis an die Zähne bewaffnet. Samantha Allen hütet Dolche und Gewehre der Seeräuber, dieser Horde, die vor 300 Jahren die Handelsschiffe vor Nassau überfiel und plünderte. Samantha leitet das kleine Museum am Hafen von Nassau, das auf zwei Stockwerken die düstere Welt der Piraten auferstehen lässt. Blackbeard haust dort unten, inzwischen dürfte er etwa 340 Jahre alt sein, Woodes Rogers und die burschikose Matrosentochter Mary Read. Sie wüteten in Nassau, wo einst die See gefährlicher und die Sitten rauer waren als überall sonst in der Welt. „Komm an Bord, wenn du dich traust“, steht an einem der Schilder, „sieh, wie die Piraten leben und starben“.

Gut, wie sie starben ist schnell erklärt. Einige im Gefecht, mehr an Leberzirrhose, und das mit Mitte 20, was über das Leben schon mal viel aussagt. Samanthas Museum verklärt nicht, sondern erklärt, und das ganz munter. Führt durch übelste Hafenspelunken und in Ziegenställe an Bord der Piratenschiffe. „Tough guys“, sagt Samantha locker, harte Kerle.

Dabei hätte man sich, mit Verlaub, die Erbin der blutrünstigen Branche ein wenig anders vorgestellt. Die Museumschefin ist eine zierliche blonde Person mit Brille, rund 30 vielleicht. In ihrer Ausstellung lagern Gewehre, die länger sind als sie. Allerdings erweckt sie irgendwie den Eindruck, sie könnte, wenn sich die Vitrinen mal öffnen, durchaus damit umgehen. Das Leben ist ja auch immer ein Kampf, selbst 2013 noch in Nassau, Bahamas. Und eigentlich geht es auch noch immer um Schiffe.

Der Sweet Stop der deutschen Auswandererin Anna Fitzek.
Der Sweet Stop der deutschen Auswandererin Anna Fitzek. © Deutschländer

Der Fluch der Karibik ist heute der Modergeruch der Krise. Mit Härte trifft der Wirtschaftseinbruch vor allem in den USA das Inselparadies. All die Mick Jaggers & Jack Nickolsons dieser Welt haben freilich noch ihre 20 Millionen Dollar schweren Villen auf einer der 700 Inseln. Jeder Palast ist gesäumt von so intensiv türkisblauem Meer, als wäre der Regler bei Photoshop grob verrutscht. Der Großteil der Gäste aber ist gehobene amerikanische Mittelschicht. Drei Millionen, die einen Katzensprung von ihrer Küste entfernt drei, vier Tage Sonne tanken wollen, so wie wir mal nach Mallorca springen. Das nämlich ist die Kernzielgruppe, von der viele der Inseln leben.

Aus Deutschland, wo die Bahamas einen unbezahlbaren Ruf als ebenso unbezahlbare Einmal-im-Leben-Destination genießen, kommen gerade mal 9000 Gäste im Jahr. Das ist im Tourismusgeschäft: fast nichts. Die Direktverbindung mit Condor ist wieder gekappt. Wenn Amerika schwächelt, trifft es die Bahamas also brutal.

Die Piratenshow von Nassau
Die Piratenshow von Nassau © Deutschländer

Für Samantha heißt das: Die Schreie werden seltener, das wohlige Entsetzen im Keller flaut ab. Die Besuchszahlen im kleinen Museum sinken stetig. Die riesigen Kreuzfahrtschiffe, die jetzt in Nassaus Hafen gleiten, spucken weniger Gäste aus. Ein paar Dutzend nur pro Tag finden den Weg ins Piratenmuseum. Ein neues größeres Schild vielleicht? Handzettel? „Ich hab kein Geld für Werbung. Ich muss mein Gebäude streichen“, sagt Samantha. Im Eck hinter ihrem Schreibtisch bröckelt der Putz, die sieben Schauspieler und Helfer unten im Museum reduzieren die Arbeitszeit. „Part time pirates“, Teilzeitpiraten, brummt Samantha mit sanfter Ironie.

Freilich, es hat die Piraten schon mal härter getroffen als Teilzeit. 1720 wurde ihr Berufsstand praktisch abgesetzt und ausgerottet, ausgerechnet durch den Ex-Piraten Woodes Rogers, der als neuer Gouverneur mit der Seeräuberei aufräumte. Seitenwechsler, Umfaller, Verräter! Plötzlich aber war Ruhe in der Karibik. Im Moment sogar etwas viel Ruhe. Doch auch von dieser Bedrohung wird sich das Paradies erholen.

Sie überlegen in Nassau gerade noch, wie. Runterzugehen mit den Preise, wird nicht funktionieren. Auch wenn es mitunter Mondpreise sind, wie jene 12 400 Dollar pro Nacht für die Villa 1085 im One & Only Ocean Club in Nassau. Man kennt den Meerblick aus dem James-Bond-Film „Casino Royal“, weil 007 dort eine Gespielin verführte (die nicht die Eine & Einzige blieb). Wer solche Summen hinlegt, braucht keinen Preisnachlass. Und im billigeren Massengeschäft mit den Amerikanern sind die Margen knapp: hohe Löhne, horrende Energiekosten machen die Inseln teuer. Die Bahamas seien eben „keine Billig-Destination“, sagt ein hoher Tourismusmanager, „wir können mit den DomRep-Preisen nicht mithalten“. Und überhaupt gehe es um das „Bahamas-Erlebnis“.

Clifford Sweeting
Clifford Sweeting, 36, hackt Conch in den Salat aus Tomaten und Zwiebeln, würzt mit Salz, Pfeffer und Limettensaft. 50 Stück schafft er pro Tag in der Bude an der Hauptstraße bei Nassau. Das Publikum vor Shosey’s Conch Salat ist illuster: Einer deklamiert Shake­speare, ein anderer hockt im tiefergelegten Mitsubishi bei laufendem Motor. Was sie eint: Sie warten, denn drängeln, sagt der wortkarge Clifford, lasse er sich schon gar nicht. © Deutschländer

Was das ist, müssen sie gerade mal wieder neu erfinden. Die Tourismus-Leute locken mit der Vielfalt der Inseln, mit Delfinen hier und schwimmenden Schweinen da, mit Riffen und Rum. Die Investoren gießen derweil das Bahamas-Gefühl in Beton. Hinter Nassau funkeln die goldenen Kuppeln von Atlantis, dem Fantasie-Hotel mit Riesenaquarium, das es sonst nur so ähnlich in Dubai gibt. In Sichtweite ziehen chinesische Geldgeber gerade einen Mega-Klotz hoch, 3,5 Milliarden Euro, Dollar oder was auch immer. In ein, zwei Saisons können ein paar tausend Gäste gleichzeitig dort ihr Bahamas-Erlebnis suchen. Vielleicht ist der Fluch der Karibik bis dahin vertrieben. Im Kleinen, auf Harbour Island, also ein Inselchen weiter, sieht es schon ganz gut aus. Auf einer kleinen Holztreppe sitzt Anna Fitzek, 26, und strahlt ziemlich süß in die Sonne. Es ist ihre Treppe, sie führt in ihr Café, ihre Existenz. Die junge Deutsche, ausgewandert aus dem Nieselregen, hat vor einem Jahr auf Harbour Island „Sweet Spot“ aufgemacht, drei kleine Tische. Sie verkauft Ritter Sport (importiert), Ginger-Eis (selbstgemacht) und Pirate Punsch (würde Mary Read umhauen, mit zwei Sorten Rum).

„Es ist okay, aber es ist nicht leicht. Ich hab’ das Gefühl, dass es langsam etwas besser wird“, sagt Anna über ihren Laden. Oft kommen Nachbarkinder, kaufen Süßigkeiten ein vom Taschengeld. Manchmal kommt ein Super-Promi: Musiker Dave Matthews war da, Annas Mama bediente neulich Cameron Diaz. Auch das gehört übrigens zum Bahamas-Erlebnis: Niemand quietscht und kreischt wegen der VIPs. „Da kannst hier herumgehen und rennst in irgendeinen Promi rein“, sagt Anna, „die Leute hier interessiert das überhaupt nicht“.

Samanthas Piraten sind nur Teilzeit, nicht gefeuert. Optimismus? Und Anna hat sogar Pläne, blinzelt von der Treppe auf die Uferstraße. Wenn es klappt, will sie nächsten Monat schon expandieren, naja, zumindest einen Tisch anbauen ganz vorne am Meer.

Christian Deutschländer

Die Reise-Infos zu Bahamas

REISEZIEL Der Inselstaat der Bahamas liegt im Atlantik und ist Teil der Westindischen Inseln. Nur 30 der 700 Inseln sind bewohnt. In Nord-Süd-Ausrichtung ist die Inselkette nordöstlich von Kuba 650 Kilometer lang, in Ost-West-Ausrichtung bis zu 750 Kilometer. Am stärksten bewohnt ist die Insel New Providence (207 Quadratkilometer, 248 000 Einwohner) auf der auch die Hauptstadt Nassau liegt.

ANREISE Von Deutschland gibt es aktuell keine Direktflüge. Umsteiger stoppen in den USA, in Miami, oder etwa mit Condor in Fort Lauderdale. Weiter mit Bahamas Air. Mehrmals pro Woche fliegt British Airways von München über London nach Nassau. Auf den Bahamas kommt man von Insel zu Insel am schnellsten in Kleinflugzeugen. Hier gibt es Linienbetrieb und viele Anbieter für Privatcharter. Von Florida aus sind die Bahamas zudem per Schnellfähre erreichbar.

REISETYP Erfahrene Reisende, neugierig und unternehmenslustig. Wer fragt, Kontakte knüpft, spontan ist, bekommt die besten Tipps für die schönsten Orte der 700 Inseln. Günstig allerdings ist kein Ziel auf den Bahamas.

REISEZEIT Als die schönsten Monate gelten Januar, Februar und März. Hurrikan-Zeit ist von August bis Oktober.

FORMALES Pass und Rückflugticket genügen. Keine Impfung vorgeschrieben. Vor Ort wird mit Bahamas- oder den gleichwertigen US-Dollars gezahlt. Die Nebenkosten vor Ort sind ähnlich hoch wie in München.

KULINARISCH Die einheimische Meeresschnecke Conch („Konk“ spricht man sie aus), wächst im flachen Wasser zwischen Seegras. Frittiert, gehackt, mit Zitronensaft gebeizt, als Suppe oder als Fischpflanzerl ist sie so eine Art Nationalgericht. Frischen Conch-Salat, roh, mit Zwiebeln und Tomaten gibt es für zehn Dollar am Straßenrand.

ANNAS CAFE „Sweet Stop“ heißt der Laden der deutschen Auswandererin Anna Fitzek in der Bay Street auf Harbour Island, Montag bis Samstag von morgens bis 18 Uhr geöffnet.

PIRATENMUSEUM George Street am Hafen von Nassau, werktags bis 18 Uhr geöffnet, sonntags bis 12 Uhr, Eintritt 12 US-Dollar.

HOTELS Sie sind generell teuer, lokal kommen noch 15 bis 25 Prozent Steuern hinzu. Der One & Only Ocean Club auf Paradise Island bei Nassau (bekannt aus dem James-Bond-Film) bietet einfache Doppelzimmer ab 625 Dollar pro Nacht inklusive Frühstück, die Preise steigen für Familienvillen auf über 12.000 Euro.

Quietschbunt und gemütlich sind die Hütten im Compass Point Beach Ressort in New Providence www.compasspointbeachresort.com. Preis ab 210 Dollar ohne Frühstück. Erfahrene Gäste berichten: Der Typ am Pool, der aussieht wie Robbie Williams ist Robbie Williams.

Unter deutscher Leitung steht das Boutique-Hotel A Stone’s Throw Away in New Providence. Ab 175 Dollar pro Nacht ohne Frühstück. www.astonesthrowaway.com.

Schicke Apartments gibt es auf Eleuthera im Pineapple Fields Hotel ab 170 Dollar pro Nacht ohne Frühstück. Die Holzhäuser gruppieren sich um einen Pool. Wer nicht individuell bucht: Die Bahamas sind bei vielen großen Reiseveranstaltern im Programm.

WEITERE INFOS gibt es beim Bahamas Tourist Office unter www.bahamas.de oder direkt bei Bahamas Tourist Office, c/o Majunke International Sales, Frankfurt, Tel. 061 74/61 90 14.

Auch interessant

Kommentare