Tour auf dem Berliner Geister-Flughafen

Seit einem Jahr drehen die Mitarbeiter des Steigenberger Hotels am neuen Berliner Flughafen Willy Brandt jeden Tag alle Wasserhähne einmal kurz auf und wieder zu
Damit es nicht gammelt, wischen sie Staub, öffnen und schließen die Fenster und haben alle Möbel von den Teppichen gerückt – Druckstellen- Prophylaxe. Geschlafen hat dort bislang niemand. Geschichten wie diese erfahren Touristen auf einem Ausflug in die brandenburgische Gemeinde Schönefeld, wo der neue Flughafen bereits mehrfach fast eröffnet wurde – und das Hotel mit ihm. Die Flughafengesellschaft bietet verschiedene Ausflüge über die ruhende Anlage an.
Die Teilnehmer der Tour „Erlebnis BER“ dürfen gehen, wo nichts geht: auf dem Vorfeld. „Bitte nicht rauchen und nicht zu weit weg vom Bus“, lautet die Ansage der Führerin, kurz bevor sie die drängelnde Gruppe auf das Betonfeld lässt. Gut zwei Dutzend Airport-Touristen stehen jetzt genau zwischen Tower und Terminal auf den dicken Betonplatten des gigantischen Vorfelds. Die schmalen Rillen im Beton seien für die Bodenhaftung der Flugzeuge, weil die Reifen kein Profil haben, erklärt die Dame vom Flughafen- Marketing. Mehr als ein paar Platten weit weg vom Bus traut sich niemand so recht.

„Hier kommst du so schnell nicht mehr hin – nur noch im Flugzeug“, sagt ein aufgeregter Mann mit Sonnenbrille und Pferdeschwanz zu einem Mädchen, das wohl seine Tochter ist. Sie nickt schweigend und tippt eine SMS ins Handy. Ihr Vater hat jedenfalls recht: Derzeit dürfen die Teilnehmer noch auf dem Vorfeld aussteigen, sagt Flughafensprecher Lars Wagner. Nach der Eröffnung sei das undenkbar. „Wir nutzen natürlich auch die Zeit der Nichteröffnung“, erklärt er. Über die öffentlichen Plätze und Straßen des Geländes können Besucher auf eigene Faust einen „Spaziergang durch die Luftfahrtgeschichte“ machen. An den Straßenschildern finden sie die sogenannten QR-Codes, die sie mit einer Smartphone- App entschlüsseln müssen, um Informationen über Pioniere wie den Hubschrauberbauer Henrich Focke oder die erste deutsche Pilotin, Melli Beese, zu bekommen.
Zwei Stunden dauert die „Erlebnis BER“-Tour. Der Infotower ist eine weitere Station. Für den Aufstieg auf den in sich gedrehten Aussichtsturm vor dem Haupteingang der Terminals zahlen normale Flughafen- Touristen zwei Euro. In 32 Metern Höhe hat die Gruppe einen Überblick vom alten Flughafen Schönefeld über die künftige nördliche Start- und Landebahn bis zum Terminal mit Cargo-Center, Parkhäusern, Bürokomplex – und dem Steigenberger Hotel mit seinen gekippten Fenstern. Anschließend fährt die Gruppe im Bus einmal um das Terminal, vorbei an Sandsteinsäulen und der imposanten Glasfassade. Dahinter stehen schon die Schalter mit Fronten aus feinem Nussbaumfurnier. Unterwegs erfahren die Teilnehmer nette Details wie die Tatsache, dass ein Venenscanner die zutrittsberechtigten Mitarbeiter beim Betreten des Sicherheitsbereichs identifiziert. Oder dass die kleinen, grünen Quadrate auf dem Boden des Vorfelds die Schnittstellen zu riesigen, unterirdischen Kerosintanks sind und die Flieger zum Tanken nur einen Rüssel in den Boden stecken müssen. Oder dass in den unteren Geschossen des Towers ein Fitness- und Wellnessbereich liegt, in dem die Fluglotsen nach ihren anstrengenden Schichten entspannen. Sehr elegant wirkt das Terminal vom Vorfeld aus. Von der 715 Meter langen Glasfront ragen 16 Passagierbrücken auf die Betonfläche. Hinter den Scheiben warten unter durchsichtigen Plastikplanen schwarze Sessel auf Passagiere. „Eigentlich müsste man nur noch mal feucht durchwischen, und es könnte losgehen“, sagt die Airport-Führerin. Warum jetzt immer noch geschlossen ist? „Die Rohre der Entrauchungsanlage sind da, die Software ist da, aber die Schnittstelle funktioniert noch nicht“, erklärt sie. „Klappe A weiß vorne nicht, was Klappe Z hinten macht.“
Im Untergrund tut sich schon etwas. Die S-Bahn rollt unter dem Terminal hindurch – leer. Sie muss, andernfalls käme nicht genug Luft in den Tunnel, und Schimmel würde sich breitmachen. Da könnten Touristen doch mal mitfahren?
„Die Idee ist schön, und die hätten wir auch gern umgesetzt“, sagt Ingo Priegnitz, der Sprecher der Berliner S-Bahn. Die Nachfrage sei auch sicherlich da. Aber die Brandschutzbestimmungen machen auch unterirdisch einen Strich durch die Rechnung. Denn solange das Terminal nicht offiziell brandgeschützt ist, dürfen Touristen nicht in S-Bahn- Zügen unter dem Gebäude hindurchrollen – da kann der Tunnel noch so brandsicher sein. Besucher steigen also an der Endstation Berlin Schönefeld aus. Wie es weitergeht? Priegnitz wirkt ein wenig ratlos: „Bisher hat ja noch niemand Erfahrungen gesammelt mit so einem Problem.“
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Johanna Uchtmann
DIE TOUR-INFOS
So kann der Flughafen Berlin Willy Brandt besichtigt werden (Treffpunkt Flughafen Schönefeld, Terminal C): Bustour: Preis 10 Euro, Kinder (bis 14 Jahre) 5 Euro.
Radtour: bis Ende September Sa. und So., mit eigenem Rad, Mindestalter 14 Jahre; Preis: 15 Euro (inkl. Lunchpaket). Info und Anmeldung beim Flughafen-Besucherdienst, Tel. 030/609 17 77 70, www.berlin-airport.de