Kroatien: Schatz hinterm Silbersee

Fast eine Millionen Touristen besuchen pro Jahr das Naturwunder der sich über Kaskaden ineinander ergießenden 16 Seen im kroatischen Nationalpark Plitvice. Das wahre Wunder aber beginnt dahinter...
...in den dichten Wäldern, in denen sich Bär und Wolf bis heute gute Nacht sagen. Freilich muss man die Seen gesehen haben. Und das haben viele, auch die, die noch niemals hier waren. Karl Mays „Schatz im Silbersee“ wurde hier gedreht, wo Kroatiens höchster Wasserfall mit knapp einem Dutzend Kaskaden 78 Meter in die Tiefe stürzt.

Aber die Braunbären im Nationalpark müssen Old Shatterhand mit seinem „Bärentöter“ genannten Gewehr nicht fürchten. Auf der gesamten Fläche des Nationalparks darf nicht gejagt werden. Ebenso wenig wird Holz geschlagen, außer aus „sanitären“ Gründen, etwa bei Borkenkäferbefall, sagt Dalibor Vukovic, der Nationalparkhüter. Unter seiner fachkundigen Führung versuchen wir zwei Tage bis spät in die Nacht hinein Meister Petz vor die Linse zu bekommen.
Der 26-jährige Forstwirt Dalibor kennt sich aus in dem riesigen Waldgebiet. Er zeigt deutlich sichtbare Spuren, die Bären an Obstbäumen hinterließen. Der Braunbär macht sich über die derzeit reifen Pflaumen her. Dazu besteigt er den Baum und erntet ihn vollständig ab. Äste, an die er nicht heran kommt, bricht er einfach ab, auch wenn sie stärker als armdick sind. Am Baumstamm hinterlässt er Kratzspuren, darunter einen Haufen Bärenlosung.
Dort wo die Touristen sich tummeln, hält sich der Bär fern. Aber abseits der Touristenpfade gibt es 400 Kilometer Waldwege, auf denen man stundenlang wandern kann, ohne einer Menschenseele zu begegnen (einige sind sogar asphaltiert und für Radtouren gekennzeichnet). Die einzigen Autos, die dort fahren, sind die der wenigen Einheimischen, die im Park wohnen, sowie von Dalibor und seinen Kollegen.

Es gibt Regeln für das Wandern im Nationalpark. Eine Karte sollte man dabeihaben, um sich nicht zu verlaufen. Auf den teils steilen Waldpfaden und den Bohlendämmen ist festes Schuhwerk angebracht. Dalibor erzählt, dass er schon Damen gesehen hätte, die mit Stöckelschuhen auf dem Knüppeldamm feststeckten.
Baden ist in den Seen nicht erlaubt. „Das kostet 500 Kuna Strafe“, betont Dalibor, umgerechnet fast 70 Euro. Der See und die empfindliche Fauna sollen vor Verunreinigung geschützt werden.
In den Wäldern um die Seen gibt es neben Braunbären auch Wölfe, Luchse, Wildkatzen, Wildschweine, Rothirsche, Rehe, Fischotter und viele andere Wildtiere. Kapitale Keiler, Füchse, Hirsche und Rehe sind manchmal auch bei Tag zu sehen. Das Jagdverbot nimmt ihnen die Angst vor dem Menschen. Wenn im Herbst die Jagd außerhalb des Nationalparks losgeht, flüchten viele Tiere in den geschützten Park, berichtet unser Naturhüter.
Den extrem scheuen Wolf hat auch Dalibor in sechs Jahren nur einmal gesehen, Bären schon öfters. Einmal sah Dalibor auf einer Wiese zwei Jungbären tollen. „Man sollte keinesfalls auf ein Bärenbaby zugehen“, warnt Dalibor. Die Mutter sei nie weit und würde ihr Junges unbedingt verteidigen. Eine Gefahr für Besucher geht von den Tieren aber nicht aus. „Bären gehen gewöhnlich den Menschen aus dem Weg.“ Wie feinhörig der Fuchs ist, erleben wir in der Dämmerung: Reinecke schnürt über eine große Waldwiese. Der Fotograf nimmt ihn mit dem Teleobjektiv ins Visier. Es regnet. Der Rotrock ist etwa 150 Meter entfernt – klick! Ein Satz und er sucht das Weite.
Mit etwas Glück und Geduld lassen sich im Plitvicer Nationalpark viele Wildtiere beobachten. Wer die Natur und die Einsamkeit des Waldes liebt und ausgiebig wandern oder radeln möchte, ist auf den Wegen abseits der Trampelpfade um die Seen bestens aufgehoben.
Christian Vordemann
DIE REISE-INFOS ZU KROATIEN
REISEZIEL Plitvice, das „grüne Herz“ Kroatiens mit seinen 16 Seen ist knapp 300 Quadratkilometer groß. Höchster Punkt ist mit 1279 Metern der Seliki-Gipfel. Die Plitvicer Seen wurden 1979 in die Liste des Unesco-Weltnaturerbes aufgenommen.
ANREISE Mit dem Auto über Salzburg, Tauern- und Karawankentunnel, Ljubljana und Zagreb. Gesamtstrecke von München: rund 600 Kilometer.
REISEZEIT Am besten im Frühjahr und Herbst, im Sommer kann es heiß werden. Getränke braucht man nicht mitschleppen, das Wasser der Seen und Quellen ist trinkbar.
REISETYP Für den Winnetou in dir. Rund um die Seen ist das Gedränge in der Ferienzeit groß, abseits gibt es 400 Kilometer Waldwege, auf denen man selten jemandem begegnet.
ÜBERNACHTUNG Es gibt vier größere Hotels im und um den Nationalpark. Familiärer und preisgünstiger sind die zahlreichen Privatzimmer. In Borje, Dreznik Grad und Rakovica finden sich Campingplätze.
VERANSTALTER Ferienwohnungen und -häuser in und um den Nationalpark können über den Münchner Kroatien-Spezialisten i.d.Riva Tours gebucht werden. Übernachtung ab 16 Euro/Pers., Haus ab 40 Euro. Info/Buchung unter Tel. 089/2311000, www.idriva.de.
EINTRITT Der innere Bereich des Nationalparks mit den Seen ist nur über die Eingänge erreichbar. Der Eintritt kostet in der Hauptsaison zwischen 50 Kuna (Kinder ab 7 Jahre) und 110 Kuna (Erwachsene), umgerechnet 6,80 bzw. 15 Euro.
WEITERE INFOS im Internet unter www.np-plitvicka-jezera.hr (auch auf Deutsch), Hier finden Sie auch die Anschriften von Hotels, Campingplätzen und Restaurants. Infos und Broschüren auch über die Kroatische Zentrale für Tourismus, Tel. 089/223344, im Internet: www.kroatien-net.de.