Glücklich gestrandet

Porto Santo - Die Atlantikinsel Madeira hat viele Vorzüge. Doch wer genug hat vom Hotelpool, setzt mit der Fähre nach Porto Santo über. Oliver Bendixen machte Urlaub auf der Mini-Insel im Atlantik.
Porto Santo muss sehr wild sein. Die Dame vom Verkehrsamt, die mich vom Hotel zur Inselrundfahrt abholt, fährt mit dem Landrover vor. Porto Santo muss sehr groß sein. Denn Sofia hat sich viel Zeit genommen, damit wir rumkommen – einen ganzen Tag. „We will have a wonderful day!“, sagt sie. Nach drei Stunden parkt Sofia unseren Geländewagen dann vor dem kleinen Columbus-Museum, zieht die Handbremse und fragt: „Was machen wir jetzt?“ Ich warte auf ihren Vorschlag: „Wir könnten Fisch essen gehen – und dann wieder von vorne anfangen.“ Wir nehmen den schwarzen Degenfisch mit gebratenen Bananen – und verzichten auf Teil zwei. Schon deshalb, weil der bernsteinfarbene Inselwein Verdelho mit seinen 13 Prozent eine gewisse Müdigkeit bereits am Mittag aufkommen lässt.
Reiseführerin Sofia entlässt mich mit einem freundlichen Lächeln und der Versicherung, wir hätten wirklich alles gesehen, was es zu sehen gibt: die Klippen im Norden der Insel, die Windmühlen, den 437 Meter hohen Pico do Castelo , alle 27 Löcher des neuen Golfplatzes und das Columbus-Museum nebst Columbus- Wohnhaus, das allerdings nach Schätzungen von Architekten etwa 200 Jahre nach dem Tod des Amerika- Entdeckers gebaut wurde.
Porto Santo ist eine Insel von charmanter Übersichtlichkeit, eine Art tropisches Lummerland – einschließlich Leuchtturm, den man vom 43 Kilometer entfernten Madeira sehen kann. Obwohl beide Inseln vulkanischen Ursprungs sind und wohl einmal Teil des afrikanischen Kontinents waren, könnte der Kontrast nicht größer sein. Dort die turbulente grüne Blumeninsel mit ihren Hotelburgen, hier das ruhige, karge Inselchen, das im Gegensatz zur felsigen Steilküste Madeiras mit einer beachtlichen Zahl von sandigen Traumstränden gesegnet ist. Auffallend, welch großen Wert man hier auf Ökologie legt. Das Brauchwasser wird aufbereitet und der Müll getrennt. Bezeichnend, dass die meisten weißen Sommerhäuser auf Porto Santo gut situierten Bürgern aus Madeiras Hauptstadt Funchal gehören, die sich hierher vor dem Trubel flüchten. Noch geht das – auch wenn die Regionalregierung des Archipels ehrgeizige Pläne hat. Gut 8.000 neue Hotelbetten sollen auf Porto Santo entstehen – entlang des einzigartigen neun Kilometer langen Sandstrandes, der der größte Schatz der Insel ist. Jeden Morgen muss ich mich neu entscheiden, wenn ich die 200 Meter von meinem Hotel durch die Dünen zum türkisblauen Atlantik geschafft habe. Rechts rum oder links? Um neun Uhr früh kann es passieren, dass einem eine halbe Stunde lang niemand entgegenkommt. Zumindest optisch schwindet die Furcht vor den neuen Hotels, die hier entstehen. Das gerade eröffnete Superluxusresort Colombo’s duckt sich diskret hinter die Düne. Höher als drei Stockwerke darf nicht gebaut werden. Direkt neben dem Hotel entsteht eine Eigentumswohnanlage. Ab 250.000 Euro Einstandspreis darf man bleiben und sich jeden Tag den feinen Sand durch die Zehen rieseln lassen.
Und das bei Durchschnittstemperaturen von 20 Grad, egal ob Winter oder Sommer im Kalender steht. Dem Sand hier wird heilende Wirkung zugeschrieben – bei Rheuma und anderen Erkrankungen unseres Skeletts. „Geomedicine Centre“ heißt der von einem geschmackssicheren Designer in den Garten des etwas in die Jahre gekommenen Porto Santo Hotels gesetzte Spa. Kranke und solche, die es nicht werden wollen, sitzen bis zum Hals im Sand in riesigen Wannen.
Porto Santo - tropisches Lummerland
Warum die Hotelbesitzer erst diesen Wohlfühltempel planten und danach die Renovierung der 60er-Jahre- Zimmer, bleibt eines der Mysterien der Insel – genauso wie der Flughafen. Den legte vor einem halben Jahrhundert die Nato an, als Stützpunkt und Tankbasis zwischen Amerika und Afrika. Streng geheime Militär operationen würden dort vorbereitet, wispern Eingeweihte. Raul Goncalves , der Direktor vom Porto Santo Hotel, weiß es besser: „Die tun dort den ganzen Tag nichts.“ Nicht mal 20 Flugbewegungen innerhalb von 24 Stunden geben ihm recht.

Da sind die Inselhüpfer, die in 15 Minuten Gäste und Einheimische von Madeira nach Porto Santo bringen, schon mitgerechnet. Eine echte Alternative zur zweistündigen Fährfahrt, die auf dem Atlantik manchmal etwas rauh ausfallen kann. Im Sommer gibt es ein paar direkte Charterflüge von Lissabon nach Porto Santo – das war’s dann auch schon. Ruhesuchende Urlauber freuen sich über das Dilemma, in dem der Inseltourismus steckt. Solange es nicht mehr Flüge zum europäischen Festland gibt, zögern Investoren, neue Hotelprojekte in Angriff zu nehmen. Die Airlines aber planen keine zusätzlichen Flüge, weil es zu wenig Hotelbetten gibt. Ein gutes Thema zum Philosophieren, während man am Ponta do Calheto ganz am Ende des Goldstrands im Restaurant Por-do-Sol gegrillten Fisch verspeist. Der Atlantik brettert gegen die Kaimauer. Im Mondlicht sieht die unbewohnte Nachbarinsel mit dem für Nichtportugiesen unaussprechlichen Namen Ilheu de Baixo Ou Da Cal aus, als sei sie gemalt. Die Abendfähre nach Funchal zieht draußen vorbei. Wie schön, dass wir sie auch morgen ziehen lassen können – und übermorgen auch. „Bitte noch einen Verdelho!“
Oliver Bendixen
DIE REISE-INFOS ZU PORTO SANTO
REISEZIEL Der Archipel Madeira setzt sich aus Madeira , Porto Santo und den beiden unbewohnten Inseln Selvagens und Desertas zusammen. Porto Santo liegt 43 Kilometer nordöstlich von Madeira im Atlantik . Die Insel ist etwa elf Kilometer lang und an keiner Stelle mehr als sechs Kilometer breit. Hauptattraktion ist der neun Kilometer lange Sandstrand Campo de Baixo an der Südostküste.
ANREISE Flug von München nach Madeira, z.B. mit Condor, ab 327 Euro hin- und zurück. Von dort weiter mit der Fähre ab Hafen Funchal (zirka zwei Stunden, www.portosantoline.pt) oder per Flug (mehrmals täglich in 15 Minuten mit den kleinen Maschinen der Sata).Von Lissabon und Porto auf dem portugiesischen Festland gibt es saisonweise Direktflüge nach Porto Santo.
REISEZEIT/KLIMA Wie auch auf Madeira wird das Wetter auf der Atlantikinsel Porto Santo von den Winden beeinflusst. Die durchschnittliche Tageshöchsttemperatur schwankt zwischen 19 Grad im Dezember und Januar und 25 Grad im Juli und August.
REISETYP Es gibt sicher Trauminseln, die einfacher zu erreichen sind, auch solche, die mehr zu bieten haben als Porto Santo. Ideal ist das kleine Eiland im Atlantik für Madeira-Urlauber, die nach einem Wanderoder Aktivurlaub auf der strandlosen Vulkaninsel noch einen Badeaufenthalt anhängen wollen.
SEHENSWERT In Vila Baleira ist die Casa de Colombo zu besichtigen, das Columbus-Museum, in dem der Seefahrer auch gewohnt haben soll. Im Osten der Insel bietet der Pico do Facho eine gute Aussicht über die Insel. Im Westen finden sich am Südhang des Pico de Ana Ferreira interessante Basaltformationen.
WOHNEN Das Fünf-Sterne-Hotel Pestana Porto Santo liegt direkt am langen Sandstrand im Südosten Porto Santos. Die Anlage verfügt über 275 Zimmer verschiedener Kategorien in 15 zwei bis dreigeschoßigen Gebäuden. Preise ab 57 Euro pro Person mit Frühstück, Buchbar ist das Hotel direkt im Internet unter www.pestana-porto- santo.comoder über den Portugal- Spezialisten Olimar (www.olimar-hotels.com).
WEITERE INFOS Kostenlose Info-Materialien zu Madeira und Porto Santo kann man über das Portugiesische Fremdenverkehrsamt in Deutschland unter Tel. 0180-5004930 oder unter der E-Mail-Adresse info@visitportugal.com bestellen. Weitere Informationen zu Porto Santo findet man außerdem auf der Homepage www.porto-santo.com , allerdings ausschließlich in englischer Sprache.