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Europa am Ende: Ein Grund zu bleiben

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Das ist das Ende: Das Cabo de São Vicente (im Foto oben links) ist der südwestlichste Punkt des europäischen Festlandes. © J. Stöckl

Im äußersten Südwesten Portugals endet im Küstenstädtchen Sagres nicht nur die Algarve, sondern auch Europa. Die Landschaft, eine gar göttliche Mixtur aus schroff abweisenden Steilküsten...

...und einladenden Sandbuchten, zieht immer mehr Touristen an. Autorin Johanna Stöckl hat vier Auswanderer getroffen, die nach dem Urlaub am Ende Europas regelrecht hängen geblieben sind.

Andreas Bergmann und die Magie des Moments

Der Sonnenuntergang am Cabo de São Vicente fasziniert ihn immer wieder. Auch nach 28 Jahren, in denen Andreas Bergmann aus Bielefeld nun im portugiesischen Küstenstädtchen Sagres lebt, entlockt ihm der untergehende Feuerball ein tiefes Seufzen: „Wenn

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Andreas Bergmann kam 1984 als 30jähriger nach Sagres. Bis heute betreibt er hier die Bar Dromedario. © J. Stöckl

ich hier an der Steilküste stehe und die Sonne im Meer versinkt, fühle ich mich frei.“ Neben ihm sitzt ein junges Pärchen aus England eng umschlungen auf dem Boden und genießt still das Schauspiel, während andere versuchen, die Magie des Moments mit Fotoapparaten, Kameras oder Smartphones festzuhalten. Ein paar besonders Eifrige laden die Bilder auch gleich auf Facebook hoch und schicken einen „Gruß vom Ende der Welt“ ins Netz. „Der Sonnenuntergang am Kap ist einfach Kult“, sagt Bergmann, der sich 1984 im Alter von 30 Jahren unsterblich in die Landschaft am südwestlichsten Ende Europas und in eine hübsche Portugiesin, die hier lebte, verliebt hat. „Mit 30 war ich offen für eine Veränderung.“ Das „sich ziemlich frisch aus der Diktatur gelöste Portugal“ war für Bergmann Reiz genug. Der heute 58-Jährige Auswanderer hat diesen Schritt nie bereut. Seine Cocktailbar in Sagres, das Dromedario, läuft seit der Eröffnung im Jahr 1985 bis heute bombig. „Essen und Trinken geht immer“ sagt Bergmann. 1988 eröffnete er seinen zweiten Laden, die Pizzeria Bossa Nova. Beide gastronomischen Betriebe sind seit jeher feste Institutionen in Sagres. Das Publikum ist eine bunte Mischung aus Touristen und Einheimischen, wobei letztere angesichts der schweren Wirtschaftkrise, die Portugal gerade überrollt, immer weniger Geld zur Verfügung haben. „Junge Portugiesen können sich das Ausgehen kaum noch leisten“.

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Und trotzdem: Bis heute so findet der Vater zweier Kinder, sei die Region rund um Sagres ein Platz mit besonderer Energie. „Die Region ist touristisch nicht so erschlossen und zieht daher keine Massen an. Wer kommt, muss sich mit sich selbst beschäftigen. Und das entspannt bekanntlich.“ Die einzigartige Landschaft inmitten des Costa Vicentina National Parks biete für jeden etwas. Viele kommen zum Wandern, Reiten oder Biken. Die starken Winde entlang der Westküste erzeugen gigantische Wellen und ziehen daher Surfer aus der ganzen Welt an. „Manche“, sagt Bergmann, „kommen auch einfach, um in der Abgeschiedenheit zu meditieren“.

Wolfgang Bald und die letzte Bratwurst vor Amerika

Wolfgang Bald, das spürt man sofort, ist medienerfahren. Unzählige Interviews hat er schon gegeben, und so hat er die eine oder andere standardisierte Antwort und lustige Wortspiele parat. Solche von der Sorte: „Wer anderen eine Bratwurst brät, der hat ein Bratwurst-Bratgerät.“ Sagt er, lacht und streckt einer Kundin aus Deutschland eine Original Nürnberger Bratwurst in der Semmel entgegen. Dazu gibt es für zwei Euro ein Zertifikat, zweisprachig ausgestellt, das bestätigt, dass man am südwestlichen Punkt Europas war.

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Durch Wolfgang Bald hat sich die fränkische und thüringer Bratwurst am Ende Europas etabliert. © J. Stöckl

Balds Imbissstand „Die letzte Bratwurst vor Amerika“ steht in Bestlage direkt am Cabo de São Vicente, kurz vor dem Leuchtturm. 1200 Würste kann er theoretisch pro Stunde auf seinem Grill verbraten. Kommt aber eher selten vor, meint der Nürnberger. Aber immerhin verbrauche er pro Jahr eine Tonne Ketchup und Senf. Die Wurst läuft, und das seit vielen Jahren. Balds Auswanderer-Karriere – ein Klassiker: Nach diversen Reisen im Wohnmobil durch den stillen Südwesten Portugals beschlossen Bald, der in der IT Branche tätig war, und seine Ehefrau Petra 1995 endgültig in Sagres zu bleiben und einen Bratwurststand aufzumachen. „Eine Bratwurst braucht kein Update. Ich hatte von der Computerbranche die Nase gestrichen voll“, gesteht der 60-jährige.

Die Würste, Original Thüringer und Nürnberger, kommen gut an bei den Touristen, weniger aber bei den Portugiesen, die sich nach wie vor lieber von Fisch als von Fleisch ernähren. Wenn man zur letzten Bratwurst vor Amerika eine Cola bestellt, erhält man einen Coupon, den man am Nachbarstand, dem eines Portugiesen, einlösen muss. „Leben und leben lassen“, so lautet Balds Devise. „Ich hatte ein Lagerproblem. Also gebe ich den Getränkeumsatz gerne an meinen Nachbarn ab.“ Am südlichsten Ende Portugals, da hält Europa eben zusammen.

Roman Stern und das Luxushotel für Barfußgänger

Der Schweizer Roman Stern und seine aus Singapur stammende Ehefrau Chitra kamen 2001 frisch verheiratet aus London, wo sie beide für eine internationale Unternehmensberatung tätig waren. In Lagos, etwa 25 Kilometer von Sagres entfernt, sahen die beiden gute Chancen für den Aufbau eines Hotelprojektes. 12 Jahre später leiten die Sterns, mittlerweile Eltern von vier Kindern, das wohl eleganteste Luxusferiendorf Südeuropas.

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Roman und Chitra Stern eröffneten in der Bucht von Martinhal bei Sagres das Familienhotel Martinhal. © J. Stöckl

Roman Stern hatte als geschäftstüchtiger Neuankömmling in Portugal früh bemerkt, dass immer mehr Airlines den nahen Flughafen Faro anpeilten, es aber im ruhigen Westen der Algarve an entsprechenden Hotelkapazitäten mangelte. Also haben seine Frau und er diese auf einem 42 Hektar großen Areal in der zauberhaften Bucht von Martinhal geschaffen. Das Martinhal Beach Resort & Hotel besteht aus 150 Ferienhäusern, die man kaufen oder mieten kann. Das eingegliederte Fünfsternehotel bietet 38 Luxuszimmer. „Natürlich hatten wir auch eine gehörige Portion Glück“, gibt der 43-jährige Schweizer unumwunden zu: „Wir konnten das Projekt in letzter Minute vor der einsetzenden Finanzkrise unter Dach und Fach bringen.“

Sterns Konzept vom Familienurlaub auf Top-Niveau kommt auch bei Paaren ohne Kinder aus ganz Europa sehr gut an und dabei ziemlich lässig daher. „Barefoot Luxury at Martinhal“ erlaubt es dem Gast ganz leger in Flipflops zum Abendessen zu erscheinen. Es reicht schon, dass das Restaurant perfekt gestylt ist...

Sven Engelmann und der Traum von der großen Welle

„Einfach nur surfen und jeden Tag am Strand aufwachen“ wollte Sven Engelmann, als er vor neun Jahren seinen Bus in Sagres parkte. Seinen Job als Krankenpfleger und die Wohnung in Deutschland hatte er gekündigt. Seit sechs Jahren betreibt der 36-jährige Landshuter nun die Warung Bar in Sagres. Der indonesische Name steht, wie er selbst sagt, „auf gut Deutsch für eine gemütliche Kneipe“. Dort bieten er und seine mexikanische Geschäftspartnerin neben frisch zubereiteten Burritos, Tacos und Quesadillas auch deutsche Traditionsgerichte wie Schweinebraten oder Schnitzel an.

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Sven Engelmann wollte einfach nur surfen. Heute hat der 36jährige Landshuter die Warung Bar in Sagres. © J. Stöckl

Vor allem innerhalb der Surfszene ist die Warung Bar eine echte Institution. „Meine Bar kommt auch bei den Einheimischen gut an“, sagt Sven. „Ich fühle mich nicht nur akzeptiert, sondern richtig gut integriert.“ Wozu wohl auch der Fußball seinen Teil beiträgt. Zu wichtigen Spielen oder auch während der Fußballwelt- oder Europameisterschaft baut Sven, der glühender Bayern-Fan ist, eine große Leinwand im Lokal auf. Dann kommen sie zusammen, am Ende Europas: Surfer aus aller Welt, fußballbegeisterte Portugiesen und deutsche Auswanderer.

Die Reise-Infos zu Südportugal

REISEZIEL Sagres liegt im Westen der Algarve, nahe dem Cabo de São Vicente, dem südwestlichsten Punkt des europäischen Festlands. Der Ort mit knapp 2000 Einwohnern liegt im Parque Natural do Sud- oeste Alentejano e Costa Vicentina, einem Naturschutzgebiet, das sich an der gesamten südwestportugiesischen Küste entlangzieht.

ANREISE Regelmäßige Flugverbindungen zwischen München und Faro. Theoretisch kann man auch nach Lissabon fliegen und die Reise mit einem Aufenthalt in der portugiesischen Hauptstadt verbinden (es gibt ein Kombiangebot, buchbar über das Hotel Martinhal).Fahrzeiten vom Flughafen nach Sagres: ab Faro 1,5 Stunden, ab Lissabon 2,5 Stunden.

MIETWAGEN Die Schalter aller gängigen Autovermietungen befinden sich jeweils in der Ankunftshalle des Flughafens Faro oder Lissabon. Bei Auto Europe kann ein Mietwagen der Kategorie A zum Preis von 163 Euro pro Woche gebucht werden. Unter www.autoeurope.de oder der gebührenfreien Hotline 0800/5600333. Wer auf das Auto verzichten möchte, kann die Abholung vom Flughafen auch über das Hotel buchen. Es empfiehlt sich jedoch einen Leihwagen zu nehmen, um die Küstenregion erkunden zu können.

ENTFERNUNGEN Sagres - Martinhal Beach Resort: drei Kilometer Sagres - Cabo de São Vicente: 6,5 Kilometer. Sagres – Aljezur: 43 Kilometer, Sagres – Lagos: 30 Kilometer.

WOHNEN Obwohl das Martinhal als luxuriöses Familienhotel läuft, fühlt man sich auch als Single nicht deplatziert. Achten Sie auf diverse Angebote wie Yoga-Wochen, Bike-Week oder Surfcamps mit einem Profi. Keine Angst vor fünf Sternen: Im Resort geht es lässig zu! Die nahe Küstenstadt Sagres kann per Strandspaziergang erreicht werden. Das jeweils günstigste tagesaktuelle Angebot findet man im Internet unter www.martinhal.com, Infos unter Tel. 00351/282-240200.

STRÄNDE Sagres ist die einzige Region in Portugal mit zwei Küstenlinien, einer Süd- und Westküste. Die Südküste zeichnet sich durch unzählige Badebuchten wie Burgau, Cabanas Velhas, Boca do Rio, Salema, Ingrina, Martinhal, Tonel und Beliche aus. Die Westküste nördlich Cabo de São Vicente ist eine wilde, zerklüftete Küste, die aber über diverse Zustiege zu erreichen ist. Hier finden sich Traumstrände wie Telheiro, Ponta Ruiva, Castelejo, Cordoama, Barriga und Murração.

KULINARIK Dieses Restaurant muss man besuchen! Das Essen, täglich frischer Fisch in allen Variationen, ist köstlich. Der Blick auf den Atlantik einfach umwerfend. Restaurante Sítio do Forno, Praia do Amado, Carrapateira, 8670 Aljezur, Tel. 00351/282-973914.

AUSGEHEN Warung Bar Rua do Mercado, Sagres, Tel. 00351/282-624 432. Dromedario Bar, Avenida Comandante Matoso, Sagres, Tel 00351/282-624219.

WEITERE INFOS Portugiesisches Fremdenverkehrsamt, Berlin, Tel. 030/2541060, www.visitportugal.com.

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