Mit Sicherheit verreisen

Laut Umfragen der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reise wollen die Deutschen auch in diesem Jahr mehr Geld für den Urlaub ausgeben als 2015.
Der Deutsche Reiseverband (DRV) vermittelt trotz Terrorangst und Flüchtlingskrise Optimismus. „Mitnichten ist der Deutsche urlaubsmüde – im Gegenteil: Die Koffer sind gepackt“, sagt Präsident Norbert Fiebig.
Im vergangenen Touristikjahr 2014/15 (Stand: 31. Oktober 2015) freuten sich die Reiseveranstalter über einem Umsatzanstieg von fast vier Prozent auf nunmehr 27,3 Milliarden. 77,1 Prozent aller Deutschen haben im vergangenen Jahr mindestens eine Urlaubsreise von fünf Tagen und mehr unternommen.
Allerdings haben in den ersten Wochen des Jahres 2016 deutlich weniger Bundesbürger ihren Sommerurlaub gebucht als im Vorjahr. Mandy Hosang vom Haderner Reisestudio in München schätzt das Minus auf etwa zehn Prozent. Das Motto in diesem Jahr heißt im doppelten Sinne: Mit Sicherheit verreisen. „Viele Kunden haben wegen der Terroranschläge Sicherheitsbedenken, vor allem Familien sind sehr abwartend. Dazu kommt die aktuelle Flüchtlingssituation und bei Fernreisen wird oft nach dem Zika-Virus gefragt.“ Sie spricht von einem herausfordernden Jahr für die gesamte Reisebranche und vergleicht die Situation mit 2010, als der isländische Vulkan Eyjafjallajökull den Flugverkehr in Europa für Wochen lahmlegte.
„2016 wird eher ein Last-Minute-Jahr. Die Kunden beobachten, wie sich die Sicherheitssituation in den Zielgebieten entwickelt und buchen dann“, sagt Hosang und gibt Tipps: „Wer in politisch sichere Zielgebiete reisen möchte, sollte nicht zu lange warten. In einigen Destinationen wie Italien, Spanien oder Portugal werden die Flugkapazitäten zwar aufgestockt, aber es gibt trotzdem schon jetzt Engpässe.“ Es gebe ganz klar eine Zweiteilung des Marktes. Hier ein Überblick:
Die Gewinner
Ganz klar profitieren können die politisch sicheren Zielgebiete in Europa. Bei den Flugnahzielen verzeichnen bislang besonders Portugal mit 20 Prozent Umsatzplus und Spanien – hier vor allem die Kanaren mit 21 Prozent. Aber auch die Balearen und das Festland mit jeweils vier Prozent Umsatzplus haben spürbar Zuwachs. Italien (plus sechs Prozent) und Bulgarien (plus neun Prozent) legen ebenfalls zu. „Bulgarien wird im preisgünstigen Segment als Ersatz für Ägypten oder Tunesien gehandelt. Auch die Nachfrage nach Kroatien-Reisen ist größer“, sagt Hosang. Profitieren können auch sichere Länder in Skandinavien wie Island, Norwegen oder Dänemark – aber auch Marokko, Irland und Schottland.
Absolut im Trend liegt auch der „Urlaub dahoam“ in Deutschland – hier fühlen sich die Kunden am sichersten. Das ohnehin beliebteste Reiseziel der Deutschen wächst bei den im Reisebüro gebuchten Veranstalterreisen aktuell um 15 Prozent. Besonders beliebt in den Sommermonaten bei Familien: Die Nord- und Ostseeküste. Hier muss man sich für eine Buchung schon beeilen.
Allerdings zieht es die Kunden auch in die Ferne. Der DRV ruft 2016 schon zum „Jahr der Karibik“ aus: Deutlich mehr Gäste zieht es zu den Traumzielen Kuba, Dominikanische Republik und Mexiko. Das Umsatzplus für Kuba beläuft sich bislang für 2016 auf 46 Prozent. Auch die Destinationen Südafrika und Namibia erholen sich von ihren Umsatzeinbrüchen im Zusammenhang mit dem Ebola-Virus in Afrika. Stabile Buchungen gibt es auch für die Fernreiseziele in Asien wie Thailand oder Sri Lanka.
Immer beliebter werden seit Jahren auch Kreuzfahrten – hier gibt es 2016 nochmal ein Umsatzplus von neun Prozent. Ganz klar ist, dass die Deutschen auch in diesem Jahr bereit sind, Geld für Urlaub auszugeben. Laut Marktforschungsinstitut GFK legen die Buchungen über 5000 Euro um satte 13 Prozent zu. Hosang: „Die Schere geht immer weiter auf. Entweder Luxus – oder ganz günstig.“ Wer auch in derzeit politisch unsichere Zielgebiete fährt, kann ein Schnäppchen machen.
Die Verlierer
Ganz klare Verlierer sind in diesem Jahr der große Markt Türkei (2015 reisten etwa 4,2 Millionen Deutsche dorthin), Ägypten und Tunesien. „Die Terror-Anschläge im tunesischen Sousse, im ägyptischen Sharm El-Sheikh mit dem Absturz der russischen Passagiermaschine und in Istanbul mit deutschen Opfern wirken nach“, sagt Sibylle Zeuch, Pressesprecherin des DRV. Die Frage sei jetzt, wie schnell sich die Situation stabilisiere.
„Alles, was in Richtung Krisenregionen geht, wird deutlich weniger als 2015 gebucht. Die Türkei sehr verhalten, Ägypten ein paar Tauchurlauber und Tunesien fast gar nicht mehr. Die Veranstalter schränken deshalb auch ihre Flugkapazitäten deutlich ein“, sagt Hosang. Das gilt auch für bestimmte Regionen in Griechenland, die von der Flüchtlingssituation betroffen sind. Lesbos oder Kos verzeichnen extreme Buchungsrückgänge, bei anderen beliebten Inseln wie Kreta, Rhodos oder Korfu ziehen die Buchungen dagegen an. „Die Leute schauen in Griechenland viel genauer, auf welche Inseln sie fahren können“, sagt Hosang.
Das Thema Sicherheit dominiert ganz klar das Denken der Urlauber – deshalb ist als Reaktion auf die Terroranschläge in Paris auch die Nachfrage nach Städtereisen in die Stadt der Liebe und nach Euro-Disney eingebrochen. „Viele Urlauber, die in die Karibik und nach Amerika fliegen wollen, fragen auch nach dem Zika-Virus“, so Hosang. Das Auswärtige Amt hat aktuell seine medizinischen Hinweise angepasst und rät Schwangeren zum Beispiel von Reisen in populäre Ziele wie Brasilien, Mexiko, die USA, die Malediven, Cape Verde, viele Karibikinseln und Lateinamerika ab.
„Dieses Jahr ist wirklich eine Herausforderung“, sagt Hosang. Vom erhöhten Beratungsbedarf profitieren allerdings die stationären Reisebüros, die 2015 einen Rekordumsatz von 23,7 Milliarden Euro verzeichneten. Auch das ist ein Trend: Zumindest in der Reisebranche ist nicht alles online.
Die Preisentwicklung
Laut DRV gilt zwar der schon ein Jahr vorher kalkulierte Katalogpreis. In der Realität sieht das aber anders aus. „Wir sagen unseren Kunden, dass die Preise im Katalog ein Anhaltspunkt sind – aber in der Realität gelten tagesaktuelle Preise“, sagt Mandy Hosang. Deshalb unser Tipp: Wer ein Schnäppchen machen will, sollte unbedingt Preise vergleichen. Generell gilt auch hier, dass das Verhältnis von Angebot und Nachfrage den Preis bestimmt. Hosang gibt ein Beispiel: „Da gibt es dann zwei Wochen in Tunesien schon mal für gut 400 Euro.“
Von Lars Becker