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Unterwegs mit einer Urlaubsspionin

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Vielleicht haben Sie sie ja auch gerade in Ihrem Urlaubshotel getroffen. Eine harmlose, etwas neugierige Zeitgenossin, die manchmal die komischsten Sachen fotografiert. © dpa/Symbolbild

München - Vielleicht haben Sie sie ja auch gerade in Ihrem Urlaubshotel getroffen. Eine harmlose, etwas neugierige Zeitgenossin, die manchmal die komischsten Sachen fotografiert. Claudia Reuter testet Hotels. Inkognito. Von einer, die auszog, das Haar in der Suppe zu finden.

Türkei, ein Urlaubshotel in der Hochsaison

Fragt man Claudia Reuter nach ihrer typischen Handbewegung, legt sie den Zeigefinger auf eine imaginäre Kante und zieht ihn von rechts nach links. Wer mit ihr unterwegs ist, sieht ihren Finger bestimmt zweimal pro Stunde über Kanten gleiten. Meistens schiebt er dabei ein Häufchen Staub vor sich her. Claudia Reuter (Name geändert) ist Hoteltesterin bei der TUI. Hoteliers können bei dem Veranstalter einen so genannten Mystery Check buchen. Reuter oder einer ihrer Kollegen nimmt das Haus dann unter die Lupe – inkognito.

Meist weiß im Hotel niemand Bescheid – außer dem Auftraggeber. So will er herausfinden, wie seine Leute arbeiten und was er verbessern kann. Reuter und ihre Kollegen sind undercover unterwegs. Ein Mystery Check kostet den Hotelier rund 3000 Euro. Anschließend bekommt er eine Bewertung – nur für sich, nicht für die Öffentlichkeit – sowie Tipps, wenn es irgendwo hapert. Und es hapert immer irgendwo. „Niemand ist perfekt. So ist auch kein Hotel perfekt.“ Das weiß Reuter inzwischen.

Ein Fünf-Sterne-Hotel an der Türkischen Riviera hat TUI um einen Check in der Hauptsaison gebeten. Reuter hat sich für vier Tage eingebucht. Die Gäste, das Personal, auch die Chefs des Hauses sollen sie für einen normalen Besucher halten. Drei Tage testet sie, am vierten Tag gibt sie sich zu erkennen und bittet zum Abschlussgespräch.

Den ersten Tag verbringt die Hoteltesterin wie bei jedem Mystery Check hauptsächlich im Zimmer, auf den Fluren, in den Treppenhäusern und Fahrstühlen. Während sie im Zimmer auf den Kofferträger wartet, legt sie den Finger an den Spion in der Tür. „Hier fehlt die kleine Abdeckung.“ Der Finger fährt ein paar Zentimeter hoch zum elegant in Plexiglas gefassten Fluchtplan. „Oben rechts fehlt die Schraube.“

In einem Fünf-Sterne-Haus sind eben genau solche Details das sprichwörtliche Haar in der Suppe. „Es sind die Kleinigkeiten“, fasst sie zusammen. Manchmal wisse ein Gast gar nicht, warum er eigentlich so unzufrieden ist mit einem Hotel, erklärt Reuter. Benennen könnte der Gast die störenden Details vermutlich nicht – was aber nicht heißt, dass er sie nicht wahrnimmt.

Im Außenbereich ist das Resort picobello sauber. Aber mit der Reinlichkeit auf den Zimmern hat das Haus Probleme. Oberflächlich sieht alles gut aus. Aber Oberflächlichkeit ist nicht gerade Reuters Ding. Sie kniet unter dem Waschbecken im Bad ihres Zimmers und schiebt die Hand über den blanken Marmorboden bis hinten in die Ecke: Da liegen Haare – Reuters Haare. Die hat sie vor dem Frühstück ausgelegt. Am Nachmittag liegen sie noch immer da. Auch die durchsichtige Hülle des Strohhalms vom Trinkpäckchen aus der Minibar liegt noch im Schlafzimmer neben der Stehlampe. Hat das Zimmermädchen gar nicht Staub gesaugt?

Am zweiten Tag trägt die Mystery Checkerin Bikini und Rätselheft. „Jetzt kommt der angenehme Teil meines Jobs“, sagt sie und lässt sich langsam in den Pool gleiten. Sie schwimmt am Rand entlang. „Wo sind die denn jetzt?“ Am Vorabend waren ihr im Poolboden Bleche aufgefallen, die Ansaugrohre verbergen könnten. Immer wieder ertrinken in Hotelpools Kleinkinder, weil der Sog eines solchen Rohres zu stark ist und sie unter Wasser zieht. „Da!“ Sie schwimmt auf ein Blech zu, stellt sich darauf und lächelt. „Saugt nicht. Da bin ich ja beruhigt.“

Und das Rätselheft? Es ruht aufgeschlagen auf Reuters Oberschenkeln, als sie nach dem Pooltest im Halbschatten auf einer Liege im Gras sitzt. Im Rätselheft steckt ihr Notizbüchlein. In die erste Zeile einer Seite hat sie immer einen Bereich des Hotels eingetragen, etwa das Zimmer, die Lobby oder den Außenbereich. Darunter sind Eigenschaften mit Plus- und Minuszeichen versehen: Sauberkeit, Service, Kinderfreundlichkeit und viele mehr. „Ich könnte auch ein Buch mitnehmen, aber es sieht komisch aus, wenn ich darin schreibe.“ Ein paar Kreuzwortfelder sind sogar ausgefüllt. „Manchmal kommt ja auch ein Kellner vorbei.“ Dann rätselt die Inkognito-Testerin wirklich, um nicht aufzufliegen.

Die Notizen trägt sie später in eine Excel-Tabelle ein. Daraus erstellt ein Programm automatisch eine Powerpoint-Präsentation mit Diagrammen, die in Prozentzahlen anzeigen, wie gut ein Bereich abschneidet. 100 Prozent sind top, 0 Prozent heißt durchgefallen. Die Präsentaion zeigt sie ihrem Auftraggeber am vierten Tag, inklusive Verbesserungstipps. In die Folien arbeitet sie ein paar ihrer Fotos ein. Insgesamt macht sie mehr als 300 pro Hotel, viele zeigen ihren staubigen Finger auf einer staubigen Kante.

Zurück in den Außenbereich der Anlage. Um 15 Uhr – der Bikini ist noch nicht ganz trocken – legt Reuter ein Gewehr an, kneift das linke Auge zu und drückt ab. Der Animateur neben ihr muss gar nichts erklären. Sie schießt nicht zum ersten Mal. „Würde ich privat jetzt auch nicht gerade machen.“ Testet sie allerdings ein Hotel, in dem Gewehrschießen Teil des Animationsprogramms ist – und das ist meistens der Fall –, dann greift sie auch zur Waffe.

Beim Gewehrschießen lasse sich erkennen, wie viel Wert das Haus auf Sicherheit legt. Dieses Hotel legt zwar Wert auf Sicherheit, aber bei der Professionalität hapert es. Einen echten Schießstand gibt es nicht. Der Animateur hat ein Blatt Papier mit aufgedruckter Zielscheibe an eine große Stellwand gepinnt, die mit weichem Schaumstoff gepolstert ist.

Die Testerin versucht, in den drei Tagen alles unter die Lupe zu nehmen, was der Durchschnittsgast nutzt. Im Business-Center stehen kostenlos Computer mit Internet bereit. Prinzipiell gut, aber: Kostenlos heißt, dass auch Kinder sie einfach benutzen können. Eine Kindersicherung sei daher wichtig, findet die Testerin. Ob das der Fall ist, überprüft sie auch schon mal mit einem Besuch auf einer Pornoseite.

Und dann gibt die Hoteltesterin ein letztes Geheimnis ihrer Undercoverarbeit preis: Daniel. „Ich glaub zumindest, er heißt Daniel“, sagt sie grübelnd. Ihr erfundener Begleiter hat gebucht, ist aber nicht gekommen. „So schaue ich, wie flexibel sie auf Änderungen reagieren.“ Auch falle sie weniger auf, wenn sie für zwei Personen bucht. Daniel versetzt sie jedes Mal.

Johanna Uchtmann

Wege zum Spion - ein Interview

Ein Interview mit Britta Fahl, Leiterin der Abteilung Quality Management der TUI:

Frau Fahl, wie wird man Mystery-Checker für die TUI? Kann man sich dafür bewerben?

Unsere Hoteltester kommen alle aus den Bereichen Ferienhotellerie oder dem Dienstleistungs- und Servicebereich (z.B. Reiseleitung, Servicekraft etc.). Das heißt die Tester verfügen alle über langjährige Berufs- und Lebenserfahrung. Das ist wichtig, um die Hotels richtig einschätzen zu können. Eine direkte Bewerbungsmöglichkeit gibt es aktuell nicht. Alle Stellen sind besetzt. In erster Linie werden die Positionen mit erfahrenen Fachleuten besetzt, die seit langem im Bereich Ferienhotellerie oder in der Reiseleitung arbeiten.

Welche Kriterien muss ein Mystery Checker erfüllen? 

Die Hoteltester haben zwar einen Fragenkatalog an dem sie sich orientieren können, benötigen aber auch selbst eine hohe Affinität zum Thema Reisen und Ferienhotellerie. Sie müssen also wissen, was sich ein TUI Gast in seinem Urlaub wünscht. Die Lebenserfahrung ist auch deshalb wichtig, da die Hoteltester beim Abschlussgespräch mit dem Hotelbesitzer oder –leiter in direkten Kontakt treten und mit ihm über die Verbesserungsmöglichkeiten sprechen. Je nachdem in welchem Land die Hoteltester eingesetzt sind, ist deshalb fließendes Englisch oder Spanisch wichtig (auch Fachbegriffe). Die TUI Hoteltester bekommen zusätzlich eine Schulung bevor sie ins Zielgebiet reisen.

Wie sind die Konditionen? 

Bekommen diese Checker die Reise bezahlt oder reisen sie zu Sonderkonditionen? Die Kosten für die Checks werden von den überprüften Hotels getragen. Die Kosten für den Hotelier liegen bei ca. 3000 Euro (zzgl. Reisekosten). Die Auftragserteilung erfolgt in der Regel 1-3 Monate vor dem Check. Für den Checker selbst, läuft der Test wie eine Dienstreise und wird auch so verbucht.

Seit wann gibt es die Mystery Checks und haben sie qualitativ etwas gebracht?

Die Hotelchecks werden seit rund fünf Jahren bei TUI durchgeführt und sind qualitativ sehr wirkungsvoll.

Wie viele Mystery-Check-Einsätze gibt es pro Saison? 

In der Regel werden zwischen 400 und 500 Hotels jährlich überprüft. In Qualität zu investieren zahlt sich für den Hotelier wirtschaftlich aus. Hotels mit einer Gästezufriedenheit von über 95 Prozent verzeichnen Buchungszuwächse von über elf Prozent.

Welches sind die Schwerpunkt-Länder dafür? 

Die meisten Checks erfolgen in den großen Urlaubszielen auf der Mittelstrecke, vorwiegend in der Türkei und Spanien, aber auch auf den Kapverden und in Ägypten

Wie hoch ist die durchschnittliche Zufriedenheitsquote oder anders gefragt: Wieviel kommt prozentual gesehen an Beantandungen zusammen? 

Sauberkeit, Präsentation des Essens, Zustand des Fitnessbereichs, Service an der Rezeption sowie Sprachkenntnisse des Personals haben am häufigsten einen Optimierungsbedarf. Die Haupt-Zufriedenheitstreiber sind Service/Personal (19%), Qualität/Geschmack der Speisen (15%), Zustand/Einrichtung Hotel/Anlage (13%).

Interview: Christine Hinkofer

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