Die Mutter Lehrerin, der Bub Torjäger bei der BSG Taufkirchen

Der Fußball half ihren Kindern bei der Integration, jetzt gibt Alona Shramko ihre Dankbarkeit zurück.
Taufkirchen – Da sitzt er nun, wo sich einst sein berühmter Landsmann Anatolij Tymoschtschuk vor und nach jedem Spiel umgezogen hat. Nein, Ivan Shramko hat es noch nicht zum großen FC Bayern geschafft, „aber er ist ein sehr guter Fußballer“, sagt Tommy Parapanis, „ein außergewöhnlich guter“. Er muss es wissen, denn er war Ivans erster Trainer in Deutschland. Ein Jahr ist das nun her, als über den Achtjährigen, seinen Zwillingsbruder Dima, seine Schwester Julia (17) und seine Eltern in ihrer Heimatstadt Achtyrka die Katastrophe hereinbrach.
23. Februar 2022: Die russische Armee überfällt die Ukraine. „Unsere Stadt ist schon am ersten Tag angegriffen worden. Von Beginn an fielen Bomben“, erzählt Alona Shramko vom Chaos unter den 60 000 Einwohnern. Bombenalarm, russische Kampfflieger – „es war so schlimm“, sagt sie. Knapp drei Wochen harren sie aus, dann entschließt sich die Familie zur Flucht. „Wir sind in unser Auto, wussten aber erst mal gar nicht, wo wir hin sollen.“ Ihr Weg führt sie über Kiew, wo Alona ihre Mutter, ihre Schwester und deren beiden Kinder trifft. Diese fahren per Bus nach Polen und schließlich nach Bayern. Alona, ihr Mann Volodymir und die drei Kinder sind mit dem Auto ebenfalls auf dem Weg dorthin.
„Das war eine „Nacht-und- Nebelaktion“, erinnert sich Daniel Helmecke. Er ist Verwaltungsleiter in den Pfarrverbänden Dorfen und Taufkirchen. Gemeinsam mit Renate Bauer und weiteren Ehrenamtlichen hat er ein Netzwerk aufgebaut, um schnell und unbürokratisch zu helfen. So schnell, dass die Kriegsflüchtlinge schon an der ukrainisch-polnischen Grenze von Renate Bauer und Pawel Kruczek abgeholt werden und schließlich am nächsten Tag in Taufkirchen sind.
Helmecke erinnert sich an die Ankunft der Shramkos, an die traumatisierten Kinder, die entschlossenen Frauen. Ivans kleiner Cousin, der dreijährige Platon, habe sehr viel geweint, erzählt Helmecke. „Überhaupt haben die Kinder anfangs sehr viel geweint. Sie haben sich gar nichts getraut. Aber das wurde Woche für Woche besser.“
Die Shramkos kommen in einer Wohnung in Taufkirchen unter. Schnell finden die Kinder Anschluss. Das liegt nicht zuletzt am Fußball. „Im Sport funktioniert nun einmal die Kommunikation am besten“, meint Helmecke, selbst Jugendleiter beim SVE Berglern. „Nach kürzester Zeit waren die Kinder integriert.“
Das bestätigt auch Parapanis. „Daniel hat mich damals angerufen und mir von den beiden Brüdern erzählt. Natürlich haben sie bei mir gleich in der Halle mittrainieren können. Das war doch gar keine Frage“, sagt Paraapanis, der gemeinsam mit Ole Böttcher die F-Jugend der BSG Taufkirchen coacht. „Und natürlich haben meine Jungs die beiden gleich aufgenommen. Das hat von Beginn an funktioniert.“
Das findet auch Mama Alona, die anfangs auch im Training dabei war und sich alle Spiele anschaut. Dima und auch Schwester Julia, die ebenfalls mit dem Kicken begonnen hatte, haben inzwischen wieder aufgehört. „Sie haben andere Interessen, aber Ivan ist ganz begeistert dabei. Er schießt auch viele Tore.“
Ein großes Highlight sollte ein Fußballturnier in der Münchner Allianz Arena werden. „Dann hat es leider geregnet, und das Turnier musste ausfallen“, bedauert Parapanis. „Aber wir waren trotzdem dort, haben eine Führung bekommen. Und so durfte Ivan auch in die Bayern-Kabine.“ Längst sei Ivan ein ganz normales Mitglied der BSG-Mannschaft – inzwischen in der E 3. Beim Reden halte er sich noch zurück, „aber er versteht inzwischen das meiste“, sagt Alona Shramko. Sie selbst spricht sehr gut Deutsch. So gut, dass sie inzwischen als Lehrerin in der Mittelschule Unterricht für ukrainische Kinder gibt. „Sie ist enorm sprachbegabt“, sagt auch Helmecke, der den Kontakt nie abreißen ließ.
Die Shramkos haben sich gut eingelebt in Taufkirchen. Speziell mit einem griechischen Zwillingspaar hätten sich Ivan und Dima sehr gut angefreundet. Jetzt müsse nur noch ihr Mann eine Arbeit finden, meint Alona Shramko.
Dann wäre alles perfekt? Natürlich nicht. Die 40-Jährige blickt auch zurück in ihre Heimat. Ihr Ehemann habe ganz fest vor, wieder zurückzukehren. Und sie selbst? Das sei eine Frage, die sie heute noch nicht beantworten kann, sagt die Lehrerin. Sie fühle sich sehr wohl im Landkreis Erding und sehe es auch als ihre Aufgabe an, anderen bei der Integration zu helfen. „Aber was noch kommen wird, können wir jetzt noch nicht sehen.“
Zu Gast in der Allianz Arena
Der Ehemann will irgendwann zurück