Stirbt der Fußball beim TSV Erding?

Eine neue Chance für den Fußball oder das Ende der früher mal wichtigsten Abteilung im ältesten Sportverein der Stadt: Das sind die zwei Perspektiven der Fusion mit Rot-Weiß Klettham.
Erding – Beide taten sich bei der Abteilungsversammlung der Fußballer des TSV am Donnerstag auf. Und das sorgt selbst in Familien für Diskussionen. „Der TSV wird 200 Mitglieder verlieren“, schätzte Günter Sandner. „Des is a bisserl viel, Bap“, entgegnete sein Sohn Ralf, bekam aber als Antwort: „Das ist eher eine niedere Grenze. Wir haben ja 400 bis 450 Mitglieder.“
Die Sandners sind nicht irgendwer in der TSV-Fußballabteilung, die sich seit der Fusion mit dem Sportclub im Jahr 1998 FC Erding nennt. Beide waren herausragende Fußballer, danach Lenker der Abteilung – durch gute und durch schlechte Zeiten. Sohn Ralf hat die Sparte gerade durch besonders schwierige Zeiten geführt, wie er nun vor 46 Mitgliedern berichtete. Vor eineinhalb Jahren war die Erste aus der Kreisliga abgestiegen. 25 Spieler hätten damals den Verein verlassen. „Wir sind freiwillig in die A-Klasse gegangen, haben die Zweite abgemeldet.“ Es folgte eine „harte Saison, wir waren lange hinten, wurden Zehnter bei 13 Teams, hatten aber zwölf Punkte Vorsprung vor dem Absteiger“.
Danach ging es langsam aufwärts. Sandner: „Wir haben wieder eine Zweite, die uns viel Freude macht.“ Und die Erste stehe nach Fehlstart, Siegesserie und drei abschließenden Niederlagen mit Platz sechs und „einem Riesenvorsprung nach unten“ solide da. Allerdings sind es auch schon 15 Punkte auf Platz zwei. „Niemandsland der Tabelle“, nannte der Abteilungsleiter das.
Ein ähnliches Bild gibt laut Jugendleiter Lothar Feuser der Nachwuchs ab. „Sportlich war es überschaubar. Wir haben in jedem Jahrgang eine Mannschaft. Bei der A-Jugend mussten wir eine Spielgemeinschaft mit Eichenkofen eingehen, weil von den zwölf Spielern, die wir seit der D-Jugend hochgezogen haben, plötzlich nur noch fünf da waren.“ Die JFG Sempt Erding bezeichnet Feuser als „Erfolgsgeschichte“. Im Bereich der D- und C-Jugend sei man mit Altenerding auf Augenhöhe. „Teilweise haben wir sie sogar überholt.“
Positive Zahlen hatte auch Kassier Kurt Müller parat, der von einem Kassenstand von 26 800 Euro berichtete. Bei Einnahmen in Höhe von rund 76 700 Euro habe man im Jahr 2021 ein Plus von gut 9000 Euro erwirtschaftet.
„Wir hören, dass alles wieder relativ gut läuft“, sagte Wolfgang Schaffel, altgedientes TSV-Mitglied. Warum sei es dann nötig, dass alle Fußballer den Verein verlassen?
Eben das hatte Sandner nämlich zuvor angekündigt: „Wir werden uns zum 1. Juli 2023 mit Klettham zum FC Herzogstadt Erding zusammenschließen. Jugend, Herren und AH unter dem Dach von RWK.“ Seit Monaten liefen Gespräche, der Hauptverein sei informiert, auch die Stadt Erding, der Fußballverband sowie alle Mitglieder, die man per E-Mail erreichen konnte. Am 2. Februar werde es dann gemeinsam mit dem RWK eine Informationsveranstaltung dazu geben. „Da muss dann bereits alles stehen: Trainer, Kader, Abteilungsführung“, sagte Sandner, der sich selbst als „großen Verfechter von solchen Fusionen“ bezeichnet.
Ganz im Gegensatz zu TSV-Präsident Rainer Winter. „Der Hauptverein verliert dadurch viele Mitglieder. Das schwächt uns gegenüber Stadt und Landkreis, wenn es zum Beispiel um Zuschüsse geht.“ Der Abfluss an Finanzkraft bedeutet weniger Einnahmen für den Hauptverein, was auch deren Projekte gefährde. Winter weiter: „Viele Unternehmen haben sich aufgesplittet, zentralisieren sich aber jetzt wieder, damit sie schlagkräftig bleiben.“ Er rate davon ab, sich immer kleiner zu machen statt als Gemeinschaft aufzutreten.
Aber gerade, weil man größer werden will, komme es ja zur Fusion, entgegnete Sandner. „Mit zwei Fußballabteilungen hast du mehr Masse, was zwangsläufig auch zu mehr Klasse führen wird.“ Auch die Sponsorenakquise werde einfacher. „Außerdem hat Klettham sehr gute Funktionäre.“ Damit würde das Team aus fünf, sechs rührigen eigenen Leuten auf zehn bis zwölf wachsen. Natürlich führe er gern die Abteilung, „aber so richtig super Spaß macht es erst wieder, wenn wir zusammengehen“, machte er deutlich.
„Und warum kommt nicht Klettham zu uns?“, wollte Winter wissen. Die erste Idee sei gewesen, mit den Rot-Weißen einen reinen Fußballverein zu gründen, sagte Fußballvize Edib Mehmedovic. Die verbandsrechtlichen Hürden wären aber so hoch gewesen, „dass wir das bis zum Sommer nie geschafft hätten. Außerdem hätten wir wieder in der C-Klasse anfangen müssen“. Mit Klettham hingegen steige man sofort in die Kreisklasse ein. Mit Erding als federführendem Verein wäre es die A-Klasse gewesen, „da hätte Klettham nicht mitgemacht“, so Sandner.
Winter bedauerte die Entscheidung der Abteilung und machte nochmal die Tragweite klar: „Kein Fußball mehr beim TSV Erding. Das ist“ , er machte eine lange Pause, „das ist doch ein Volkssport“. Der Hauptverein habe keine Möglichkeit, den Austritt zu verhindern. Winter betonte aber auch: „Die Türen stehen euch nach wie vor offen.“
Indes ist noch nicht sicher, ob mit der Fusion auch die Abteilung des TSV endgültig tot ist. „Wir haben ja auch eine Boxabteilung ohne Boxer“, meinte Kassier Müller. Bei den Kickern hängt jetzt vieles davon ab, ob die beiden AH-Mannschaften eventuell beim TSV bleiben. Da ist laut AH-Manager Robert Kustermann noch keine Entscheidung gefallen.. Einen Kommentar zu den Plänen gibt‘s hier.