Copado attackiert Augenthaler: Vor dem Derby kracht's in Haching

Unterhaching - Vor dem Derby mit dem FC Bayern II geht es beim Klub vor den Toren Münchens noch mehr drunter und drüber als in den bewegten Monaten zuvor. Vor allem in der Beziehung Copado/Augenthaler kracht es gewaltig.
Torben Hoffmann, 36, hat schon viel erlebt im Fußball. Und da er eine stattliche Zeit seiner Karriere beim TSV 1860 zugebracht hat, liegt die Vermutung nahe, dass dem guten Mann der konsequente Flirt mit dem Chaos vertrauter ist als einigen anderen seiner Zunft. Im vergangenen Sommer ist zur SpVgg Unterhaching gewechselt, dort, im beschaulichen Münchner Vorort, soll seine Karriere ausklingen. Soweit der Plan. Doch das mit dem beschaulich, das ist Pustekuchen. Ja, sagt Hoffmann, das habe ihn selbst überrascht. „Man hat ja immer gehört: Haching, das ist familiär, ruhig, da gab es nie Skandale - aber das letzte halbe Jahr hier ist ganz schön was los gewesen.“ Ein Ende der Turbulenzen ist nicht in Sicht. Im Gegenteil.
Vor dem Derby heute mit dem FC Bayern II (Grünwalder Stadion, 19 Uhr) geht es beim Klub vor den Toren Münchens noch mehr drunter und drüber als in den bewegten Monaten zuvor. Sportdirektor Francisco Copado hat in der „AZ“ Trainer Klaus Augenthaler harsch attackiert, ihm unter anderem Kommunikationsschwächen vorgeworfen und dabei gleich das Verhältnis der beiden sportlich Hauptverantwortlichen als nicht existent erklärt. Man kann nur den Kopf schütteln, wie sich der früher so solide Verein entwickelt hat, inzwischen taucht er auf dem Radar der öffentlichen Wahrnehmung lediglich noch auf, wenn es rund um die sportliche Leitung kracht. „Ich habe hier seit Saisonbeginn praktisch tagtäglich mit Problemen zu kämpfen“, sagte Augenthaler, als er auf Copados Schüsse in den Rücken angesprochen wurde. „Ich ärgere mich nicht mehr.“
Auf den Coach dürfte die Attacke seines Vorgesetzten wie eine Sprengfalle im eigenen Wohnzimmer wirken. Copado hatte den Weltmeister von 1990 im letzten Frühjahr neben großen Plänen ins Boot geholt, inzwischen verrichtet der Trainer zwar bemüht seinen Dienst, von den großen Plänen entpuppte sich allerdings einer nach dem anderen als Seifenblase. Tiefpunkt der Entwicklung war die Liaison mit dem dubiosen Geschäftemacher Franco Levis, der mittlerweile in Österreich festgesetzt worden sein soll. Kapitän Hoffmann erinnert sich bis heute mit Grausen an Tage der Unsicherheit: „Wir haben junge Spieler, wir haben Spieler mit Familien - da kann man so eine drohende Insolvenz nicht einfach ausblenden. Wenn da einer sagt, konzentriert euch auf Fußball, das ist mir zu platt“, sagt der Routinier. „Während des Spiels denkst du da zwar nicht 90 Minuten daran, ob jetzt bald die Lichter ausgehen, aber irgendwann kommst du wieder zur Ruhe - und dann kommen zwangsläufig die Gedanken.“
In Phasen der Grübelei hat sich Augenthaler als verlässlicher Pol bewährt, Hoffmann lässt kaum Zweifel an der Loyalität zum Coach zu: „Die Mannschaft steht sehr eng zum Trainer.“ Den Vorwurf, ein Kommunikationsmuffel zu sein, kann er nicht teilen: „Mit uns hat er eine wahnsinnig gute Kommunikation, er stellt sich immer schützend vor das Team, legt aber in den Analysen den Finger in die Wunde.“ Dass es plötzlich kracht, hält der Verteidiger für „den absolut falschen Weg. Das ist Aktionismus, der uns nicht weiterhilft. Wir müssen in dieser Phase viel eher zusammenstehen.“
„Es geht hier nicht um Copado oder Augenthaler - es geht um den Verein“, erklärte Augenthaler. „Ich werde weiter versuchen, meine Kraft zum Wohle der Mannschaft einzusetzen.“ Nach dem 0:4 gegen Erfurt und den harten Worten des Sportdirektors ist der Coach mehr denn je unter Siegdruck, obwohl er selbst an der Entwicklung bei weitem nicht den größten Teil der Schuld schultern muss. Die Zusammenstellung des Kaders, finanzielle Stabilität und Außendarstellung des Vereins fallen nicht ausschließlich in sein Aufgabengebiet, er stehe aber stets mit Rat und Tat zur Seite. „Zur Kommunikation gehören immer zwei - und ich bin jeden Tag eigentlich zwei Mal im Sportpark“, lautete sein süffisanter Konter auf Copados Vorwürfe. „Es ist schade, dass wir uns das Leben selbst schwermachen.“
Der Haussegen hängt beträchtlich schief, weit schiefer als beim heutigen Gegner, obwohl die Reserve des Rekordmeisters am Tabellenende festsitzt. „Ich denke, die Bayern stehen wesentlich mehr unter Druck als wir“, sagte Augenthaler, „aber eines ist auch klar: Mit einer Leistung wie in Erfurt werden wir gegen die nicht bestehen. Da war ich das erste Mal richtig sauer.“
Hoffmanns Gedanken wandern zurück zur nächtlichen Busfahrt nach München. Fünf Stunden dauerte die Tour, um drei Uhr früh kletterte man im Sportpark aus dem Gefährt. „Wir dürfen uns nicht rausreden: Wir Spieler sind gefordert. An unserer Lage gibt es nichts zu beschönigen.“
von Andreas Werner und Klaus Kirschner