Eishockey-Star Moritz Müller: „Ich helfe mit meinem Netzwerk und meiner Reichweite“

In einer normal gebliebenen Welt würde Moritz Müller jetzt Eishockey spielen und sich auf die Weltmeisterschaft in der Schweiz vorbereiten. Doch in Corona-Zeiten setzt der 33-Jährige von den Kölner Haien, mit der Nationalmannschaft Silbermedaillengewinner von Pyeongchang, andere Prioritäten. Er hat eine Hilfsplattform für Unternehmen gegründet und ist in bereits 20 Städten mit www.localoos.de aktiv. München soll bald folgen.
Mo Müller, Sie haben die Plattform ja fast aus dem Boden gestampft. Die Idee werden Sie aber sicher schon länger gehabt haben.
Ich versuche selbst, nach gewissen Werten zu leben und vor allem lokal einzukaufen, so gut es geht. Perfekt bin ich nicht, auch ich bestelle noch zu viel bei Amazon. Den Gedanken einer Plattform für den lokalen Einkauf hatte ich schon länger, ja. Als ich dann den Bäcker Bosselmann aus Hannover sah, der bei Facebook mit seinem kurzen Film, in dem er die Nöte seiner Branche schilderte, viral ging, habe ich gedacht: Jetzt ist der beste Zeitpunkt, etwas zu machen. Wenn die Krise vorbei ist, sind sonst vielleicht auch die Läden verschwunden. Der Bäcker Bosselmann bekam viel Zuspruch, doch was ist mit den 99 Prozent anderen, die keinen Weg an die Öffentlichkeit finden? Viele haben keinen Onlineshop und keine Reichweite.
Was bieten Sie den Unternehmen nun an?
Sie können sich registrieren, das kostet nichts, können sich auf der Website vorstellen und ihre Probleme schildern. Wer glaubt, helfen zu können, kann das tun. Es sind schon die ersten Synergien entstanden. Da hatte einer gerade Zeit, der zweite einen Lieferwagen – und sie haben für den dritten was ausgefahren. Manche können nun auf ihre Lagerbestände aufmerksam machen, andere Gutscheine für die Zeit nach der Krise verkaufen.
Klingt nach viel Arbeit für Sie. Müssten Sie aber schon gewohnt sein, weil Sie ja neben Ihrer sportlichen Laufbahn auch ein Studio für Functional Fitness betreiben und schon Unternehmer sind.
Das Studio darf ich derzeit wegen der Corona-Beschränkungen nicht öffnen. Wie viel Zeit Localoos in Anspruch nehmen würde, habe ich unterschätzt. Ich habe fünf, sechs Freunde eingebunden, die programmiert und die Website gebaut haben, ich musste zum Finanzamt, musste eine Satzung schreiben für den Verein. . .
Auch wenn Ihnen viele ehrenamtlich helfen – es fallen sicher Kosten an für die ganze Technik.
Die strecke ich vor.
Wie bekommen Sie es hin, dass Localoos expandiert?
Ich nutze mein Netzwerk. Ich kenne viele Sportler, die spreche ich an. Vom 1. FC Köln sind Simon Terodde und Mark Uth dabei, vom KFC Uerdingen Dominic Maroh, von Union Berlin Felix Kroos. Und Leon Draisaitl, unser Kölner NHL-Star in Edmonton, will auch helfen. Jeder wird ein Stück beitragen, etwas aus der Kategorie „money can’t buy“. Unter allen, die in den nächsten sieben Tagen für mindestens zehn Euro etwas kaufen, verlosen wir dann unsere Trikots, Schuhe oder was wir anzubieten haben. Und wenn wir es schaffen, auch Geschäfte in München anzusprechen, werden wir Münchner Sportler auf das Projekt aufmerksam machen. Was wir betreiben, ist B2B, Business to Business, es kostet nichts und schadet nicht.
Gibt es eine Vision für Ihre Plattform nach der Corina-Krise?
Ich wünsche mir, dass wir ein paar Tausend Unternehmen auf der Seite stehen haben und daraus ein regionaler und CO2-neutraler Onlinestore wird, in dem man in einem Umkreis von 50 Kilometern bestellen kann. Denn wozu ein Plastikrad 8000 Kilometer aus China kommen lassen, wenn ein Schreiner aus Schwabing für fünf Euro mehr eines aus Holz herstellt? Dann brauchen wir die Umwelt nicht zu verpesten.
Ihr Engagement ist derzeit nur dadurch möglich, dass Ihnen das Eishockey genommen wurde.
Da bin ich auch zwiegespalten. Normal wäre ich jetzt in der WM-Vorbereitung, wir hätten Länderspiele. Es ist komisch, das nicht ausüben zu können. Aber ich sage mir auch: Eishockey ist noch in der angenehmsten Situation, weil wir zumindest die Hauptrunde abschließen konnten.
Den kleinen Seitenhieb dürfen wir anbringen: Im Nachhinein erscheint es nahezu seherisch, dass Sie mit den Kölner Haien als Elfter in der DEL die Playoffs verpasst haben.
Ironisch könnte man sagen: Wenn es jemals eine Saison gab, um die Playoffs zu verpassen, dann war es diese.
Interview: Günter Klein