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So hat der FC Bayern früher getrickst: „Machenschaften weit jenseits der Legalität“

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Von: Jonas Austermann

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Der ehemalige Bayern-Manager Robert Schwan (r) sitzt Pfeife rauchend auf der Ehrentribüne im Gespräch mit Uli Hoeneß.
Der ehemalige Bayern-Manager Robert Schwan (r) sitzt Pfeife rauchend auf der Ehrentribüne im Gespräch mit Uli Hoeneß. © dpa / Hartmut Reeh

Der Historiker Hans Woller hat sich mit der Vergangenheit des FC Bayern beschäftigt und dabei Schlimmes zutage gefördert. In den 60er–und 70er-Jahren waren Schwarzgeldzahlungen gang und gäbe.

München - In Zeiten des Irrsinns auf dem Transfermarkt hat sich der FC Bayern einen Ruf als vernünftig wirtschaftender Klub erarbeitet. Nur in Notfällen rührt der Klub Gelder an, die ihm nicht gehören. Präsident Uli Hoeneß prägte in seiner Ära den Begriff des Festgeldkontos. Das Motto: Es wird nur ausgegeben, was da ist. Doch das war nicht immer so. Einst taten sich beim deutschen Vorzeigeklub große finanzielle Abgründe auf – mit unlauteren Mitteln hielt der FCB Stars wie Gerd Müller oder Franz Beckenbauer an der Säbener Straße. Das gesamte Ausmaß enthüllt Historiker Hans Woller in seinem Buch Gerd Müller oder Wie das große Geld in den Fußball kam, das am 15. Oktober im Verlag C.H.Beck (Der Verlag schreibt sich wirklich so) erscheint. Die tz fragte beim 67-jährigen Autoren nach.

Knallharte Abrechnung mit dem FC Bayern und der Politik im Freistaat

Woller, der von 1980 bis 2017 im Münchner Institut für Zeitgeschichte arbeitete, macht gleich zu Beginn klar: Er sei kein Bayern-Fan, aber ein „hartnäckiger und bewährter Sympathisant“. Vor allem Gerd Müller, der Bomber, hatte es ihm angetan. Woller erklärt: „Mit ihm verbindet mich eine Art sozialer Verwandtschaft. Er kommt aus kleinen Verhältnissen, und ich auch. Wir beide sind soziale Aufsteiger, Gerd Müller natürlich in ganz anderen Dimensionen als ich.“

Müller hatte das Glück – oder das Pech – in einer Zeit zur Fußball-Ikone heranzuwachsen, in der sich die Branche in einem Umbruch befand. In den 60er–und 70er-Jahren wurde der Fußball vom Amateur- zum Profisport. Und mittendrin der FC Bayern. Links und rechts überholten nationale und internationale Konkurrenten den damals noch klammen Klub. Stars wie Müller oder Beckenbauer wurde mit horrenden Gehältern der Kopf verdreht. Wollers Buch ist keinesfalls eine einseitige Lobhudelei auf den bayerischen Bomber geworden, sondern in Teilen eher eine knallharte Abrechnung mit dessen Arbeitgeber und der Politik im Freistaat. Der Autor: „Ich als Historiker musste erzählen, wo die Bayern das Geld aufgetrieben haben, um diese erfolgreiche, aber sehr teure Mannschaft zu finanzieren.“

Probleme mit zu wenig Geld haben die Bayern heute nicht mehr. Regelmäßig werden neue Rekordumsätze in Millionenhöhe verzeichnet. So auch in der Saison 2018/19.

FC Bayern: Schwarzgeldzahlungen und Steuerhinterziehung unter den Augen der CSU

Im Buch heißt es: „Machenschaften weit jenseits der Legalität waren im Fußball an der Tagesordnung. Konkret hieß das: Schwarzgeldzahlungen und Steuerhinterziehung unter den Augen der CSU und der bayerischen Staatsregierung, die sich eine prächtige politische Dividende aus ihrer Nähe zum Fußball versprachen und deshalb [...] nicht nur schwiegen, sondern [...] systematisch Vorschub leisteten.“ Woller zeigt auf, dass die Vereinsführung um Manager Robert Schwan pro Saison rund 350.000 DM Schwarzgeld benötigte, um die Stars zu halten. Außerdem wurden Steuernachzahlungen erlassen.

Nach den sehr lukrativen Auslandsreisen wurden die Münchner Stars damals auf dem Rückflug mit Briefumschlägen bedacht. Und darin befand sich kein nettes Schreiben. Probleme mit dem Zoll? Gab es nicht! „Für den Fall einer drohenden Kontrolle hatte man politischen Begleitschutz in Gestalt von Staatssekretär Erich Kiesl aus dem Innenministerium“, erklärt Woller in dem Buch. Eben jener Kiesl soll „auf einer der vielen Rückreisen den verdutzten Zöllnern auf dem Münchner Flughafen erklärt haben: ‚Ich bin der Staatssekretär Kiesl und das ist der FC Bayern München – also lasst uns durchgehen.‘“

Historiker Woller: „Was ich jetzt zutage gefördert habe, ist die Spitze eines Eisbergs“

Harter Tobak. Woller gibt zu: „Als ich mit der Recherche begonnen habe, wusste ich von den Verwicklungen des FC Bayern natürlich das eine oder andere. Dass es solche Dimensionen angenommen hat, war mir ehrlich gesagt nicht klar.“ Er habe den damaligen FCB bewundert, aber jetzt sei „etwas der Lack abgesprungen“. Ganz klar ist für den 67-Jährigen: „Das, was ich jetzt zutage gefördert habe, ist die Spitze eines Eisbergs. Das gilt aber nicht nur für den FC Bayern, sondern – glaube ich – für die gesamte Bundesliga im Übergang vom Amateur- zum Profifußball.“ Und Woller ist sich sicher: Die Fußballer wussten davon.

Der Historiker schafft es in seinem Werk, den Aufstieg Gerd Müllers aus einer Familie von „Habenichtsen“ im schwäbischen Nördlingen bis hin zum FCB und die Münchner Schickeria zu beschreiben, samt des USA-Wechsels und dem Sturz in die Alkoholsucht. Dafür sprach der Historiker u. a. mit 60 Zeitzeugen – darunter Uschi Müller, die Frau von Gerd („Das erste Gespräch mit dieser sehr souveränen Frau hat fast vier Stunden gedauert“), und Uli Hoeneß („Die Gesprächssituation war psychologisch so schwierig, dass es kaum möglich war, die finanzielle Schräglage anzusprechen“). 

Jonas Austermann

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