„Zürich braucht jetzt zwei oder drei Wunder“
München - Stephane Chapuisat spricht im Interview über Bayerns Champions-League-Aussichten, lähmenden Respekt und den Druck auf seinen Ex-Klub BVB.
Seit seinem Karriere-Ende 2006 ist der ehemalige Schweizer Sturm-Star Stephane Chapuisat (42) für Young Boys Bern als Scout und Offensivcoach weiter im Geschäft. Vor dem Rückspiel zwischen dem FC Zürich und dem FC Bayern analysiert er die Situation – und sagt, ob er den Münchnern oder seinem Ex-Klub Dortmund Chancen einräumt, das Champions-League-Finale in München zu erreichen. Er selbst holte hier – damals aber im Olympiastadion – 1997 die Trophäe.
Herr Chapuisat, bereits vor dem Duell in München sagten Sie, Ihre Landsleute bräuchten ein Wunder – wie sieht es jetzt aus?
(schmunzelt) Jetzt brauchen sie leider zwei oder drei Wunder. Eines reicht nicht mehr. Wir empfangen ja hier auch die Bundesliga im Fernsehen. Da konnte man sehen, wie gut Bayern in Schuss ist. Das 5:0 gegen Hamburg wird ihnen noch mehr Sicherheit für das Spiel in Zürich geben.
Der FC Zürich hat sich hingegen mit einem 0:2 gegen den Tabellenletzten blamiert. Ist da jetzt Krise?
Sie sind nicht gut in die Saison gestartet, aber dann hatten sie sich gefangen. Dann kam das 0:2 in München: Sowas darf einem Schweizer Verein, der nicht diese Möglichkeiten wie ein FC Bayern hat, mal passieren – aber dieses 0:2 am Wochenende gegen Xamax Neuchatel ist eine andere Kategorie. Die waren Letzter, da solltest du zuhause nicht verlieren. Das war ein großer Rückschlag für den FC Zürich, der die Aufgabe, den Bayern Paroli zu bieten, noch unnötig erschwert. Das einzig Positive für Zürich ist, dass kaum noch jemand an sie glaubt. Sie haben gegen Bayern nichts mehr zu verlieren.
Was lief im Hinspiel so schlecht? Zu viel Respekt?
Genau das war das Problem. Das war zwar nachzuvollziehen, allein so ein Stadion wie die Allianz Arena kennen wir in der Schweiz nicht. Aber wenn du in ein Spiel gehst und im Inneren nicht an deine Chance glaubst, hast du gegen einen FC Bayern keine Chance. Da hilft einfach alles nichts, du musst in so einem Spiel Top-Leistung abrufen. Sonst wird es nichts. Und ist der Respekt so groß, lähmt er.
Die Bayern träumen von der Final-Teilnahme im kommenden Mai im eigenen Haus. Ist das realistisch, oder sind Mannschaften wie der FC Barcelona ihnen um Jahre voraus?
Jahre voraus würde ich nicht sagen. Auch Barca muss sich immer wieder neu beweisen. Generell muss man sagen, was der FC Barcelona gerade spielt, ist außergewöhnlich. Aber auch sie werden mal einen Hänger haben oder Verletzte beklagen. Die Champions League beginnt erst ab Februar so richtig. Wenn die K.o.-Spiele starten, muss man bereit sein. Bis dahin müssen sich die Bayern gefunden haben. Denn ein paar Abstimmungsprobleme sind ihnen schon noch anzusehen – was ja normal ist, wenn ein neuer Trainer kommt und einige Neuzugänge dazustoßen. Für die Bundesliga sind sie schon top. International würde ich ihnen derzeit eine „zwei“ ins Zeugnis schreiben. Gut. Aber eben noch nicht sehr gut.
Dortmund begeistert gerade Fußball-Deutschland – überflügelt Ihr Ex-Klub den FC Bayern?
Das ist eine junge, hungrige Mannschaft, die eine große Saison hatte. Jetzt herrscht da viel Euphorie, aber es kommt darauf an, die gezeigten Leistungen zu bestätigen. Das ist nicht einfach. Es wird sehr interessant. Ich bin gespannt, wie sie die Belastung Champions League verkraften. Letztes Jahr hatten sie keinen Druck, haben befreit aufgespielt. Jetzt haben sie Druck. Die Bayern sind das seit vielen, vielen Jahren gewöhnt. Die sind eigentlich immer da, wenn es drauf ankommt. Das ist eine Fähigkeit, die man nicht unterschätzen darf.
FC Bayern oder Borussia Dortmund – wer hat die größeren Chancen, diese Saison bis ins Finale der Königsklasse vorzustoßen?
Also, das tut mir jetzt für die Bayern-Fans Leid – aber ich hoffe da natürlich auf Dortmund. Aber das wird schwer. Die Bayern muss man immer auf der Rechnung haben. Ich bin jedenfalls sicher, dass sie sich erstmal gegen Zürich für die Gruppenphase qualifizieren. Das 2:0 im Hinspiel war optimal für sie und ihr Spiel. Die Maschine FC Bayern rollt jetzt an. Schade für Zürich.
Interview: Andreas Werner