Weltmeister Oliver Zeidler im Interview

Der Schwaiger Ruder-Champion Oliver Zeidler spricht über 500 WhatsApps, Husten, Unipause und einen Kuss.
Schwaig – Von null auf Weltmeister in 1000 Tagen – das hat Oliver Zeidler geschafft. Wie berichtet, holte der 23-jährige Schwaiger drei Jahre, nachdem er mit dem Rudern begonnen hat, am Sonntag Gold bei der WM im österreichischen Linz. Vor zwei Monaten hatte er bereits den EM-Titel gewonnen. Und nächstes Jahr soll das Ganze mit einem Erfolg bei den Olympischen Spielen in Tokio noch gekrönt werden.
Dass dies keine Selbstverständlichkeit ist, weiß Zeidler nicht nur wegen dem Minivorsprung von drei Hundertsteln, den er beim Finallauf am Sonntag hatte. Der Student ist selbstbewusst. Vor dem Halbfinale sagte er: „Ich habe heute Morgen beim Zähneputzen in den Spiegel geschaut. Da habe ich den stärksten Ruderer der Welt gesehen.“ Er weiß aber auch, dass er jetzt der Gejagte ist. Was nach seinem Sieg los war und wie er sich auf Tokio vorbereitet, erzählt er im Interview, das wir am Montagvormittag geführt haben.
Guten Morgen, Herr Zeidler, wie schläft es sich als Weltmeister?
Es war eine recht kurze Nacht, da das ganze Team den Abschluss der Saison und auch meinen Titel gebührend gefeiert hat. Aber als ich im Bett lag, war es ein ruhiger und friedlicher Schlaf.
Über welche Gratulanten haben Sie sich besonders gefreut?
Ich muss mir noch meine gesamten Nachrichten durchschauen. Ich bin noch immer nicht durch. Ich habe allein über 500 WhatsApp-Meldungen drauf. Besonders hat mich natürlich die Gratulation meiner Familie gefreut. Vor Ort haben mein Vater und Großvater sich so sehr gefreut, dass das ein sehr emotionaler Moment war, als wir uns in die Arme nehmen konnten. Über den Kuss meiner Freundin Helen habe ich mich natürlich auch sehr gefreut.
Was haben Sie sich diesmal gedacht, als Sie am Morgen in den Spiegel geschaut haben?
Nichts Besonderes, ich sah am Morgen etwas fertig aus.
Hat man als Leistungssportler nach so einer Anstrengung auch mal Muskelkater?
Muskelkater eher nicht, aber der Körper ist komplett ausgepowert. Man hat Bauchschmerzen, ich musste auch sehr viel husten. Das hat mit der Leistungsatmung zu tun. Da werden die Atemwege schon sehr gereizt.
Abgesehen von Ruhm und Titel – gibt’s eine finanzielle Belohnung vom Verband oder der Sporthilfe?
Preisgelder gibt es nicht, allerdings qualifiziere ich mich zum Jahreswechsel nun für eine Zusatzförderung der Sporthilfe. Von dieser lässt es sich aber bei weitem noch nicht leben beziehungsweise den Sport finanzieren. Ich bin froh, die Unterstützung meines Arbeitgebers Deloitte zu haben, mit dem ich vor der WM noch meinen ersten und bisher einzigen Sponsoring-Vertrag abschließen konnte.
Wie belohnen Sie sich selbst nach diesem Titel – eine Woche trainingsfrei, jeden Tag Erdinger Herbstfest oder sonst was Schönes?
Jetzt gilt es erst mal, sportlich etwas abzuschalten und ein paar Wochen Ruder-Pause zu machen. Ich werde die Zeit dafür nutzen, Freunde zu treffen, aber auch gleich morgen wieder ins Büro zur Arbeit zu gehen. Und ja, aufs Herbstfest will ich auch. Ein, zwei Bier sind nach Saisonende schon erlaubt. Ich muss aber erst schauen, ob ich es zeitlich hinbekomme.
Wegen der vielen Medienanfragen?
Wie gesagt, es sind sehr viele Nachrichten auf meinem Handy aufgeploppt, als ich bei der Heimfahrt den Flugmodus rausgenommen habe. Ich muss das erst mal sichten.
Nach dem WM-Sieg sind Sie jetzt eine deutsche Olympia-Gold-Hoffnung. Spüren Sie schon irgendwelche Auswirkungen im Umgang der Leute mit Ihnen?
Mittlerweile bin ich nicht mehr der Anfänger. Jetzt in der Rolle des Gejagten zu sein, ist absolut neu für mich. Ich denke, eine Auswirkung wird man erst mit der Zeit feststellen können.
Welche Lehren ziehen Sie selbst aus dem Finallauf? Was war perfekt, wo können Sie sich noch verbessern?
Es war extrem knapp. Dadurch gibt es für mich jetzt keinen Grund, mich auszuruhen. Meine Verfolger werden mir in den kommenden Monaten das Leben nicht leichter machen, das ist klar. Ich werde also das Rennen nun mit meinem Vater kritisch analysieren, um zumindest diese paar Millimeter Abstand zum Zweitplatzierten bis zum 31. August 2020 zu halten. Ich nehme ganz viel Motivation und Ansporn aus diesem Finale mit.
Was kann man denn noch verbessern? Geht es um das Leistungsloch zwischen 1000 und 1500 Metern?
Nein, das war ja eine taktische Sache. Hätte ich da die Power nicht rausgenommen, dann hätte es im Endspurt am Ende nie mehr gereicht. Da geht es mehr um technische Feinheiten, wie zum Beispiel die Tauchtiefe vom Blatt. Es ist einfach effektiver, wenn man das Blatt nahe an der Oberfläche hat und nicht zu tief. Aber das führt jetzt hier vielleicht zu weit.
Und wie geht’s in den nächsten Wochen weiter?
Es wird einiges an Medienarbeit zu erledigen geben. Auch das Sponsoring werden wir intensiver angehen. Für eine Olympia-Medaille müssen wir schließlich noch mehr Professionalität einbringen, das muss finanziert werden.
Mit anderen Worten: Sie wollen sich bis Olympia voll aufs Rudern konzentrieren?
Ich mache ein Jahr akademische Pause, werde aber bei Deloitte in Teilzeit arbeiten. Ich habe dann mehr Zeit fürs Training, kann aber auch noch was anderes machen. Diese Freiheit brauche ich. Nur trainieren, da wirst du ja wahnsinnig.