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Der Redaktionsalltag vor Corona-Zeiten
Der verrückte Erdinger Fußballsonntag
- vonDieter Priglmeirschließen
Der Alltag an einem ganz normalen Fußballwochenende: Nach dem Abpfiff wird’s hektisch in der Redaktion, aber unsere Reporter haben das im Griff.
Es gibt inzwischen Medien, die ihre Fußballberichte von Computerprogrammen schreiben lassen. Sagen wir mal so: Wer wissen will, dass der Achtplatzierte schon 14 Tore daheim, aber erst drei Stück auswärts kassiert hat – für den ist es das Höchste. Wir dagegen finden: Fußball wird von Menschen gespielt und muss auch von Menschen erzählt werden. Wir wollen ja wissen,
die Tore kassierenDeshalb schicken wir zum Beispiel „Mister Amateurfußball“ Eicke Lenz zum „Kreisliga-Spiel der Woche“ und haben in der Bezirksliga unsere Schreiber direkt vor Ort. Alle weiteren Partien – allein bei den Männern haben wir rund 50 Mannschaften – telefonieren unsere Reporter ab. Drei Stunden nach dem letzten Abpfiff müssen alle Seiten für den Druck fertig sein. Das ist kein Job für jeden, und deshalb – tara! – hier präsentieren wir unser Fußball-Reporterteam:
: Unser wandelnder Terminkalender weiß, wann welcher Kollege gerade Linien zieht (als Platzwart natürlich), beim Bergsteigen, auf Firmausflug oder als DAZN-Reporter im Einsatz ist. Sie stellt das jeweilige Sonntagsteam auf und ist selbst Captain. Ihr Standardsatz als Reporterin gegenüber dem Redakteur: „Ich habe viel zu wenig Platz, können wir das Bild kleiner machen?“ Machen wir, weil wir vorher fasziniert zugehört haben, wie sie dem Kreisklassen-Trainer Geschichten rausgeleiert hat, die der eigentlich gar nicht erzählen wollte.
a) indem man nach einer KSC-Pleite nach dem Grund fragt
b) wenn du dich nach dem Schiri bei o. g. Begegnung erkundigst
c) mit einer Tasse Kaffee.
Letzteres ist uns am liebsten, weil er dazu gern mal von seiner Frau gebackene Zwetschgnbuchteln für alle mitbringt.
hat noch etwas Probleme mit dem Zeitmanagement, weil er mit jedem Vereinsberichterstatter ins Plaudern kommt. Er begeistert sich eben für Zustorf gegen Langenpreising genauso wie für Werder Bremen gegen Wolfsburg. Bundesliga-Berichterstattung ist nämlich sein zweiter Job.
streut immer wieder mal eine blitzgescheite Fußballweisheit in seine Berichte ein. Er ist quasi der Thomas Broich im Team. Wen wundert’s, dass auch er in Australien gelandet ist.
geht es eher von der sachlichen Seite an. Sein üblicher Einstieg beim Telefonat: „Können wir über das heutige Spiel sprechen?“ So ein Satz nach einem 4:5 in letzter Sekunde – ein Psychiater würde ein Heidengeld dafür verlangen.
hat selbst schon jeden guten Landkreiskicker trainiert und ist bis ins oberste Profigeschäft vernetzt. Da spielen seine besten Kumpels, obwohl sie ihm – rein technisch – nie das Wasser reichen konnten. Sagt er.
, für die Kreisliga Erding/Freising leisten wir uns einen Export aus der Domstadt. Absoluter Fachmann für Fußball und Schachtelsätze (Er ist Lehrer). Die Lotterie, ob Maier, Meier oder doch Meyer, gewinnt er nicht immer. Aber die Redakteure brauchen ja auch noch eine Arbeit.
Circa 74,37 Prozent aller Vereinsberichterstatter beginnen ihr Statement mit „Wie gesagt...“. Das ist einerseits erstaunlich, weil sie ja vorher noch gar nichts gesagt haben. Andererseits ist es logisch, denn unsere Korrespondenten gehen eben vorher schon mal im Kopf durch, was sie sagen werden. Schon diese 74,37 Prozent aller Berichterstatter sind bestens vorbereitet. Wir können es gar nicht oft genug betonen: Unsere Kontaktleute vom Verein – das sind großartige Stützen, ohne die wir völlig aufgeschmissen sind. Natürlich sind sie auch Typen, die unsere Berichte erst bunt machen.
Gut, andere in der Kreisklasse nennen den Posten Pressewart, aber was der FC Bayern kann, ist für den TuS Oberding gerade gut genug. Von der Kompetenz her könnte Franz H. ohnehin beim Rekordmeister arbeiten.
Bestens vorbereitet, nennt jede Ein- und Auswechslung, weiß die exakte Spielminute eines Treffers und Einwurfs. Rechnet auf Wunsch auch Ballbesitzquote und Torwahrscheinlichkeit aus.
„Ja, wir haben 6:0 gewonnen, aber wenn der Gegner in der 84. Minute getroffen hätte....“
„Wir haben mit Dreierkette und abkippender Neun agiert. Da tust du dich in der 4-2-4-dominierten A-Klasse schwer.“
„Okay, wir haben 0:6 verloren, aber wenn wir in der 84. Minute getroffen hätten...“
„2:0 gewonnen, aber völlig unverdient. Beide Tore waren eigentlich abseits. Ist halt gut, wenn der Schiedsrichter mein künftiger Schwager ist...“
„Das Spiel erinnert mich an den 23.4.1989. Da haben wir auch durch ein Freistoßtor in der Nachspielzeit verloren. Damals war es aber aus halblinker Position, diesmal eher zentral. Die beiden Torschützen sind übrigens verwandt.“
„Brauchst du alle Namen der Ballstaffette, die zum Eckball geführt hat? ... Klar, habe ich auch alle sechs Vornamen. ... Nein, der Eckball hat nichts eingebracht. Warum?“
„2:1 oder 3:1 – ehrlich, ich kann’s dir nicht genau sagen. Ja, Wörth hat ausgeglichen, oder war’s die Führung? Torschützen? Bitte schaut’s im Internet nach. Der Empfang hier ist ganz schlecht. Bin gerade beim Bergsteigen...“
“Unsere Leistung? Schreib’ auf: Eine bodenlose Frechheit, Arbeitsverweigerung!“
„Bitte streich’, was ich gesagt habe. Schreib’ auf: Die Jungs haben es probiert. Heute war halt nicht mehr drin.“
„Das 2:0 hat der Leon Maier erzielt. Aber das darfst du nicht schreiben. Der ist krank geschrieben.“
Anruf von Fotograf Hermann „Präse“
„Bilder sind raus!“ Sind sie tatsächlich. Sonderlob – mit allen Namen versehen. Interessant noch: Am Ton von „Bilder sind raus“ erkennt der Fachmann, wie Präses Herzensverein, der TSV Dorfen, gespielt hat. Sein Kollege Christian Riedel ist da ein bisserl sachlicher. Als Poinger ist es ihm relativ wurscht, wer in Erding wen besiegt. Was aber nicht heißt, dass er nicht bei der Sache wäre. Ganz im Gegenteil: Manchmal steht er so nah am Tor, dass nicht der Kasten, sondern er – oder noch schlimmer: seine Kamera – getroffen wird. Diesmal geht alles gut. Auch seine Bilder sind da – und unsere Reporter weiter am Telefonieren. Diesmal am Apparat:„Meine Taktik ging auf: flach spielen, hoch gewinnen, hahaha.“
„Ein Spiel auf Augenhöhe. Wir konnten unsere Top-Leistung nicht abrufen. So ist Fußball.“
„Massenschlägerei auf dem Platz? Gut, es wurde ein bisschen geschubst. Rettungshubschrauber? Hat uns a bisserl Luft zugefächelt.“
„Des zwoate Haisl hod da Savvas g’schoss’n, des dritte war vom Tiago Rodrigues, moan i. War a vadienter Sieg fia uns, also für Aspis.“
„Ganz ehrlich, hätte ich mich die letzten zehn Minuten nicht selbst eingewechselt – das 3:0 wär noch mal in Gefahr geraten. Gegen neun Mann tust du dich bekanntlich besonders schwer. Da war meine Erfahrung schon wichtig.“
„Was, es hat noch keiner zurückgerufen? Warte, ich habe zwar nichts vom Spiel gesehen, weil ich im Kiosk aushelfen musste. Aber ich frag nach und melde mich.“