1. Startseite
  2. Sport
  3. Lokalsport
  4. Landkreis Miesbach

Ein Amerikaner im Eisstock-Himmel

Erstellt: Aktualisiert:

Von: Sebastian Grauvogl

Kommentare

Freudentränen eines stolzen Amerikaners: Chris Coonradt lässt seinen Glücksgefühlen freien Lauf. Foto: KN
Freudentränen eines stolzen Amerikaners: Chris Coonradt lässt seinen Glücksgefühlen freien Lauf. © kn

Gmund – Chris Coonradt (73) aus Gmund holt mit dem Team USA überraschend die Silbermedaille beim America Cup.

Chris Coonradt kann’s nicht lassen. Wenn ihn sein Mutterland braucht, steht der US-Boy parat. Nicht mehr wie früher als Offizier beim Militär, sondern als Sportler mit dem Eisstock in der Hand. Einmal Amerikaner, immer Amerikaner. Jetzt hat der 73-Jährige, der 1984 nach Deutschland ausgewandert ist und seit 2007 in Gmund wohnt, mit dem Team USA beim America Cup in der kanadischen Provinz Ontario die Silbermedaille gewonnen.

„Einfach nur Wahnsinn“, schwärmt Coonradt, der mit seiner Mannschaft aus Übersee schon im vergangenen Jahr mit Platz fünf bei der WM in Innsbruck für staunende Gesichter gesorgt hat (wir berichteten). „Einer der schönsten Momente meines Lebens.“ Man merkt: Da ist einer richtig stolz.

Und das darf Coonradt auch sein, schließlich war es lange Zeit nicht einmal klar, ob die USA überhaupt eine Mannschaft zum Kontinentalturnier schicken können. „Wir wussten nicht, ob wir genug Leute zusammenbringen“, erzählt der Gmunder und lacht. So ist der America Cup zwar auf dem Papier mit den Europameisterschaften zu vergleichen, nicht aber im Hinblick auf die sportliche Konkurrenz. Statt Profi-Teams wie Deutschland oder Österreich standen in Ontario Länder wie Paraguay oder Brasilien auf dem Eis. Und die rekrutierten ihre Mitglieder meist aus ausgewanderten und im Stocksport erfahrenen Europäern. Das war beim US-Team nicht anders, erzählt Coonradt schmunzelnd. „Da war ich der einzige echte Amerikaner.“ Seine drei Team-Kollegen stammen dagegen ursprünglich aus dem Allgäu und aus Österreich. Für einen Ersatzspieler habe es hingegen nicht mehr gereicht, so Coonradt.

Doch die US-Boys schlugen sich auch so richtig wacker. In jeder der drei Vorrunden lag das Team auf Platz eins. Selbst mit ein bisschen Abstand ist Coonradt noch von seiner Leistung überrascht. Auch weil er mit 73 Jahren einer der ältesten Athleten war. „So stark wie in Kanada habe ich noch nie in meinem Leben geschossen“, sagt er. Klar, seitdem er beim EC Parksee Unterhaching in der Halle trainiere, habe er sich stetig verbessert. Aber mehr als drei Mal pro Woche steht er eigentlich nie auf dem Eis. „Ich kann meinen geliebten Tegernsee doch nicht so oft verlassen“, sagt er.

Dass sich die fünftägige Reise nach Kanada trotz des 22-stündigen Flugs gelohnt hat, stand für Coonradt schon vor dem Finale fest. Doch was dann passierte, kommt ihm auch heute noch wie ein Traum vor. Obwohl sie nie zusammen trainieren, legten die US-Boys ihr ganzes Können hinter den Stock und schossen sich am Ende zur Silbermedaille – punktgleich mit Sieger Brasilien. „Die waren nur bei den Noten besser“, erklärt Coonradt. Dem knapp verpassten Titel trauert er aber nicht hinterher.

Im Gegenteil: Bei der Siegerehrung konnte der sonst so coole Amerikaner ein paar Freudentränen nicht verbergen. In seinem Alter noch eine Medaille für sein Heimatland zu erobern – Glücksgefühle pur. Auch für einen ehemaligen Offizier, der mit dem Silver Star eine der höchsten Auszeichnungen des US-Militärs erhalten hat. Im Februar möchte der 73-Jährige nachlegen. Bei der WM in Südtirol steht er wieder für die USA auf dem Eis. „Aber dann“, so Coonradt, „höre ich auf.“ Ob seine US-Boys das so einfach akzeptieren werden, bleibt abzuwarten.

Auch interessant

Kommentare