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Mit passender Schrittfrequenz durchs Leben

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Von: Harald Hettich

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IM BLICKPUNKT: Leichtathlet Hans-Peter Car vom TSV Unterhaching ist Sportler durch und durch.

Unterhaching – Die Harmonie zwischen Armen, Beinen, Schulter- und Hüftbewegungen ist vollkommen und exakt getaktet. Beim langen, flachen Schritt hat Hans-Peter Car für die Wettkampfrichter deutlich ersichtlich den geforderten, regelmäßigen Bodenkontakt - eine aufrechte Rumpfhaltung und die saubere Streckung des Kniegelenks sorgen für ein optimales Verhältnis zwischen Schrittlänge und Frequenz. Da weiß einer, was er tut. Der Unterhachinger Hans-Peter Car hat sich seit über 50 Jahren dem Geh-Sport verschrieben. Ein akribischer Geist auf und abseits der Gehbahn, dessen mentaler Horizont und (sport-)philosophischer Ansatz freilich weit über die jeweiligen Sportstrecken hinaus-„geht“. Car ist hierzulande Wegbereiter einer leichtathletischen Nischendisziplin, die in medialem Feedback vernachlässigt daher kommt und in ihren filigranen Abläufen allzu oft unterschätzt wird. „Ab einem gewissen Tempo hat man das Gefühl, die Unterschenkel seien kurz vor dem Bersten“, schildert Car die inneren Momentaufnahmen einer echten Herausforderung, deren äußerlich wahrnehmbare Qualen für den Betrachter zumeist nur bei kargen Olympia-Fernsehübertragungen auch nachvollziehbar werden.

Stichwort Filigranitä – eine Eigenschaft, die Hans-Peter Car niemand absprechen würde, der ihn kennt. Genaueste und präzise Abläufe lebt der 66-jährige gebürtige Münchner aus deutsch-kroatischem Elternhaus schon in seiner langjährigen beruflichen Profession als Augenarzt. Der so wichtige Bewegungsausgleich des langjährigen Athleten des TSV Unterhaching gehört seit jeher der Leichtathletik. „Aber beileibe nicht nur dem Gehen“, bekennt der Athlet. Seinen ersten Wettkampf als Geher absolvierte Car im Mai 1971 auf der Fünf-Kilometer-Distanz in seiner Heimatgemeinde Unterhaching. Als gestrenger Gehrichter auf dem Fahrrad wachte der damalige Wettkampforganisator und spätere Unterhachinger Bürgermeister Erwin Knapek über regelgerechte Abläufe. Die verinnerlichte un perfektionierte Car, der sich früh auch der wissenschaftlichen Aufbereitung seines Sport widmete. Mit Weggefährten publizierte der begeisterte Gitarrist über 100 Schriften zur Geschichte der Leichtathletik, darunter auch ein biographisches Lexikon. Er selbst kommt einem lebenden Lexikon sehr nahe, wenn er Geher-Anekdoten aus Leistungssport und Freizeitathletik zum Besten gib und auf Entwicklungen zurückblickt.

Car ist einer, der viel erzählen kann. „Wer hätte gewußt, dass das Gehen bei den Spielen 1904 in St. Louis noch Teil des Zehnkampfs war“, schmunzelt er.

Die Leidenschaftt entbrennt 1968

„Bei den olympischen Spielen 1968 in Mexiko habe ich endgültig Feuer gefangen“. Der Ostdeutsche Christoph Höhne als Sieger im 50 Kilometer- Gehen hatte ihn ebenso beeindruckt wie der Westdeutsche Bernhard Kannenberg bei seinem Erfolg vier Jahre später in München. „Besonders als Kannenberg siegte, war der Jubel groß und das Gehen plötzlich populär“. Es war die Zeit, in der Car wieder zu neuen Ufern aufbrach. „In den folgenden Jahren bestritt ich Mehrkämpfe, Sprint- und Sprungdisziplinen – das ließ sich mit dem Gehen nicht unter einen Hut bringen.“

Leichtathletisch hat er so seinen Horizont erweitert. Und ist doch zurückgekehrt zur alten Leidenschaft. „1993 hatte ich mir beim Stabhochsprung den Arm gebrochen und musste improvisieren“, gesteht er im Rückblick. Beim Wettkampf in Mindelheim brauchte er zunächst 1:14 Stunden über die 10-Kilometer-Strecke. „Ein Jahr später war ich sieben Minuten schneller“. Dennoch hat Car auch den Mehrkampf weiter betrieben. Die letzten Zehnkämpfe wie die Altersklassen-EM in Zittau absolvierte der Rundum-Sportler erst Anfang der 2010er Jahre.

Längst hat ihn das zu steten Erfolgen ins seinem Sport gebracht. Vereinsrekorde, Podestplätze bei Bayerischen und überregionalen Wettkämpfen im ständigen Wettstreit von Körper und Geist. Besonders stolz ist Car auf seine TSV-Vereinsbestmarke von gut 2 Stunden und 30 Minuten über die fordernde 20-Kilometer-Strecke. „Das Talent zum Top-Sportler hatte ich nie“, weiß Car.

Aber Zeiten und Plaketten sind es ohnehin nicht, die ihn bewegen. „1802 ist der Schriftsteller Johann Gottfried Seume über 7000 Kilometer von Sachsen nach Sizilien gegangen“. Wichtige Einsichten habe der gesammelt. Das mit dem „Fast-Food-Zeitgeist“ und dem mediengerechten „Live fast, die young“ findet einer wie er dagegen grundverkehrt. „Da ist wohl auch die Streichung des renommierten 50-Kilometer-Bewerbs aus dem olympischen Kalender nach über 90 Jahren eine zwangsläufige Entwicklung.“

Seine Trainingseinheitenabsolviert der Autodidakt, der Zeit seines athletischen Lebens ohne Trainer auskam, am liebsten auf der altvertrauten Leichtathletik-Anlag in der Grünau. „Bis zu vier mal die Woche, abgestimmt natürlich mit meinem Fulltime-Job als Arzt.“ Da ist er wieder, der filigrane Akribiker. Car hat auf der Gehstrecke und im Leben seine innere Harmonie und passende Schrittfrequenz gefunden.

Unter Sportfreunden: Immer mittendrin statt nur dabei: Hans-Peter Car (Bildmitte im Deutschen Nationaltrikot) mit Freunden und Konkurrenten bei den Altersklassen-Europameisterschaften in Zittau 2012.
Unter Sportfreunden: Immer mittendrin statt nur dabei: Hans-Peter Car (Bildmitte im Deutschen Nationaltrikot) mit Freunden und Konkurrenten bei den Altersklassen-Europameisterschaften in Zittau 2012. © privat
In Aktion: Hans-Peter Car (l.) bei den österreichischen Altersklassen-Meisterschaften.
In Aktion: Hans-Peter Car (l.) bei den österreichischen Altersklassen-Meisterschaften. © privat

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