Laura Dahlmeier überrascht mit Fußfessel-Vorschlag: „Gibt ohnehin jegliche Privatsphäre auf“

Laura Dahlmeier spricht im Interview über ihren Alltag, in dem Langweile eher nicht vorkommt. Die Ex-Biathletin hat zahlreiche Hobbies.
München – Olympiasiegerin, Ex-Biathletin, TV-Expertin, Sportstudentin, Bergsportlerin und Abenteuerin: Vielleicht ist Laura Dahlmeier die einzige Person, auf die das alles zutrifft. Die 29-jährige Garmisch-Partenkirchnerin hat sich Zeit für ein Interview mit unserer Zeitung genommen – und über ihr neues Buch, Biathlon, Doping und die Berge gesprochen.
Zuletzt teilte sie gegen eine Biathlon-Legende aus.
Laura Dahlmeier im Interview: „Ich bin ein spontaner Mensch“
Frau Dahlmeier, Ihr Buch heißt: „Wenn ich was mach, mach ich’s gscheid.“ Wann haben Sie das letzte Mal etwas nicht gscheid gemacht?
(Überlegt) Das Training heute (lacht). Weil ich zu wenig Zeit hatte. Ich arbeite ein bisschen an meiner Schulterhaltung und vorher habe ich die Übungen nicht so durchgezogen, wie ich es gern möchte, sondern nur schnell schnell. Aber allgemein möchte ich zum Buchtitel gleich was anmerken.
Bitte.
Ich bin sicherlich nicht perfekt und es ist auch nicht mein Anspruch, überall perfekt zu sein. Und gscheid ist im Dialekt ja auch etwas anderes als richtig, es ist umfassender. Ich meine damit, dass man etwas mit Leidenschaft und einhundertprozentiger Aufmerksamkeit macht.
Ein bairischer Titel eines Buches, das sich möglichst auch woanders verkaufen soll...
Es war nicht so, dass ich den Titel vorgeschlagen habe. Aber unser Arbeitstitel „Meine Berge“ war wohl zu langweilig (lacht). Aber das war auch nicht als ernsthafter Vorschlag gemeint.
Die Berge sind ein großes Thema bei Ihnen – und natürlich auch Biathlon. Gerade fand eine WM in Oberhof statt. Hätte eine Heim-WM bewirkt, dass Sie länger weitermachen?
Schwierig, darüber im Nachhinein nachzudenken. Ich lebe im Hier und Jetzt und bin ein spontaner Mensch. Außerdem hatte ich während meiner Karriere ja auch sehr viele schöne Orte und super Erlebnisse. Auch wenn dann die Olympischen Spiele 2018 von der Stimmung her für mich persönlich eher düster waren. Dass eine Heim-WM eine Entscheidung beeinflussen kann, wie lange man noch dabei bleibt, ist klar.
Ein Thema, das im Biathlon schon mal größer war: Doping. Bei außergewöhnlichen Leistungen haben es viele trotzdem im Hinterkopf ...
Ich glaube, es liegt in der Natur des Menschen, dass es schwer ist, zu akzeptieren, wenn jemand deutlich besser ist. Das habe ich zu meiner Zeit auch mitbekommen, auch wenn ich zum Glück nie ernsthaft mit Vorwürfen konfrontiert wurde, da ich mir ja auch nichts vorzuwerfen hatte. Als ZDF-Expertin hatte ich zum Glück noch keine Berührungspunkte, aber werde natürlich schon zu Johannes Thingnes Bö gefragt.
Laura Dahlmeier über Dopingkontrollen: „Einfach ist es wirklich nicht“
Und wie ist Ihre Meinung?
Klar kann das mit rechten Dingen zugehen. Er ist eben der beste Athlet, der am besten läuft, eine richtig starke Technik hat. Und gerade wenn die Strecke und die Bedingungen schwer sind, kann er sich noch mehr absetzen zum Rest des Feldes. Das ist umso mehr ein Hinweis für Klasse und nicht für Doping. Dazu kommt dann noch, wie er mit Druck umgeht und wie variabel er am Schießstand arbeiten kann. Er kann in 15.9 Sekunden stehend schießen oder sich lange Zeit lassen, wenn er sie braucht.
Wie belastend das Thema Doping oder vor allem das Kontrollsystem sein kann, beschreiben Sie im Buch sehr bildlich...
Auf jeden Fall ist das System in Deutschland schon sehr gut und die Sportler nehmen es ernst. Einfach ist es aber wirklich nicht. Du wirst ständig kontrolliert und es fühlt sich an, als ob die Unschuldsvermutung nicht gilt, sondern man immer erklären muss, dass man sauber ist.
Oft keine leichte Situation?
Klar, man überlegt immer, was sein Handeln für Konsequenzen haben könnte. Das bekommt man als Nachwuchssportler schon als Jugendlicher eingebläut: wenn du Nahrungsergänzungsmittel nimmst, die verunreinigt sind, hast du Pech und bist selbst schuld. Da wird eine gewisse Angst geschürt. Gerade wenn du gut bist, wird man leider automatisch etwas misstrauisch und fängt an zu überlegen, ob es wirklich jeder in seinem erweiterten Umfeld gut mit einem meint.
Haben Sie eine Idee, das Kontrollsystem für Athleten angenehmer zu machen, ohne dass es seinen Sinn verliert?
Ein großer Punkt ist, dass man über das Handy ständig und überall angeben muss, wo man sich gerade befindet, um auffindbar zu sein. Jedes Mal, wenn man wohin unterwegs ist, macht man das. Das ist alles Lebenszeit. Wir sind daher mal auf die Idee gekommen, ob es nicht gleich einfacher wäre, einen GPS-Tracker, also eine Fußfessel, an Arm oder Fuß zu haben.
Wie bitte?
Ja, denn man gibt ja ohnehin schon jegliche Privatsphäre auf. So spart man wenigstens die Zeit mit dem Handy und lässt sich gleich tracken. Ein Problem wäre wohl, dass es für die Kontrolleure schwerer planbar wäre. Die machen sich auf den Weg und dann fährt man währenddessen vielleicht woanders hin.
Video: Dahlmeier sorgt sich um den Wintersport
Inzwischen haben Sie diesen Aspekt der Sportkarriere hinter sich gelassen, nicht aber den Kontakt mit den Medien. Sie stehen als TV-Expertin nun auf der anderen Seite. Hat sich Ihr Umgang mit der Öffentlichkeit verändert?
Ich glaube, als Athletin wollte ich maximal erfolgreich sein und so gut wie möglich trainieren. Jede Ablenkung hat mich davon weggebracht. Ich habe Biathlon nicht gemacht, um Interviews zu geben und auf der Bühne zu stehen. Außerdem hatte ich immer das Gefühl, dass so aktiv versucht wird, noch ein neues Detail rauszukitzeln. Das war mir irgendwann zu viel, daher habe ich mich bewusst zurückgezogen. Jetzt habe ich mehr Zeit und kann lockerer damit umgehen.
Sie haben sogar für das ZDF schon selbst Interviews geführt im Rahmen der WM...
Ja, das hat schon sehr viel Spaß gemacht. Ich bin aber immer noch sehr pro Sportler. Wenn sie Lust auf ein Interview haben: gern. Aber ewig nachlaufen würde ich keinem. Da sind mir die Athleten und ihre Freiheit wichtiger. Vielleicht fehlt mir da die Hartnäckigkeit, die eine gute Journalistin braucht (lacht).
Neben Ihrem Experten-Job sind Sie auch noch Sportstudentin und machen aktuell sogar eine Ausbildung zur Bergführerin. Wie teilt sich die Zeit in Ihrem Winter auf?
Also länger als eine Woche am Stück bin ich nicht daheim. Aber ich kann mir die Zeit freier gestalten. Das Buch zu schreiben hat natürlich etwas Zeit gebraucht und aktuell nimmt die Bergführerausbildung einen großen Part ein, die ja mindestens zweieinhalb Jahre dauert. Zu den Anfangstagen der WM habe ich deswegen ja noch gefehlt, da war gerade erst Eisklettern, dann Skimethodik angestanden.
War Eisklettern wählbar oder gehört es zum Pflichtprogramm der Ausbildung?
Das ist Pflicht. Aber es geht nicht darum, es selbst zu lernen. Um die Ausbildung zu machen, muss man alpinistisch ausgebildet sein. Bei der Ausbildung geht es allein darum, einen Gast zu führen. Wie man ihn coacht, wenn er das erste Mal vor einem gefrorenen Wasserfall steht und wie man ihn heil rauf und runter bringt.
Wobei Sie nicht hauptberufliche Bergführerin werden möchten, oder?
Ich habe mit vielen meiner Klettergemeinschaft von daheim, die die Ausbildung abgelegt haben, darüber gesprochen und irgendwann war ich mir sicher, dass ich es auch probieren möchte. Ich glaube, wer sich mit mir beschäftigt, weiß, dass ich gerne mehrere Sachen mache. Das Bergführen macht mir sehr viel Spaß, es wird sicherlich ein Teil davon werden – nebenberuflich.
Wie oft kommen Sie dazu, nur für sich selbst in die Berge zu gehen, aus Spaß und nicht für ein Projekt?
Die Zeit nehme ich mir. Gestern. Oder übermorgen.
Die Gefahr, dass Hobby zu sehr Beruf wird bei Ihnen, besteht also nicht?
Nein, ich bin kein Berufsbergsportler. Es ist meine große Leidenschaft. Wenn ich draußen bin, ziehe ich natürlich auch mal mein Handy raus, mache ein Foto. Später, wenn ich auf den Bus warte, poste ich dann mal ein Foto. Aber ich plane das nicht wie eine Influencerin und wenn keine guten Fotos rauskommen, ist es nicht schlimm. Es war trotzdem ein guter Tag. Das möchte ich mir bewahren.
Ist das leicht?
Ich habe auch Glück, da ich da unterstützt werde und auch Partner habe, denen es so gefällt. Als ich zum Beispiel meine Radltour über den Balkan gemacht habe, bin ich spontan aufgebrochen und war drei Wochen nicht erreichbar. Es war nicht so, dass ich mir irgendein Projekt überlegen sollte, um es Sponsoren zu verkaufen. Da möchte ich mir niemals zu viel diktieren lassen. Klar hat da jeder einen anderen Zugang dazu, aber mir ist die Freiheit wirklich wichtig. Sonst hätte ich auch gleich weiter Leistungssport machen können.
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Interview: Thomas Jensen