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Hinter Kathi und Lena lauert Franziska

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„Koordinativ die Beste“: Franziska Dürr profitiert von ihrer Zeit als Turnerin. © Hübner

Garmisch-Partenkirchen - Sie leben in Germering, weit weg von den alpinen Skizentren. Dennoch haben es Katharina und Lena Dürr bis in den Weltcup geschafft. Bald könnten es dort soagr drei Dürr-Mädels sein.

Dürr. Nicht Katharina, nicht Lena. Franziska Dürr. Der Name ist Verpflichtung. „Neulich“, erzählt Franziska, „hat mich nach einem Rennen ein älterer Mann angesprochen, ob ich die Schwester bin von Kathi und Lena. Und meinte dann, da müsste ich schon noch ein bisschen zulegen, wenn ich so gut werden will wie die.“ Die Franzi, meint Peter Dürr, der Vater, „hat als Jüngste natürlich mehr Druck, die Erwartungen, die sich an den Namen knüpfen, sind hoch.“ Franziska aber hat gelernt, das Beste daraus zu machen. Es hat ja nicht bloß Nachteile. Franziska, 16, langes, kastanienbraunes Haar, nennt ihre Schwestern als Vorbilder, ist stolz, sie im Fernsehen zu sehen, drückt ihnen fest die Daumen für die WM in Garmisch-Partenkirchen. Viel hat sie sich abgeschaut von den „Großen“, mit ihnen hat sie trainiert, sie haben das Nesthäkchen, das noch keinen Führerschein hat, mitgenommen in den Schnee, zum Olympiastützpunkt nach München. „Ohne die Unterstützung meiner Familie hätte ich wohl schon ein paarmal aufgegeben“, glaubt sie.

Schließlich ist ihr Weg alles andere als geradlinig verlaufen. Die Dürrs aus Germering sind eine Skifamilie, der Vater war Abfahrtsläufer, ist heute Trainer. Wenn sie zum Skifahren in die Berge aufgebrochen sind, ist Franziska gern zu Hause geblieben, bei der Oma. „Ich habe das Mama- Gen mitgekriegt“, mutmaßt sie. Mutter Gabi Dürr war Sportgymnastin, Franziska schien in ihre Fußstapfen zu treten, nicht in die des Vaters. Sie hat geturnt. Erst mit zwölf ist sie den Schwestern in den Schnee gefolgt. Und Papa Peter meint: „Die Jahre zwischen acht und zwölf fehlen ihr, das merkt man noch. Dafür ist sie koordinativ die beste, das hilft ihr. Aber sie braucht halt noch Zeit."

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Die gibt er ihr gerne. Peter Dürr ist keiner, der seine Töchter auf den Hang treibt, nicht der Typ Vater, der seine eigenen, unerfüllten Träume in seine Kinder projiziert, mit ihnen das nachholen will, was ihm versagt geblieben ist. Dürr hat viel erreicht, war zweimal Olympia-Teilnehmer, hat sich im Weltcup neunmal unter den besten 15 platziert. Dass seine Mädels hervorragende Skifahrerinnen geworden sind, hat also nichts mit dem Ehrgeiz des Vaters zu tun. „Das hat sich halt ergeben“, sagt Lena. Die Unterstützung des Vaters hat sie nicht als Druck, sondern als Motivation empfunden. Lena ist 19 und der Vater bescheinigt ihr noch mehr Talent in den anderen Disziplinen als der 21 Jahre alten Katharina, die schon zu den Besten im deutschen Slalomteam zählt: „Kathi hat sich viel erarbeiten müssen, Lena hat es leichter, muss aber aufpassen, dass sie ihr Talent nicht vergeudet.“

Was aber nicht heißt, dass Lena die Sache hat schleifen lassen. Im Gegenteil. Die Dürrs haben mit ihrem Wohnort Germering einen klaren Standortnachteil. „Wer in den Bergen lebt, kann schnell mal ein paar Stunden Skifahren gehen. Das funktioniert bei uns nicht“, so Peter Dürr. Hinter der Trainingsarbeit steckt viel Logistik, alles musste genau geplant und strukturiert sein. „Wir sind am Wochenende und in den Ferien immer den ganzen Tag Ski gefahren, da haben wir die Stunden wieder einigermaßen reingeholt“, sagt der Vater. Anfangs hat er die Töchter selbst trainiert, hat eine starke Gruppe um seine Mädels aufgebaut, den SV Germering zu einer Ski- Macht im Skiverband München aufgebaut. „Da waren einige dabei, die mindestens so viel Talent wie meine Töchter hatten“, sagt Dürr. Durchgekommen aber sind die Dürrs, die anderen gaben auf.

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Es ist auch eine Ochsentour, die man bestehen muss nach der Schülerzeit. Dann geht es raus zu den Junior Races, zu den FIS-Rennen, wo man sich mit hohen Startnummern durch ausgefahrene Pisten quält, während unten schon die Sieger gefeiert werden. 45 statt wie bei den Schülern 28 Tore sind zu bewältigen im Riesenslalom, das kostet Kraft, Gegner sind oft schon erwachsene Weltcup- Starter. „Da muss man ein paar gute Rennen erwischen, sich eine bessere Startnummer rausfahren, dann läuft es manchmal von allein. Es ist aber auch eine Glückssache“, weiß Peter Dürr.

Glück kann man erzwingen. Etwa, wenn man die Rahmenbedingen verbessert. Das Ski-Gymnasium in Berchtesgaden ist natürlich auch Thema gewesen im Hause Dürr, keines der Mädchen aber hat sich dafür entschieden. Beim DSV hätte man das nur zu gerne gesehen, auch Peter Dürr weiß um die Vorteile: „Dort hätten sie sicher bessere Noten, weil alles mehr auf den Sport abgestimmt ist.“ Lena aber sagt: „Wir sind Familienmenschen.“ Für sie wäre es nichts gewesen, „da oben zu sitzen“, hoch über Berchtesgaden, ein bisschen abgeschnitten vom normalen Alltag junger Menschen. Die drei Dürr-Mädels also blieben lieber am Carl- Spitzweg-Gymnasium in Germering, das sie nach besten Möglichkeiten großzügig unterstützt. „So lange die Noten passen, geht das“, sagt der Vater.

Und die passen. Katharina hat das Abi schon in der Tasche, ist jetzt im Zoll Ski Team und studiert daneben Sport. Lena steht kurz vor den Abschlussprüfungen, die Mitte März beginnen, nur wenige Wochen nach Ende der Ski-WM. Lena will beides schaffen, WM-Start und Abitur, sich danach voll auf den Sport konzentrieren. Sie will sich nicht auf eine Disziplin beschränken, sondern alle trainieren, „das geht nur ohne die schulische Belastung“, weiß sie. Franziska braucht noch ein Jahr, bis sie die Schule abschließen und sich noch intensiver dem Skifahren widmen kann.

Und dann? Drei Dürrs im alpinen Ski-Weltcup? Peter Dürr traut es durchaus auch seiner Jüngsten zu, wenn sie ihren Rückstand aufgeholt, sich durchgebissen hat. Doch „der Weg ist brutal steinig“, warnt der Vater. Da ist auch er gefragt. Als moralische Stütze, als Ratgeber, als Fachmann. Die Töchter haben seine Hilfe gerne mitgenommen, oft ist es ja ein schmaler Grat, auf dem Eltern wandeln: Zwischen Motivation und Druck, zwischen verständnisvoller Unterstützung und überzogener Erwartung. Die Dürrs haben das richtige Maß offensichtlich gefunden.

Reinhard Hübner

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