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Führerschein-Revolution: Vorwurf der „Altersdiskriminierung“ gegen neuen EU-Plan für Autofahrer

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Von: Marcus Giebel

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Die EU will Senioren Führerscheine nur noch für jeweils fünf Jahre aushändigen. Die deutsche Politik ist sich bei dem Thema uneins. Es wird auch auf Eigenverantwortung gesetzt.

München – Eine Welt ohne Verkehrstote. Das klingt nach einem Wunschtraum. Die Europäische Union (EU) will ihn Wirklichkeit werden lassen – bis 2050. Bereits bis zum Jahr 2030 sollen EU-weit die Zahlen der Opfer im Straßenverkehr halbiert werden. Für das vergangene Jahr spuckt die Statistik noch 20.600 Tote im Straßenverkehr aus. In den beiden Jahren zuvor waren es – wohl auch Pandemie-bedingt – jeweils weniger als 20.000.

Um die Zahl deutlich zu senken und irgendwann wirklich auf Null zu drücken, will die EU Schulungen und Prüfungen von Fahranfängern reformieren und Senioren regelmäßig auf den Zahn fühlen lassen. Denn für Bürger ab 70 Jahren soll der Führerschein nur noch fünf Jahre gültig sein. Für eine Verlängerung müssten sie dann ihre Fahrtauglichkeit durch „medizinische Untersuchungen“ oder „andere, spezifische Maßnahmen“ nachweisen. Der Gesetzentwurf nennt als Beispiele Auffrischungskurse und Schulungen.

Führerschein auf Zeit? In Deutschland gilt die Fahrerlaubnis in der Regel ein Leben lang

In Deutschland ist der einmal erworbene Führerschein in der Regel ein Leben lang gültig. Senioren können diesen lediglich freiwillig abgeben oder sich eine Fahrt mit einem Gutachter organisieren, um ihre Fahrtauglichkeit zu überprüfen. Auch Führerscheinbehörden können eine solche Fahrt anordnen. Andere EU-Staaten sind bereits dazu übergegangen, Autofahrer ab einem Alter von 70 Jahren regelmäßig zu überprüfen. Diese Idee findet hierzulande mittlerweile auch immer mehr Anklang.

Der Bundesrepublik bliebe laut EU-Plan wie allen anderen Mitgliedsstaaten dann zumindest die Wahl, wie diese Prüfung im Alter aussehen soll. Denn dies soll den Ländern des Staatenbundes überlassen werden. Es wäre also möglich, dass der Senior seine Fahrtauglichkeit schlicht versichern muss. Allerdings könnten auch medizinische Untersuchungen zur Pflicht bei einer Verlängerung werden – gerade wenn Zweifel daran bestehen sollten, ob der Bürger wirklich noch den erforderlichen Standards eines Fahrers entspricht.

Zwei Senioren sitzen in einem Auto
Bald nur noch auf Zeit ans Steuer? Nach dem Willen der EU soll die Fahrtauglichkeit von Bürgern ab 70 Jahren alle fünf Jahre überprüft werden. © IMAGO / Westend61

EU-Plan für Führerscheine für Senioren: Linke-Politiker spricht von „Altersdiskriminierung“

Wie die Welt dokumentiert, halten sich im Bundestag Zustimmung und Ablehnung hinsichtlich des EU-Fahrplans in eine Welt ohne Verkehrstote die Waage. Thomas Lutze (Linke) etwa schimpft: „Das ist nichts anderes als Altersdiskriminierung.“ Er schlägt dagegen vor, dass „sich alle Verkehrsteilnehmer mit Führerschein ab 50 Jahren regelmäßig von ihrem Hausarzt auf Fahrtüchtigkeit untersuchen und beraten lassen“.

Dirk Spaniel, verkehrspolitischer Sprecher der AfD, moniert: „Der aktuelle Vorschlag zeigt wieder einmal den Wunsch der EU, bis ins Detail hinein zu regulieren – insbesondere Dinge, für die es keine Notwendigkeit gibt.“ Aus Unfallstatistiken sei lediglich „eine erhöhte Unfallgefahr für Senioren auf Elektrofahrrädern“ erkennbar.

Kommt Führerschein ab 70 Jahren auf Zeit? SPD-Verkehrsexperte hofft auf Freiwilligkeit statt Zwang

Dagegen findet es Verkehrspolitikerin Swantje Michaelsen (Grüne) „gut, dass die EU-Kommission in Richtung Verkehrssicherheit und Fahrtauglichkeit den nächsten Schritt geht“. Sie verweist auf die jüngsten Zahlen zu Verkehrstoten und findet: „Die Sicherheit der ungeschützten Verkehrsteilnehmenden muss also höchste Priorität haben.“ Hinsichtlich der Überprüfungen könnten die in anderen Ländern bereits erprobten Verfahren herangezogen werden.

Ähnlich sieht es SPD-Verkehrsexperte Mathias Stein. Er hält es für „unstrittig, dass die Wahrscheinlichkeit von gesundheitlichen Problemen mit Einfluss auf die Fahrtauglichkeit mit zunehmendem Alter steigt“. Wichtig sei, „Gefährdungen für Dritte auszuschließen und zugleich die individuelle Mobilität für ältere Menschen als Teil persönlicher Freiheit zu schützen“. Der Sozialdemokrat stellt jedoch hinsichtlich der Maßnahmen klar: „Freiwilligkeit sollte Vorrang vor Zwang haben.“

ADAC zu Unfallrisiko von Senioren: „Nicht außergewöhnlich hoch“

Unions-Fraktionsvize Ulrich Lange (CSU) verweist derweil darauf, dass neue EU-Richtlinien nicht zwingend in deutsches Recht umgesetzt werden müssten. Seine Fraktion sei „dafür, weiter auf die Eigenverantwortlichkeit der Autofahrer zu setzen und darauf zu bauen, dass diese selbst am besten ihre Fahrtauglichkeit einschätzen können. Um im Zweifel überprüfen lassen.“

Und was sagt der ADAC? Dort wird betont, das Unfallrisiko von Senioren sei „nicht außergewöhnlich hoch“. Der größte Verkehrsclub Europas hält gesetzlich verpflichtende Fahreignungsprüfungen für „nicht verhältnismäßig“ und lehnt „die geplanten Maßnahmen, die sich auf ein bestimmtes Alter beziehen“, ab. Das Lebensalter sei weniger entscheidend als die Fahrerfahrung und der Gesundheitszustand des Fahrers. (mg)

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