Nach Ende der Null-Covid-Politik: Rasanter Anstieg der Infektionszahlen in China
China lockert seine strikten Corona-Maßnahmen. Die Bevölkerung feiert die Abkehr von der Null-Covid-Politik, die Krankenhäuser sind jedoch teils massiv überlastet.
Peking – Am vergangenen Mittwoch hatte China überraschend eine Kehrtwende in seiner Null-Covid-Politik angekündigt. Die Regierung lockerte die Maßnahmen und stellte einen neuen Zehn-Punkte-Plan im Kampf gegen das Virus vor. Gleichzeitig verzeichnete das Land seit Wochen die höchsten Fallzahlen seit Beginn der Pandemie vor knapp drei Jahren.
Ende der Null-Covid-Politik: Infektionszahlen versechzehnfacht
Allein in Peking hätten 22.000 Patienten am Vortag die Krankenhäuser der Hauptstadt aufgesucht, teilte der Sprecher der städtischen Gesundheitskommission, Li Ang, am Montag mit. In kleineren Städten sind wegen des Coronavirus die Kliniken Medienberichten zufolge völlig überlastet. Dennoch setzen die Behörden die Lockerungen fort: Am Dienstag soll die wichtigste Nachverfolgungs-App abgeschaltet werden.
Nach Angaben des Sprechers der Gesundheitskommission ist die Zahl der Patienten mit grippeähnlichen Symptomen und Fieber im Vergleich zur vergangenen Woche um das 16-Fache angestiegen. Auch die Zahl der Notrufe sei stark gestiegen, sagte er. Erkältungs- und Fiebermedikamente sind zudem in fast allen Pekinger Apotheken ausverkauft, und die Antigen-Schnelltests werden immer knapper, weil sich viele Menschen in Erwartung einer Corona-Welle damit eindecken.
In kleineren Städten wie Baoding in der Provinz Hebei und Dazhou in der Provinz Sichuan sieht die Lage offenbar noch schwieriger aus: In den sozialen Netzwerken berichten Nutzer, Krankenhäuser seien hoffnungslos überfüllt und Medikamente sind so gut wie keine mehr zu kaufen. Die Angaben ließen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen.
Ein Bett für 10.000 Patienten: China auf Corona-Welle schlecht vorbereitet
Nach landesweiten Protesten und einem Einbruch des Außenhandels hatte China im November mit der Abkehr von seiner strikten Null-Covid-Politik begonnen. Im ganzen Land wurden bereits Quarantäneregeln und Testpflichten gelockert oder sogar abgeschafft und die Massenabriegelungen beendet. Am Montag verkündeten die Behörden zudem das bevorstehende Ende der staatlichen Corona-App, die zweieinhalb Jahre lang die Bewegungsfreiheit der Menschen stark einschränkte.

Die abrupte Kehrtwende der chinesischen Führung bedeutet aber auch, dass das Land nun mit einer Welle von Corona-Fällen konfrontiert ist, auf die es schlecht vorbereitet ist: Millionen ältere Menschen sind noch immer nicht vollständig geimpft, und den unterfinanzierten Krankenhäusern fehlen die Kapazitäten, um eine große Zahl von Patienten aufzunehmen.
Im Schnitt stehe ein Bett auf der Intensivstation für 10.000 Patienten zur Verfügung, warnte die Vertreterin der Nationalen Gesundheitskommission, Jiao Yahui, in der vergangenen Woche. Der führende Covid-Experte des Landes Zhong Nanshan wies bereits am Sonntag darauf hin, dass die zuletzt offiziell gemeldeten landesweiten Rückgänge der Fälle nicht die Realität widerspiegelten, da viele Menschen sich nicht mehr testen ließen. In Wirklichkeit breite sich die Omikron-Variante im ganzen Land rasant aus, sagte er in den Staatsmedien.
„Ende einer Ära“: Chinesen feiern Ende der Corona-App
Dennoch feierten viele Menschen im Internet das Ende der landesweiten Corona-App als Meilenstein auf dem Weg zu einem normalen Alltag. Millionen von Menschen waren bislang auf den grünen Pfeil der App angewiesen, wenn sie zwischen Provinzen reisen, Veranstaltungen oder Einkaufszentren besuchen oder öffentliche Orte betreten wollten.
Viele Nutzer der Online-Netzwerke veröffentlichten Screenshots von ihren letzten Logins, andere feierten das „Ende einer Ära“ und freuten sich schon auf ihren nächsten Konzertbesuch. Einige Nutzer fragten sich allerdings, was nun mit den massenhaft gesammelten Daten geschehen wird.
Die Technikexpertin Kendra Schaefer von der Forschungsberatungsfirma Trivium China wies darauf hin, dass die Behörden die App nun nicht mehr nutzen könnten, „um bestimmte Leute unter dem Vorwand der öffentlichen Sicherheit zu Hause festzuhalten“. Der wirtschaftliche wie politische Gewinn aus seiner Kehrtwende sei für Peking aber so „enorm“, dass es dafür einige Nachteile in Kauf nehmen werde. Die hohe Inflation dämpft in vielen Ländern die Kauflust und den Bedarf an Waren „Made in China“. Der Export im Land bricht daher zunehmend ein. (mlh/afp)