Mit OB Palmer: Macht es eine Stadt besser als Rest-Deutschland? „Haben niemanden mehr angesteckt“

Blaupause für ganz Deutschland? Bei „Anne Will“ erklärt eine Ärztin den Tübinger Weg in der Corona-Pandemie - und schwärmt von Boris Palmer. Werden Corona-Probleme vor Ort besser gelöst?
- Coronavirus-Pandemie in Deutschland: Bei Anne Will (ARD) wird eifrig über den Strategiewechsel hin zu mehr Corona-Lockerungen diskutiert.
- Eine Ärztin wirbt für den „Tübinger Weg“ - und schwärmt von der Initiative von Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne).
- Wäre das Modell in der Corona-Krise eine Blaupause für ganz Deutschland?
München/Tübingen - Normalerweise tummeln sich in der schwäbischen Mittelstadt Tübingen mit ihren 85.000 Einwohnern rund 25.000 Studenten zwischen Neckar, Wilhelmstraße und Schnarrenberg-Kliniken.
So ist das idyllische Städtchen im Herzen Baden-Württembergs für seine Jahrhunderte alte Universität bekannt - wenn nicht gerade Coronavirus-Pandemie ist. Denn in dieser beschreiten die Schwaben ihre eigene Corona-Strategie, mittlerweile in ganz Deutschland als „Tübinger Weg“ bekannt.
Tübinger Weg in der Corona-Pandemie: Wird Strategie von Boris Palmer zum Vorbild für Deutschland?
Der polarisierende Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) stieß diesen an. Eine Strategie, die sich auszuzählen scheint - während andere Städte, Landkreise und Kommunen nach Orientierung suchen. Corona-Schnelltests sollen es jetzt richten, doch zum Start der deutschlandweiten Testungen gab es zum Beispiel in Bayern eine Mega-Panne.
In Tübingen funktioniert just dieses Modell dagegen schon seit November 2020. Warum? Offenbar, weil es die Tübinger selbst in die Hand genommen haben. Und damit als Blaupause dienen? Der „Tübinger Weg“ setzt auf wenige Schwerpunkte mit Selbsttests im Zentrum der Bemühungen.
Der Tübinger Weg in der Corona-Pandemie - das Testen steht im Zentrum:
- „Tübinger Weg“ in der Corona-Pandemie - wesentliche Punkte:
- In den Alten- und Pflegeheimen wird schon seit April 2020 engmaschig auf das Coronavirus getestet.
- Schon viel früher als anderenorts gab es kostenlose FFP2-Masken für Menschen über 65.
- Für ältere und sehr alte Mitbürger wurde ein Einkaufskorridor zwischen 9 und 11 Uhr morgens eingerichtet.
- Im Winter wurden alte Mitbürger und Personen aus Covid-19-Risikogruppen gebeten, auf ÖPNV-Fahrten zu verzichten.
- Seit November 2020 können sich alle Bürger an Testmobilen kostenlos auf eine mögliche Infektion testen lassen.
- Eingelernte Freiwillige machen die Corona-Tests - unter anderem die Band des Schlagerstars Dieter Thomas Kuhn.
- Mithilfe privater Spenden und von Unternehmen wurden drei Millionen Euro für Schnelltests gesammelt.
Der „Tübinger Weg“ war an diesem Sonntag (7. März) auch Thema im Polit-Talk Anne Will in der ARD.
Corona-Schnelltestst in Tübingen (Baden-Württemberg) „Die haben niemanden mehr angesteckt“
„Fakt ist, dass wir in Tübingen über 20.000 Leute asymptomatisch getestet haben. Davon hatten wir 350, die positiv waren, und die haben wir rausgezogen. Die waren natürlich teilweise richtig entsetzt. Teilweise haben sie es gar nicht geglaubt“, erzählte die Notärztin und Pandemie-Beauftragte des Landkreises Tübingen, Lisa Federle, in der Sendung: „Die haben schon mal niemanden mehr angesteckt. Wir haben die natürlich sofort zum PCR-Test geschickt und ihnen gesagt, dass sie in Quarantäne müssen. Und wir haben es dem Gesundheitsamt gemeldet.“
Wir haben getestet, getestet, getestet.
Corona-Problemlösung vor der Haustüre, sozusagen. Mehr noch: Federle sieht es sehr kritisch, dass sich nach Vorstellungen der Bundesregierung von Kanzlerin Angela Merkel und von Gesundheitsminister Jens Spahn (beide CDU) jetzt jeder Bürger selbst testen soll.
Corona-Schnelltests in Deutschland: Medizinerin aus Tübingen äußert Bedenken wegen Organisation
„Ich bin dagegen, dass man jetzt daheim diese Schnelltests durchführt und dann überhaupt nicht weiß, was man damit macht“, meinte die Medizinerin: „Innerhalb kürzester Zeit hatten wir in unserer Fieberambulanz ganz viele, die gesagt haben, sie seien positiv. Und dass sie nicht wissen, was sie jetzt machen sollen. Die Menschen sind noch nicht so aufgeklärt, dass sie genau wissen, was sie mit Selbsttests machen.“

Genauso gebe es ihrer Meinung nach Menschen, „die das nicht ernst nehmen oder den Test falsch anwenden.“ Federle forderte deshalb: „Die Kommunen müssen überall Testzentren aufstellen, die Leute einlernen und aufklären. Wenn wir das jetzt in die Eigenverantwortung geben, haben wir überhaupt keinen Überblick mehr, was passiert.“
Coronavirus-Pandemie in Deutschland: Vor Ort die besseren Corona-Lösungen als von oben herab?
Tübingen, dessen 7-Tage-Inzidenz am 7. März unter 30 lag, legt jetzt nochmal nach. Ab Montag, 8. März, wird stadtweit von 9 bis 19 Uhr durchgetestet, was die Kapazitäten hergeben. Jeder kann sich laut Federle jeden Tag testen lassen.
„Ich wusste nicht, ob wir das Geld zusammenbekommen. Aber wir haben es zusammenbekommen. Und wir haben getestet, getestet, getestet“, erzählte sie von ihren Erfahrungen und lobte explizit Oberbürgermeister Palmer: „Dadurch haben wir die Bürger mitgenommen, weil sie gesehen haben, dass wir was für sie tun.“
Ist Tübingen damit auch ein Paradebeispiel dafür, dass bessere Lösungen an der Basis geboten werden? Federles Kritik an der baden-württembergischen Exekutive in Stuttgart fiel bei Anne Will (ARD) zumindest deutlich aus: „Ich habe die ganze Zeit versucht, es die Landesregierung machen zu lassen, weil es mir zu stressig wird.“ Jetzt machen‘s die Tübinger halt selber. (pm)