1. Startseite
  2. Welt

Experten warnen vor globalen Folgen der Manaus-Mutation - Mediziner flehen um harten Lockdown in Deutschland

Erstellt: Aktualisiert:

Von: Felicitas Bogner

Kommentare

Die Lage in den Krankenhäusern Brasiliens ist katastrophal. Experten warnen auch weltweit vor der Virus-Mutation P1.
Die Lage in den Krankenhäusern Brasiliens ist katastrophal. Experten warnen auch weltweit vor der Virus-Mutation P1. © Jens Büttner/dpa

Die Corona-Lage spitzt sich weiter zu. In Brasilien ist das Gesundheitssystem bereits kollabiert. Auch in Deutschland steigen die Zahlen. Grund sind die Mutationen. Experten plädieren für scharfe Maßnahmen.

Brasilien/Deutschland - Die gefürchtete dritte Welle der weltweiten Corona-Pandemie ist im vollen Gange. In Deutschland steigen die Inzidenzen kontinuierlich. Besonders fatal ist die Lage aktuell in Brasilien. Das Gesundheitssystem ist am kollabieren und das südamerikanische Land hat nun als zweites auf der Welt die Marke von über 300.000 Corona-Toten gerissen. Viele Intensivmediziner appellieren auch in Deutschland schon seit Wochen für einen strikten sofortigen Lockdown und fürchten schlimmere Zustände in den bundesweiten Intensivstationen, als dies im Frühjahr 2020 der Fall war.

Gesundheitssystem kollabiert: Über 300.000 Corona Tote in Brasilien registriert

Grund dafür sind die diversen Mutationsausbreitungen. Während in Deutschland vor allen Dingen die britische Variante B1.1.7 grassiert, trifft Brasilien und andere Länder aktuell die Corona-Mutation P.1 - auch als Manaus-Mutante bekannt - besonders heftig. Im größten Land Lateinamerikas haben sich nachweislich bis heute über 12,2 Millionen Menschen mit dem Coronavirus infiziert. Wissenschaftler warnen eindringlichst vor den potentiellen weltweiten Folgen einer Ausbreitung dieser Mutation. Denn der Hauptgrund der brasilianischen Tragödie auf den Intensivstationen sei die P.1-Variante. Diese Mutante scheint das Immunsystem von bis zu 60 Prozent aller Menschen, die schon einmal Covid hatten, austricksen zu können. Der US-Epidemiologe Eric Feigl-Ding warnt laut oe24.at: „Die Welt hat das schreckliche Potential von P.1 noch gar nicht begriffen.“ Es könne zu einem „bösen Erwachen führen“, Brasilien sei „eine Bedrohung für die globale Gesundheit.“

Corona-Lage in Brasilien: „Bedrohung für die globale Gesundheit“

Auch Dr. Roberto Kraenkel, biologischer Mathematiker am Covid-19 Brazil Observatory, schlägt aufgrund der Manaus-Mutante Alarm: „Das ist eine Atombombe“, sagte er zu Washington Post. Laut dem Nachrichtenportal sei er überrascht von der „Vielzahl von Corona-Mutations-Fällen. Er sage: „Diese Varianten sind ansteckender und dies bedeutet eine beschleunigte Phase in der Pandemie. Es ist ein Desaster.“ Man könne in den USA viel impfen und so eine Herdenimmunität erreichen, meint der Wissenschaftler. „Doch solange wir Ausbrüche haben, die in anderen Ländern unkontrollierbar sind, wird die Pandemie nicht beendet sein.“ Er kritisiere laut oe24.at dabei die brasilianische Regierung: „In Ländern wie Brasilien, in denen es praktisch keine Einschränkungen gibt, können ständig neue Mutationen entstehen.“ Der rechte Präsident Jair Bolsonaro hat das Coronavirus von Anfang an verharmlost, einen Lockdown lehnt er aus ökonomischen Gesichtspunkten ab.

Brasilien: Wissenschaftler bezeichnet Manaus-Corona-Mutation als „Atombombe“

„Der düstere Rekord spiegelt die unkontrollierte Pandemie* wider und hebt die brasilianische Tragödie auf eine neue Stufe“, schrieb etwa die brasilianische Internet-Zeitung G1. Die Lage in den Klinken ist wegen der Auslastung in 24 von 26 Bundesstaaten und dem Hauptstadtdistrikt in einem „kritischem Alarmzustand“, wie G1 unter Berufung auf die nationale Forschungseinrichtung „Fundação Oswaldo Cruz“ (Fiocruz) mitteilt. „Seit Anfang März wird das Land Zeuge des Zusammenbruchs des Gesundheitssystems.“ Aufgrund des coronabedingten Kollaps des Gesundheitssystems, hat vor zwei Tagen die deutsche Bundeswehr mit einem Hilfsflugzeug insgesamt 80 Beatmungsgeräte nach Brasilien geflogen. Die Hilfsgüter seien in Manaus entladen worden, wie die Luftwaffe und das Auswärtige Amt auf Twitter mitteilten.

Intensivstationen in Brasilien überlastet: Bundeswehr bringt 80 Beatmungsgeräte nach Manaus

Die Angst vor ähnlichen Szenarien in Deutschland ist bei vielen Experten und Intensivmedizinern hoch. Die Stimmen für einen harten Lockdown in der Bundesrepublik werden immer lauter. Gesundheitsexperte Karl Lauterbach (SPD) sagte etwa gegenüber dem Westdeutschen Rundfunk: „Wir können das nicht so weiterlaufen lassen.“ Anderweitig würden die Inzidenzen in Deutschland bald über 200 sein. In ihrer jüngsten Pressemitteilung schreibt auch die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI): „Brauchen wir erst ein Bergamo, um den Mut für einen harten Lockdown zurückzugewinnen?“ Professor Gernot Marx, Präsident der DIVI und Direktor der Klinik für Operative Intensivmedizin und Intermediate Care am Universitätsklinikum Aachen mahnt: „Nur weil die Bevölkerung des Lockdowns müde ist, können wir nicht bei Inzidenzen von 125, einem R-Wert von 1,2 und exponentiell steigenden COVID-19-Patienten auf den Intensivstationen darüber nachdenken, wie sich weitere Lockerungen durchsetzen lassen.“ Das A und O sei nun von den hohen Zahlen herunterzukommen. „Jetzt. Augenblicklich!“, sagt Marx. Um dies zu erreichen plädiert er für einen zwei- oder dreiwöchigen harten Lockdown. „Das lässt sich ab Montag über die Osterferien gut realisieren. Das wird zahlreiche Menschenleben retten und noch viel mehr vor lebenslangen Langzeitfolgen durch Covid bewahren. Portugal hat es vorgemacht. Erst harter Stopp. Und dann öffnen“, so der Intensivmediziner.

Deutsch Intensivmediziner haben große Angst und fordern strengen Lockdown: „Brauchen wir erst ein Bergamo?“

Auch sein Kollege, Professor Steffen Weber-Carstens, wissenschaftlicher Leiter des DIVI-Intensivregisters und Mitglied der erweiterten Klinikleitung der Klinik für operative Intensivmedizin an der Charité Berlin, gibt laut Pressemitteilung zu bedenken: „Die Bevölkerung hat zwischen Weihnachten und Anfang Januar, wo wir fast 6.000 Covid-Patienten versorgt haben, gar nicht mitbekommen, wie knapp es war.“ Zahlreiche Menschen seien laut dem Arzt aus dem Osten oder der Mitte Deutschlands nach Norden geflogen worden. „Ein Kraftakt, den wir geschafft haben, aber drei Monate später nicht gleich noch einmal brauchen.“ Diese Woche habe Weber-Carstens bereits die ersten Anfragen für überregionale Verlegungen auf dem Tisch gehabt. „Thüringen sieht gerade gar nicht gut aus“, sagt er. (feb) Merkur.de und tz.de sind Angebote von IPPEN.MEDIA


 

Auch interessant

Kommentare