Impfungen und Maßnahmen: Hat Corona-Mutation Auswirkung auf bisherige Erfolge? Experten beziehen Stellung
Eine neue, offenbar noch ansteckendere Mutation des Coronavirus bereitet aktuell Sorgen. Welche Auswirkungen nun folgen könnten, zeigen mehrere Virusexperten auf.
- Bioinformatiker Richard Neher beschäftigt sich mit neuen Mutationen des Coronavirus.
- Er hält am bisherigen Impf-Plan fest - und mahnt dennoch an, dass aktuell noch „harte Fakten“ fehlen würden.
- Auch andere Virusexperten melden sich bereits mit Einschätzungen zu Wort.
Basel - Dass sich Viren ebenso wie Bakterien verändern, ist an sich nicht ungewöhnlich. Im Falle des Coronavirus könnte die Mutation des Erregers jedoch besorgniserregend sein. Eine neue Variante des Sars-CoV-2-Erregers, die sich zunächst in Großbritannien verbreitet hat, scheint offenbar ansteckender zu sein, als die ursprüngliche Form.
Doch auch abseits der neu entdeckten Form sind bereits einige Corona-Mutationen bekannt - eine Übersicht finden Sie hier. Welche Auswirkungen solche Veränderungen auf Corona-Regeln, aber auch beispielsweise auf Impfstoffe haben könnte, versucht unter anderem der Virusexperte Richard Neher aus Basel zu prognostizieren.
Corona-Mutation in England und Südafrika: Virusexperte äußert sich - „Das ist außergewöhnlich“
Im Gespräch mit Spiegel Online spricht der Bioinformatiker, der am Biozentrum der Universität Basel tätig ist, über Mutationen in Teilen des Coronavirus-Genoms. Da sich nicht nur in England, sondern auch in Südafrika bereits Variationen des Virus verbreitet hätten, müsse man dringend verstehen, wie die Mutationen zustande kommen.
„Dass diese Viren mutieren, ist in der Tat völlig normal“, so Neher. Über die meisten Mutationen müsse man sich zunächst keine Sorgen machen. Mit den aktuellen Virus-Veränderungen in Südafrika und England hätte sich die Lage allerdings etwas verändert. „Wir sehen wirklich viele Mutationen in dem relevanten Oberflächenprotein des Virus. Das ist außergewöhnlich. Und es ist gleich zweimal passiert, dass sich diese Varianten relativ schnell ausgebreitet haben“, erklärt er weiter.
Coronavirus-Mutation: Varianten haben keinen gemeinsamen Ursprung - Weitere Forschungen nötig
Die Mutationen in Südafrika und Großbritannien wiesen zwar Ähnlichkeiten auf, hätten aber keinen gemeinsamen Ursprung. „Das lässt uns glauben, dass sich das Virus in beiden Fällen tatsächlich an den Menschen angepasst hat“, ist Nehers These. Die „Hypothese“, dass sich die Variante in England schneller ausbreite als das ursprüngliche Virus, erscheint ihm dabei naheliegend. Im Interview mit Spiegel Online betonte der Bioinformatiker allerdings auch, dass aktuell noch zu wenige „harte Fakten“ vorliegen würden.
Dass weitere Forschungen nötig seien, gab kürzlich auch der deutsche Top-Virologe Christian Drosten an. Dass das Virus 70 Prozent ansteckender sei - diese Zahl äußerte der britische Premierminister Boris Johnson - bestätigte er beispielsweise noch nicht. Die Zahl sei „einfach so genannt worden“. Verharmlost werden dürfe die aktuelle Lage dennoch auf keinen Fall.
Corona-Mutation vermutlich ansteckender und damit gefährlicher - Impfungen weiterhin wirkungsvoll?
Ähnlich sieht es der deutsche Mediziner Dr. Thomas Assmann, der sich gegenüber der Bild zu der Corona-Mutation äußerte. Die Veränderung des Virus sei ein „sehr unerfreuliches Weihnachtsgeschenk“. Die Variante sei vermutlich ansteckender und damit gefährlicher.
Davon, dass Impfstoffe gegen die Mutation wirkungslos sein könnten, geht gehen sowohl der Bioinformatiker Neher als auch der Mediziner Assmann allerdings nicht aus. „Es ist nicht zu erwarten, dass einzelne Mutationen die Erkennung komplett verhindern. Aber das ist schon etwas, das man beobachten muss“, so Neher. Möglich wäre, dass „das Immunsystem von Geimpften neuere Varianten des Virus irgendwann einmal nicht mehr ganz so gut erkennt“, gibt er zu Bedenken. In den kommenden zwei oder drei Jahren sei dies allerdings nicht zu erwarten. Assmann plädiert im Gespräch mit der Bild außerdem dafür, aufgrund der Mutation noch schneller mit Impfungen zu beginnen.
Anpassung der Maßnahmen aufgrund der Corona-Mutation aus England sinnvoll?
Um die Ausbreitung der Corona-Mutation aus Großbritannien zu verhindern, halte Neher außerdem die Anpassung bestimmter Corona-Maßnahmen - wie etwa den Stopp des Flugverkehrs - für sinnvoll. Ob es darüber hinaus neue, strengere Regeln geben müsse, sei aktuell schwierig zu prognostizieren. „Aber es ist offensichtlich, dass die Regeln im Moment noch nicht ausreichen, um die Ausbreitung einzudämmen. Wenn sich diese Variante nun schneller verbreitet, muss man noch mehr Kontakte verhindern“, sagt er gegenüber Spiegel Online. Assmann betonte gegenüber Bild in diesem Zusammenhang, dass man Abstandhalten und das Tragen von Masken „konsequent durchziehen“ müsse. (nema)
Die Corona-Mutation in England sorgt aktuell für ein Chaos an Flughäfen in Deutschland. Jetzt sind dort erste Passagiere positiv getestet worden - in mehreren deutschen Städten.
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