Corona-„Kehrtwende“? WHO-Chef fordert Stopp für Dritt-Impfungen

Während in Deutschland über die dritte Corona-Impfung nachgedacht wird, warten viele ärmere Länder noch auf ihre erste. Der WHO-Chef fordert eine „Kehrtwende“.
Genf – Um den Impfschutz zu erhöhen und die Bevölkerung vor neuen Virus-Varianten zu schützen werden hierzulande schon die ersten Booster-Impfungen geplant. In Deutschland soll es ab September die dritte Corona-Impfung geben. Andere Länder, wie die USA, verfolgen ähnliche Pläne.
Dieses Vorgehen hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) nun hart kritisiert. Denn während Deutschland schon über Regeln für Ungeimpfte diskutiert, ist der Impfstoff in ärmeren Ländern immer noch knapp. Oft sind nicht einmal Pflegekräfte geimpft. Die WHO fordert deswegen einen vorübergehenden Stopp von Auffrischimpfungen gegen das Coronavirus, solange viele ärmere Länder noch auf Impfdosen warten.
WHO-Chef fordert Stopp von Booster-Impfungen - Corona-Impfstoff in ärmeren Ländern gebraucht
WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus kritisierte die in mehreren Ländern erörterten Pläne für solche Corona-Impfungen am Mittwoch in Genf. Er forderte dazu auf, bereits begonnene Auffrischimpfungen auszusetzen und Pläne dafür bis mindestens Ende September auf Eis zu legen. Zumindest zehn Prozent der Menschen sollten in allen Ländern der Welt geimpft sein.
„Länder mit hohen Einkommen haben 100 Impfdosen pro 100 Einwohner verabreicht“, so Tedros. „Gleichzeitig konnten Länder mit niedrigen Einkommen nur 1,5 Dosen pro 100 Menschen verabreichen, weil ihnen Impfstoff fehlt. Wir brauchen dringend eine Kehrtwende, sodass die Mehrheit der Impfstoffe in Länder mit niedrigen statt hohen Einkommen geht.“
Kritik an Corona-Impf-Plänen: USA verteidigt sich - „Wir glauben, dass wir beides machen können“
Das Weiße Haus in Washington wies die Kritik der WHO unterdessen zurück. Nach Ansicht der US-Regierung sei dies die „falsche Wahl“, betonte Jen Psaki, Sprecherin des Weißen Hauses am Mittwoch in Washington. „Wir glauben, dass wir beides machen können und diese Wahl nicht treffen müssen.“
Bislang hätte die US bereits mehr als 110 Millionen Impfdosen an andere Staaten gespendet, mehr als jedes andere Land auf der Welt. Gleichzeitig hätten die USA genug Impfdosen für die eigene Bevölkerung – auch um möglicherweise Teile der Bevölkerung mit Auffrischungsimpfungen zu versorgen, sofern die zuständige US-Arzneimittelbehörde dies empfehlen sollte.
Corona in ärmeren Ländern: Wenig Impfstoff und hohe Sterberaten
Schon lange wird die globale Impfstoff-Verteilung kritisiert. Ärmere Länder werden voraussichtlich erst Jahre später Zugang zu ausreichend verlässlichem Corona-Impfstoff bekommen. Gleichzeitig ist die Corona-Sterberate in armen Ländern deutlich niedriger. „Diese Pandemie ist noch lange nicht vorbei“, zitiert das Redaktionsnetzwerk Deutschland Ende Juli einen UN-Nothilfekoordinator. „Wir befinden uns wohl in einer der gefährlichsten Perioden für die ärmsten Menschen auf unserem Planeten.“ Im laufenden Jahr hätten fast drei Viertel der Länder mit Bedarf an humanitärer Hilfe mehr Corona-Fälle oder Sterbefälle verzeichnet als im gesamten Vorjahr. (vs/dpa)